Er ist gelb, erinnert an einen Blutegel und kann wahnsinnig nützlich sein: der Babelfisch. Douglas Adams hat sich das schräge Tier für seinen Roman „Per Anhalter durch die Galaxis" ausgedacht. Jeder, der es im Ohr trägt, versteht alle Sprachen der Welt. Was im Erscheinungsjahr 1979 noch reine Science-Fiction war, ist heute fast Wirklichkeit geworden. Informatiker kommen dem Universalübersetzer sehr nahe.
Ob im Urlaub oder auf Geschäftsreisen - die Computerprogramme helfen als App im Ausland weiter, wo die eigenen Fremdsprachenkenntnisse versagen. Sie übertragen Zeitungsartikel, E-Mails oder Websites im Handumdrehen in die Muttersprache. Seit September vergangenen Jahres übersetzt Google gar mit Hilfe von neuronalen Netzwerken - Künstliche Intelligenz, die von selbst dazulernt. Kurz darauf stellte Rivale Microsoft eine Software vor, die gesprochene Sprache genauso gut wie ein Mensch erkennen soll. Und das Grazer Start-up iTranslate hat seine beliebte Übersetzungssoftware im Mai in drahtlose Kopfhörer integriert und damit tatsächlich ins menschliche Ohr verpflanzt. Ist der Babelfisch also doch real?
Herausfinden soll das ein Test mit vier kostenlosen Übersetzer-Apps: Der Google Übersetzer, der schriftlich über 100 Sprachen beherrscht, konkurriert mit dem Übersetzer von Microsoft, der knapp 60 Sprachen bietet. Zudem treten iTranslate mit ebenfalls fast 100 Sprachen und die gleichnamige Software von Promt an. Das Unternehmen ist auf 16 Sprachen spezialisiert.
Alle vier Apps nutzen ein Eingabefeld, in das Sätze eingetippt oder kopiert werden können. Google, Promt und iTranslate übersetzen auch lange Texte, bei Microsoft ist nach knapp 500 Zeichen Schluss. Zum Aufwärmen sollen die Programme einfache Texte knacken. Hier überzeugt Google am meisten. Ein Standard-Bewerbungsschreiben etwa übersetzt die App flüssig und weitgehend fehlerfrei vom Englischen ins Deutsche. Die drei Rivalen dagegen kämpfen mit Wortwahl, Grammatik und Satzbau. Microsoft und iTranslate scheitern an der Formulierung „That especially appealed to me in the job advertisement". Sie verstümmeln zu „Das mir besonders gefallen in der Stellenanzeige hat". Die Ergebnisse sind fast identisch, da auch iTranslate Microsoft-Technik nutzt. Promt preist sich als mannschaftsorientiert (team-oriented), gewidmet (dedicated) und elastisch (resilient) - gemeint ist dagegen teamorientiert, engagiert und belastbar. Auch bei sehr simplen Sätzen leistet sich die App Patzer: Statt der Reservierung (reservation) eines Zimmers verlangt Promt ein „Bedenken".
Google-Übersetzer schneidet im Testlauf am besten abIm Detail aber hat auch Google Probleme und wechselt bei einer nachgestellten Unterhaltung munter zwischen „du" und „Sie". Computerlinguist Josef van Genabith, der an der Saar-Uni zu maschineller Übersetzung forscht, nennt weitere sprachliche Hürden, an denen die Programme noch scheitern: „Sie verstehen keine Metaphern und sind nicht in der Lage, den Einfluss von Kulturen auf die Sprache zu berücksichtigen."
Fordert man die Apps literarisch, haben sie noch deutlich größere Schwierigkeiten. Professionelle Übersetzer des Dienstleisters Lengoo haben das für die F.A.S. geprüft. Google hat wieder die Nase vorn - scheitert aber daran, den Stil von Nobelpreisträger Ernest Hemingway nachzubilden. Microsoft, iTranslate und Promt zeigen sich noch schwächer.
Fällt es den Apps leichter, nüchterne technische Texte ins Deutsche zu übertragen? Das Testobjekt: die Beschreibung einer Netzwerktechnologie. Lengoo-Geschäftsführer Christopher Kränzler urteilt: Alle vier Programme haben Probleme dabei, die einzelnen Satzteile richtig aufeinander zu beziehen - doch das sei bei technischen Beschreibungen extrem wichtig. Besser schneiden die Apps bei einer EU-Verordnung ab, denn Rechtstexte haben oft eine simple Struktur. Abermals kann vor allem Google punkten. Um sich einen ersten Überblick über die Rechtslage in einem anderen Land zu verschaffen, können sich die Übersetzer also durchaus eignen. Doch Vorsicht: Einen ganzen Geschäftsvertrag, bei dem jedes Detail stimmen muss, bekommen sie kaum in den Griff. Auch wer auf Diskretion angewiesen ist, sollte lieber einen verschwiegenen menschlichen Übersetzer wählen. Die Anbieter speichern alle Daten und werten sie aus, um ihre Programme zu verbessern.
