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Nachhaltige Mode: „Reparatur ist Wertschätzung"

Berlin. Wie kann Mode nachhaltiger gelebt werden? Darüber diskutierten im Rahmen der Fashion Week Vertreter von Greenpeace und der Modebranche.


Klimaschutz, gendergerechte Sprache oder LGBTQ+-Rechte - die Berlin Fashion Week war auch in diesem Jahr wieder geprägt von politischen Botschaften. Der Designer Kilian Kerner nutzte seine Fashion Show, um auf politische und gesellschaftliche Missstände hinzuweisen. „Ich möchte eine Welt, in der Glitzer regiert", lautete sein Statement. Auch Greenpeace setzte zu Beginn der Modewoche ein Zeichen. Die Umwelt-Organisation platzierte einen Berg von Altkleidern vor dem Brandenburger Tor, um auf nicht recycelbaren Kleidermüll aufmerksam zu machen, der ins Ausland exportiert wird.

Nachhaltige Mode, das ist auch die Mission von Natascha von Hirschhausen. Die Berliner Designerin produziert nach dem Konzept „Zero-Waste". Dabei wird weniger als ein Prozent der Kleidung fehlerhaft hergestellt und auf möglichst wenig Verschnitt bei der Herstellung geachtet. Im Rahmen der Berlin Fashion Week lud von Hirschhausen zu einer Paneldiskussion über eine nachhaltigere Modewelt ein. Neben Ihr auf dem Podium saßen Viola Wohlgemuth, Greenpeace-Expertin für Ressourcenschutz, und Thimo Schwenzfeier, Leiter des Conscious Store von Peek&Cloppenburg am Potsdamer Platz. Die Runde moderierte Stefanie Barz, Co-Gründerin der Upcycling-Plattform LoopLook.

„Wir müssen die Mode- und Textilindustrie neu denken, und zwar jetzt", forderte Viola Wohlgemut. In der konventionellen Kleidungsproduktion würden 20 bis 25 Milliarden Kleidungsstücke fehlerhaft hergestellt werden, die anstatt in den Geschäften auf dem Müll landen. Zudem würden Klamotten immer mehr als „Wegwerf-Ware" produziert werden, kritisierte Wohlgemuth. Zum einen, erklärte die Umweltaktivistin, werden die meisten Textilen aus nicht recycelbaren Mischfasern hergestellt. Dazu komme, dass die meisten Kleidungsstücke qualitativ so niedrig hergestellt werden, dass eine Reparatur gar nicht erst möglich ist.

Reparatur ist kein Zeichen des Prekariats

Mehr Menschen dazu bringen, ihre Kleidung zu reparieren, anstatt sie wegzuwerfen - das hat sich Thimo Schwenzfeier zur Aufgabe gemacht. Im Conscious Fashion Store am Potsdamer Platz findet jeden Donnerstag ein offenes Nähcafé statt, in das Interessierte kaputte Kleidung mitbringen können und von professionellen Schneidern lernen, wie sie die Kleidungsstücke selbst reparieren können. „Unsere Mitarbeiter achten auch in der Beratung darauf, dass es nicht vordergründig ums Kaufen geht", erklärte Schwenzfeier.

Reparatur statt Neukauf, das steht im Conscious Fashion Store im Vordergrund. Auch Natascha von Hirschhausen legt großen Wert auf Reparatur. Geht ein Kleidungsstück kaputt, können die Kunden es zur kostenlosen Reparatur ins Geschäft bringen. „Reparatur ist Wertschätzung", sagte von Hirschhausen. Hersteller müssten aus ihrer Sicht mehr Verantwortung für das eigene Produkt übernehmen und es langlebiger produzieren.

Kleidung zu reparieren, gilt oft noch als Zeichen finanzieller Schwäche

Trotz Angebote wie dieser lassen die wenigsten Menschen ihre Kleidung reparieren. „Der Überraschungseffekt, dass Klamotten repariert werden können, ist bei vielen unserer Kunden riesig", erzählte Thimo Schwenzfeier. Kleidung zu reparieren, gelte oft noch als Zeichen von finanzieller Schwäche - zu Unrecht, wie er findet. Durch Upcycling oder Personalisierungen könne Kleidung repariert und dadurch neugestaltet werden.

Weniger Textilmüll und weniger Massenkonsum, dafür mehr Reparatur und Upcycling - das wünschen sich Natascha von Hirschhausen und Thimo Schwenzfeier. Viola Wohlgemuth nimmt auch die Politik in die Pflicht, um eine umweltfreundlichere Modeindustrie zu gestalten. Durch international gültige Gesetze müssten besonders umweltschädliche Fast- und Ultrafast-Fashion-Konzerne bereits im Voraus für umweltschädliche Mode zahlen: „Je schlechter und schädlicher die Kleidung ist, desto teurer muss sie werden - und die Alternativen natürlich günstiger."

Bei Mode gehe es darum, Erfahrungen und Erinnerungen zu sammeln

Ohne ein generelles Umdenken gehe es aber nicht, da ist sich die Greenpeace-Aktivistin sicher. Shoppen sei noch immer die liebste Freizeitgestaltung der Deutschen und ein Großteil der gekauften Kleidung würde ungetragen im Müll landen. „Wir müssen von dem Gedanken wegkommen, etwas unbedingt besitzen zu müssen", forderte Wohlgemuth. Statt um den Konsum gehe es bei Mode darum, Erfahrungen und Erinnerungen zu sammeln. Ein neues wirtschaftliches Denken wünscht sich auch Natascha von Hirschhausen: „Wir müssen ökologische und soziale Nachhaltigkeit voranstellen - und danach muss sich die Wirtschaft richten, nicht umgekehrt."

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