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Homosexuelle Eltern: Zwei Bremerinnen über die Familiengründung

Danielle Balmer (links) und Melanie Balmer-Schenk mit ihrem Sohn Luam. Foto: Christina Kuhaupt

Wie stellst du dir dein Leben in zehn Jahren vor? Als Danielle Balmer diese Frage stellt, lebt sie in Basel. Melanie Balmer-Schenk, deren Antwort sie gerne hören möchte, wohnt in Bremen. 800 Kilometer liegen zwischen den beiden Frauen – in Anbetracht der Entfernung möchte Balmer schnell wissen, ob das zwischen den beiden Chancen haben könnte. Kennengelernt hatten sich die Frauen im Internet. Melanie Balmer-Schenk weiß direkt, wie sie sich ihr Leben vorstellt: mit einer eigenen Familie. "Für mich war das nur tragfähig, wenn meine Partnerin für eigene Kinder offen ist", sagt die heute 36-Jährige. Ihre vorherige Beziehung sei unter anderem genau daran gescheitert.

Danielle Balmer musste zunächst eine Nacht drüber schlafen. Für die 40-Jährige hatte sich das Thema Familiengründung eigentlich erledigt. "Ich war davon überzeugt, auch gerne die kinderlose Tante zu sein." Mit einer Selbstverständlichkeit habe sie sich immer um ihre Nichten und Neffen gekümmert – denn für die Kindererziehung brauche es ein ganzes Dorf, erzählt Balmer. "Die Kernfamilie ist eigentlich eine Überforderung." Doch Melanie gefällt ihr sehr. Also denkt Balmer darüber nach, ob sie bereit für eigene Kinder wäre. Die beiden Frauen entscheiden sich füreinander – und für eine gemeinsame Familie. Danielle Balmer zieht aus der Schweiz nach Bremen, die beiden Frauen heiraten. 2018 wird ihr Sohn Luam geboren. 

Der Anderthalbjährige steht schon ziemlich sicher auf seinen kurzen Beinen – und rennt schnurstracks auf das Ufer des Werdersees zu. Melanie Balmer-Schenk läuft hinterher. Sie ist Luams Mama, seine biologische Mutter. Danielle Balmer ist seine "Mima". Die rechtliche Grundlage für Balmers Beziehung zu ihrem Kind fehlt allerdings noch. In der Geburtstagsurkunde von Luam steht nur der Name seiner biologischen Mutter. Das Feld des Vaters – leer. Es ist ein Bekannter der beiden Frauen. Vor Luams Geburt hat er eine Verzichtserklärung unterschrieben und seine Rechte abgetreten. Bei heterosexuellen Ehepaaren sieht das Abstammungsrecht vor, dass der Ehemann bei der Geburt eines Kindes automatisch der rechtliche Vater wird – egal, ob er auch der biologische Vater ist. Bei lesbischen Ehepaaren ist das nicht der Fall: Danielle Balmer muss erst den Weg der Stiefkindadoption nehmen, um Luams zweiter rechtlicher Elternteil zu werden.

STIEFADOPTION FÜR GLEICHGESCHLECHTLICHE ELTERN

Acht Wochen nach der Geburt konnten sie mit der Adoption beginnen. Eigentlich sollte das Verfahren innerhalb des ersten Lebensjahres abgeschlossen sein, doch erst kürzlich habe das Ehepaar einen weiteren Fragebogen in der Post gehabt – unter anderem mit Fragen, warum Danielle Balmer ein Kind adoptieren möchte. Melanie Balmer-Schenk findet, dass die Stiefkindadoption nicht sonderlich gut zur Wirklichkeit lesbischer Eltern passt, die gemeinsam ein Kind bekommen. Luam kennt seinen leiblichen Vater und hat Kontakt zu ihm, wie zu einem Onkel. Er werde mit dem Wissen aufwachsen, wer bei seiner Zeugung geholfen habe, sagen die beiden Mütter. "Aber wir sind seine Familie." 

Sie würden sich wünschen, dass ihre Ehe auch in der Familiengründung mit der heterosexuellen Ehe gleichgestellt wird. "Dann hätten wir weniger Bürokratie und mehr Rechtssicherheit von Anfang an", sagt Danielle Balmer. Gerade zu Beginn sei da eine gewisse Angst gewesen. Was, wenn Melanie etwas passiert? Dann wären wohl ihre Eltern für den Jungen zuständig gewesen. "Wir sind froh, wenn wir unsere Familie auf eine gute, rechtliche Grundlage aufbauen können", sagt Danielle Balmer. Bis dahin muss sich ihre Ehefrau weiterhin alleine die offiziellen Dinge für ihren Sohn kümmern – etwa ein Konto eröffnen oder einen Kinderausweis beantragen.  

Luam verteilt Kekse: einen für Mama, einen für Mima. In ihrem gemeinsamen Alltag hat sich die junge Familie mittlerweile eingefunden. Beide Frauen arbeiten und kümmern sich gleichberechtigt um das Kind. In der Erziehung seien sie sich auch einig – meistens zumindest, sagen sie. "Ich kann besser Nägel schneiden, Melli Zähne putzen", sagt Danielle Balmer. "Der einzige Unterschied zwischen uns ist das Stillen."

Vor der Geburt ihres Sohnes haben Melanie und Danielle Balmer vor allem den Austausch mit anderen lesbischen Eltern gesucht, um von ihren Erfahrungen in der Familienfindung lernen zu können. Heute spielt das keine so große Rolle mehr, sagen die beiden – stattdessen suchen sie den Kontakt zu Eltern, die Kinder in Luams Alter haben. "Wie wichtig der Austausch mit anderen Eltern ist, hätte ich gerne vorher gewusst", sagt Melanie Balmer-Schenk. Geht es anfangs noch um Schlafen und Stillen, drehen sich die Fragen irgendwann um Beikost und Kita.  

Langfristig können sich die zwei ein Leben in einer Gemeinschaft vorstellen. "Luam soll mit anderen Kindern aufwachsen und nicht nur mit uns", sagt Melanie Balmer-Schenk. Erst mal warten die drei aber darauf, auch vor dem Gesetz eine Familie zu sein – Mama, Mima und Luam.

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