Nicht nur in Berlin zerbrechen sich Schüler, Eltern und Lehrer den Kopf, wie dieses Schuljahr zu retten ist. Und nun droht bundesweit ein Öffnen und Schließen von Schulen, je nachdem, ob die Sieben-Tage-Inzidenz 165 über- oder unterschreitet.
„Mindestens die Hälfte der Schulen geht voraussichtlich wieder in den Distanzunterricht ", sagte der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, dem Tagesspiegel. „Das sind natürlich fatale Aussichten. Wenn man nicht davon ausgeht, dass die Notbremse ganz schnell wirkt, dann wird es wohl bis Pfingsten keine Verbesserung geben, sondern eher noch eine Verschlechterung. Das ist frustrierend und deprimierend."
Gleichzeitig weiß auch der Lehrerverbandschef, dass es derzeit kaum eine andere Lösung geben kann. Die Balance zwischen Gesundheitsschutz und Bildungsauftrag sei für die Lehrkräfte stets eine Gratwanderung. Meidinger hätte sich mehr Spielraum und unterschiedliche Instrumente statt starrer Inzidenzvorgaben gewünscht. Der Wert von 165 sei außerdem „viel zu hoch". „Man könnte vielleicht etwas flexibler sein, wenn alle Schüler täglich getestet werden und die Lehrkräfte weitgehend geimpft sind."
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Der Bundesvorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger (Archivbild von 2016) Foto: dpa/Gregor FischerAuch an weiteren Bausteinen für den Gesundheitsschutz hake es noch. „Dass wir erst in wenigen Bundesländern mit den Impfungen von Lehrkräften begonnen haben, ist fatal", sagt Meidinger.
Die Debatte über Raumluftfilter an Schulen betrachtet Meidinger mit gemischten Gefühlen. „Raumluftfilter sind sicherlich ein zusätzlicher Sicherheitsfaktor, vor allem dort, wo man nicht lüften kann. Allerdings haben selbst Experten unterschiedliche Meinungen über ihre Effektivität. Wenn, dann sind sie nur ein kleiner zusätzlicher Baustein."
Ausgesprochen habe sich der Lehrerverband dagegen schon immer für eine qualifizierte Maskenpflicht, also das Tragen von medizinischen Masken an Schulen, was derzeit auch noch nicht überall gelte.
Es trifft die jüngsten SchülerBesonders besorgniserregend an der aktuellen Situation sei zudem, dass die Pandemie erneut die Kleinen und Schwächsten treffe. Während sich die älteren Schüler, insbesondere am Gymnasium und in der Oberstufe, überwiegend gut mit dem Distanzunterricht arrangiert hätten, sei die Lage etwa für Erstklässler, die sich auf die Schule gefreut haben und den Kontakt zu Lehrkräften und anderen Kindern am dringendsten bräuchten, besonders schlecht.
[Behalten Sie den Überblick: Jeden Morgen ab 6 Uhr berichten Chefredakteur Lorenz Maroldt und sein Team im Tagesspiegel-Newsletter Checkpoint das Aktuellste und Wichtigste aus Berlin. Jetzt kostenlos anmelden: checkpoint.tagesspiegel.de]Das Verständnis der Eltern für die aktuelle Situation hält sich laut Meidinger dabei ebenfalls in Grenzen. „Wir haben ein enorm heterogenes und gleichzeitig widersprüchliches Meinungsbild. Es gibt sehr viel Rückmeldung von Eltern, die sich Gedanken machen um die Gesundheit ihrer Familien und deshalb die Lage nachvollziehen können. Es gibt aber auch den Aufschrei von Eltern, die entsetzt waren, dass der Lehrerverband einen früheren Wechsel in den Distanzunterricht als bei 165 gefordert hat."
Wichtig sei nun eine Bestandsaufnahme, „um die großen Lernlücken zu erkennen. Das bräuchten wir aber bald - noch deutlich vor den Sommerferien", sagt Meidinger zum Tagesspiegel. Außerdem seien konkrete Planungen nötig, welche Fördermaßnahmen im nächsten Jahr im Rahmen von Zusatzbudgets von Bund und Ländern zur Verfügung stehen werden.