Während ihres Bachelorstudiums in Internationalem Management in Magdeburg wurde Sophie Schilling klar, dass sie gerne in einer Unternehmensberatung arbeiten würde. Nach ihrem Abschluss fand sie Mitte 2020 auch recht schnell eine passende Stelle in Berlin. „Ich bin da aber nur für die Arbeit hingezogen", sagt Schilling. Eigentlich wäre die 26-Jährige gerne in Sachsen-Anhalt geblieben, aber ihr war schon im Studium klar geworden, dass es schwierig werden könnte, in der Region Karriere zu machen.
Damit liegt Sophie Schillings Berufseinstieg im Trend. Laut einer aktuellen Studie des Onlineportals Jobvalley und der Universität Maastricht aus dem Januar dieses Jahres wollen viele Studierenden in Ostdeutschland für den Berufseinstieg nicht in dem Bundesland bleiben, in dem sie studieren. Besonders auffällig ist das in Sachsen-Anhalt. Knapp zwei Drittel der Studierenden dort wollen in einem anderen Bundesland in den Beruf einsteigen, aber auch in Thüringen und Brandenburg sind es rund die Hälfte. Dahingegen gewinnen Bundesländer wie Berlin, Bayern und Baden-Württemberg Akademiker zum Berufseinstieg hinzu.
„Verlängerte Werkbänke statt ZentralenZumindest auf dem ersten Blick ist die Abwanderung der Berufsanfänger auch finanziell ein Rückschlag. Da jeder Studienplatz die Bundesländer Geld kostet, haben sie ein Interesse daran, Berufseinsteiger zu halten. Während Metropolen wie Hamburg oder Berlin durch Migrationsbewegungen zwischen Bundesländern jährlich rund eine Milliarde Euro Gewinn machen, verlieren Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen fast eine halbe. Auch für die neuen Bundesländer sieht der Saldo schlecht aus: Thüringen und Sachsen-Anhalt verlieren beispielsweise jährlich mehr als 300 Millionen.
Andere Studien kommen aber nicht zu dem Schluss, dass die Ausgaben für Studierende für die neuen Bundesländer ein Problem sind. Eine Studie zu den regionalen wirtschaftlichen Effekten der Martin-Luther-Universität Halle hat herausgefunden, dass Studierende und Beschäftigte für jeden Euro, der aus öffentlichen Mitteln in die Uni investiert wird, für rund zwei Euro Umsatz in der Stadt und im Umland sorgen. Unterm Strich verdiene die Region also auch schon an den Studierenden - selbst wenn sie nicht langfristig bleiben.
Über die wirtschaftlichen Auswirkungen ihrer Berufsentscheidungen auf die Region machen sich die meisten jungen Menschen weniger Gedanken, wenn sie festlegen, wo sie ihre Karriere starten. Auch würden solche Entscheidungen selten am Kriterium Ost- oder Westdeutschland festgemacht, sagt Jens Marchewski von Karrierenetzwerk Legatum. Das Karrierenetzwerk setzt sich für mehr Ostdeutsche in Führungspositionen ein. Vielmehr geht es meistens bei der Ortswahl sowohl um die persönlichen als auch die beruflichen Perspektiven, so Marchewski.