Insgesamt schneide der Google-Übersetzer im anspruchsvollen Testlauf am besten ab, resümiert Kränzler. Am schlechtesten bewertet er Promt: Das Programm wähle oft die gängigste Übersetzung statt der passendsten und liefere falsche Zeitformen.
Die meisten Apps verstehen schlecht DeutschEin echter digitaler Babelfisch muss auch verstehen, was eine Person sagt. Ein Heer von Forschern versucht, mit Hilfe Künstlicher Intelligenz die maschinelle Spracherkennung zu verbessern - auch damit digitale Assistenten wie Apples Siri und Amazons Alexa funktionieren. Im vergangenen Jahr meldete Microsoft stolz die niedrigste jemals von einer Maschine erzielte Fehlerquote: 5,9 Fehler auf 100 Wörter.
Im Test müssen die Apps sich an verschiedenen Sätzen versuchen, die zwei Muttersprachler auf Deutsch und Englisch einsprechen - und diese übersetzen. Damit das klappt, ist eine Internetverbindung nötig. Bei einfachen Aussagen dolmetschen die Apps noch recht zuverlässig. Wenn der Sprecher etwas nuschelt, schnell spricht und ungewöhnliche oder ähnlich klingende Wörter benutzt, kommen sie jedoch an ihre Grenzen. So versteht Microsofts Übersetzer, wenn man ihm Hemingway vorliest, statt „flour sacks" (Mehlsäcke) „flower socks", also Blumensocken. Deutsch zu verstehen fällt allen Apps meist noch schwerer: Den größten Fehltritt leistet sich der Übersetzer von Microsoft, als er statt „mein Sperrgepäck" „Mensch Berge Peck" erkennt.
Einen Auszug aus Donald Trumps Amtseinführungsrede zeichnet Microsoft hingegen als einzige App fast fehlerfrei auf und geht als klarer Sieger aus diesem Test. Nur diese App ist geeignet, mehr als einen Satz aufzuzeichnen, weil sie Punkte und Kommata setzt. Außerdem wird die Übersetzung gleich während der Aufnahme angezeigt. Das macht Google zwar auch, in der Android-Version braucht die Aufzeichnung jedoch viel Zeit, um hinterherzukommen. iTranslate und Promt lassen sich noch mehr Zeit und übersetzen erst, wenn die Aufnahme beendet ist. Bei Promt bricht die Aufnahme öfter mitten im Satz ab, wenn der Sprecher eine Pause macht.
Doch selbst wenn die Apps das Gesprochene richtig erkennen, übersetzen sie anschließend manches falsch - es gibt also gleich zwei Fehlerquellen. Das hindert Microsoft nicht an ambitionierten Projekten: In der Übersetzer-App können sich mehrere Personen, etwa zu einer Konferenz, in einen gemeinsamen Chat einloggen. Dann wird live übersetzt, was die anderen Teilnehmer sagen. Im Einsatz ist die Microsoft-Technik auch schon beim Internettelefonie-Anbieter Skype. iTranslate hat derweil mit Bragi, einem Münchner Hersteller von Drahtlos-Kopfhörern, einen Echtzeit-Übersetzer für unterwegs entwickelt.
Weiter sind die Apps bei der Texterkennung: Die funktioniert simpel mit der Kamera des Smartphones. Speisekarten oder Straßenschilder in fremden Schriftzeichen werden so verständlich. Im Test erkennen alle Apps schwarze gedruckte Schrift auf hellem Hintergrund problemlos. Mit einer englischen Boulevardzeitung, die mit großen weißen Lettern vor schwarzem Hintergrund aufmacht, tun sie sich dagegen schwerer. Der klare Sieger: wieder Google. Die Software erkennt auch Schrift auf Plakaten mit buntem Hintergrund zuverlässig, im Gegensatz zu Microsoft und Promt. iTranslate bietet die Funktion gar nicht an. Die Google-App kann die Übersetzung auch direkt auf dem Bild einblenden - das funktioniert aber nur bei einzelnen Wörtern gut. iTranslate hat mittlerweile eine verbesserte App herausgebracht. Weitgehend perfekt sind aber alle Apps noch lange nicht, der Babelfisch bleibt also weiter zu einem guten Teil Fiktion.