Junge Leute wollen Erstwähler zur Landtagswahl an die Urnen bringen / Längst nicht alle Jugendlichen sind über ihr Wahlrecht aufgeklärt
Dutzende Schüler tummeln sich auf dem Hof des Gymnasiums in Templin (Uckermark), und die Wahlwecker haben an diesem Vormittag nur 25 Minuten, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen - so lange dauert die große Pause. Schnell ist der Infotisch vor dem grauen Tourbus aufgebaut. Darauf prangt das bunte Logo der Wahlwecker mit dem Untertitel „Aufwachen: wählen gehen".
Neun junge Männer und Frauen sind in ganz Brandenburg als Wahlwecker unterwegs. Sie wollen die 16- und 17-Jährigen animieren, am Wahlsonntag ihre Stimme abzugeben. Denn wenn am 14. September ein neuer Landtag gewählt wird, dürfen sie erstmals mitbestimmen, wer künftig im Land etwas zu sagen hat.
Die Wahlwecker machen Station bei Gemeindefesten, Jugendclubs und besuchen Schulen wie das Gymnasium in Templin. Max (23) und Teresa (24) reichen kleine orangefarbene Heftchen an die Schülerinnen und Schüler, die sich neugierig um den Stand drängen. „66 ½ Fragen rund um die Landtagswahl in Brandenburg" soll das Infoheft der Landeszentrale für politische Bildung beantworten.
Das Programm der Wahlwecker ist bis zum Wahlsonntag noch vollgepackt. An diesem Tag ist die Schule in der Uckermark schon die zweite Station, zeitgleich ist ein Teil des Teams an einer Schule in der Prignitz. Davor haben die Wahlwecker Schüler in Perleberg getroffen und Gespräche mit Direktkandidaten moderiert.
Beliebt sind die kleinen Wahlwecker, nach denen etliche Schülerhände greifen: blaue und orangefarbene Plastikmännchen, die als Kopf einen digitalen Wecker tragen, auf der Brust das Wahlwecker-Logo.
Viele Jugendliche wüssten überhaupt nicht, dass sie wählen dürfen, sagt Stephan Wende. Er arbeitet für die Stiftung Sozialpädagogisches Institut Berlin „Walter May" (SPI) und koordiniert die Wahlwecker-Tour. Die Kampagne wird außerdem unterstützt von der Koordinierungsstelle „Tolerantes Brandenburg" und vom Bildungsministerium.
Im Templiner Gymnasium haben die Schüler wenig über die Landtagswahl gesprochen: „Wir haben das Fach politische Bildung in diesem Schuljahr nicht", sagt die 16-jährige Grieta. „Wegen Lehrermangels." „Ich will mich noch informieren und den Wahl-O-Mat machen", sagt ihre gleichaltrige Freundin Magdalena. Der Wahl-O-Mat beruht auf den Wahlprogrammen der Parteien und fragt zu 38 Thesen die Zustimmung ab. Auch Jan und Laura, beide 18, setzen auf diese Hilfe. In ihrer Jahrgangsstufe fällt ebenfalls der Politikunterricht aus. „Politik ist schon wichtig, denn sie bestimmt ja darüber, wie das Leben dann aussieht", sagt Jan. Klassenkameradin Laura zweifelt dennoch, ob viele junge Leute sich an der Wahl beteiligen werden. „Die Wahlwecker sind auf jeden Fall eine coole Initiative."
Andreas Büttner, Spitzenkandidat der FDP, und ein lokaler SPD-Politiker haben sich in Templin zwar angekündigt, erscheinen aber nicht. Die 24-jährige Isabelle Vandre von der Linken wirbt mit Lollis um die Wählergunst. Man habe mit Blick auf die ganze Tour aber Kandidaten aller großen Parteien einbinden können, sagt Wende.
Maria Heider von den Grünen und Martin Gorholt von der SPD etwa waren an einem Gymnasium in Dallgow-Döberitz zu Gast. „Wir hatten richtig hitzige Diskussionen", schwärmt Wahlweckerin Teresa. Ihr Kollege Max ist auch mit dem Besuch in Templin zufrieden: „Viele haben unseren Besuch mitbekommen."
Täglich veröffentlicht das Wahlwecker-Team einen Film, Blogeinträge und Fotos. Wende fotografiert an diesem Morgen acht Schülerinnen, wie sie das Wahlwecker-Logo aus großen Pappstücken zusammenpuzzeln. Wenig später stehen die Bilder auf der Facebookseite. Teresa, die Gruppenälteste, sieht das kritisch und setzt langfristig auf intensive Gespräche mit den Jugendlichen. „Das finde ich sinnvoller, als nur Bilder zu produzieren." Als die Pausenglocke läutet, verziehen sich die Schüler rasch wieder.
Wie viele der 38 300 16- und 17-jährigen Brandenburger am Sonntag den Wahlwecker hören, wird sich zeigen. Die Prognosen sind verhalten: Nur 36 Prozent der Jungwähler interessierten sich für die Wwahl, sagt Politologe Jochen Franzke von der Uni Potsdam.