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Carsten Meyer-Heder: Der Manager

Carsten Meyer-Heder bei einer Wahlveranstaltung der CDU im Mai.

Er ist nicht zu übersehen. Mit langen Schritten betritt der Spitzenkandidat der CDU die Aula des Hermann-Böse-Gymnasiums. Der gut zwei Meter große Mann mit Glatze, schwarzem Jackett und Jeans, der von seiner Partei mit einer umfassenden Plakatkampagne überhaupt erst in das Bewusstsein der Wähler gerückt werden musste, ragt in einer Gruppe von Schülerinnen und Schülern sofort heraus. „Ich bin Carsten Meyer-Heder und irgendwie der Spitzenkandidat der CDU", stellt er sich vor der Diskussion vor. Es ist der 26. März. Acht Wochen bis zur Wahl.

Das Thema Bekanntheit, es hat Meyer-Heders Spitzenkandidatur geprägt wie kein anderes. Meyer-Heder ist kein CDU-Gewächs, ist nicht in der Partei groß geworden, hat sich nicht über Jahre hinweg zur Position des Spitzenkandidaten vorgearbeitet. Er ist IT-Unternehmer, hat seine mit Anfang 30 gegründete Firma Team Neusta von einem Start-up zu einer Unternehmensgruppe ausgebaut. In Wirtschaftskreisen weiß man, wer er ist, in der Politik ist er Quereinsteiger.

Im vergangenen Mai wurde er ernannt, eine Partei in den Wahlkampf zu führen, in die er erst Monate zuvor eingetreten war. Seitdem steht der 58-Jährige auf dem Prüfstand. Der Spiegel betitelte den Spitzenkandidaten als „Bremer Stadtpraktikanten". Meyer-Heder lacht über solche Überschriften, man müsse das alles mit einem Augenzwinkern sehen. „Ein Praktikant ist einer, der noch lernt", sagt Meyer-Heder. „Natürlich fragen mich Leute, ob ich das kann", sagt er. „Aber ich kann."

Das will Meyer-Heder auch an diesem Morgen auf dem Podium beweisen: Auf die Fragen der Schülerinnen und Schüler antwortet er kurz, überschreitet nie die vorgegebene Redezeit von zwei Minuten, ergänzt Redebeiträge der anderen Diskutanten. Er spricht über Bildungspolitik, über Jobs in digitalen Branchen, über Noten. „Wir sind in der CDU so langweilig und wollen wieder Leistung etablieren", verkündet er den Jugendlichen. Dabei stützt er die Ellenbogen auf den Tisch, hält das Mikrofon mit lockerem Handgelenk zwischen Daumen, Zeige- und Mittelfinger.

Steilvorlage für Meyer-Heder

Die Worte „ne" und „irgendwie" fallen oft. Wenn er nicht redet, lehnt er sein Kinn auf seiner Hand ab, umrahmt mit ausgestrecktem Zeigefinger und Daumen seinen Unterkiefer. Es wirkt, als wisse er nicht recht, wohin mit seinen Händen. Ein Schüler fragt, wer für die Bildungsmisere in Bremen die Verantwortung hat. Steilvorlage für den neuen Christdemokraten. „Wenn eine Partei seit 73 Jahren die Bildung verantwortet, kann man schon einen Zusammenhang herstellen", sagt er. „Da haben wir nach dem 26. Mai viel zu tun. Wir müssen einfach machen."

Machen - das ist Meyer-Heders Zauberwort. Wenige Stunden nach der Podiumsdiskussion in Schwachhausen sitzt er im Konferenzraum eines ambulanten Pflegedienstes in Findorff. Meyer-Heder hat einen Berater mitgebracht, einen Experten für Pflege. Die beide schütteln reihum Hände. Die Mitarbeiter erzählen von den Schwierigkeiten ihrer Branche, von den sinkenden Umsätzen, von der Belastung in ihrem Beruf.

Die Hände des Spitzenkandidaten ruhen gefaltet unter seinem Kinn, er schaut seinen Gesprächspartnern in die Augen und stellt immer wieder Zwischenfragen. Sein Berater macht sich Notizen. „Problem verstanden", sagt Meyer-Heder nach einer knappen Stunde, nickt seinem Mitarbeiter zu, lehnt sich in seinem Stuhl zurück und atmet tief durch. „Als Unternehmer können Sie anders rangehen. Sie sind kein Politiker", sagt der Pflegedienstleiter. Man könnte das als Angriff auffassen. Aber Meyer-Heder nickt. „Ich mache das nicht wegen des Bürgermeistergehalts."

Das Attribut Quereinsteiger ist für Meyer-Heder Fluch und Segen zugleich. „Ich mache jeden Tag etwas Neues", diesen Satz sagt er immer wieder, wie ein Mantra. So auch an diesem Nachmittag. Er will sich die Arbeit des Pflegedienstes genauer anschauen und begleitet eine Mitarbeiterin, um eine alte Dame zu besuchen, deren Verbände gewechselt werden müssen. Also quetscht sich der Spitzenkandidat auf den Beifahrersitz eines Kleinwagens, winkelt die Beine eng an den Körper und zieht den Kopf ein.

Ein typischer Tag in seinem Wahlkampf

20 Minuten später steht er vor der Eingangstür eines Mehrfamilienhauses, während die Pflegerin an der Gegensprechanlage auf die Antwort ihrer Patientin wartet. Meyer-Heder steht mit etwas Abstand dahinter, schaut erst auf die Uhr, dann auf sein Handy. Ein typischer Tag in seinem Wahlkampf, erklärt er, täglich habe er inzwischen fünf oder sechs Termine, stets sei er auf den Beinen. „Es macht aber immer noch Spaß", sagt er.

„Es ist sportlich, aber nichts, was mich verzweifeln lässt." Die alte Dame antwortet, der Türsummer brummt. Und dann sagt Meyer-Heder ihn, diesen Satz: „Ich mache jeden Tag etwas Neues." Er hat die Daumen in den Hosentaschen seiner Jeans, trommelt mit den Fingern auf seinen Oberschenkeln und wippt ein bisschen vor und zurück. Die Freude darüber, jeden Tag etwas Neues zu machen, könnte in diesem Moment kaum authentischer sein.

Vier Wochen später ist der Terminkalender noch voller, zum verabredeten Treffpunkt im CDU-Haus Am Wall kommt Meyer-Heder etwas verspätet. „Ich stand seit fünf Uhr in Bremerhaven am Auto- und Containerterminal", sagt er, als er am Konferenztisch in seinem Büro Platz nimmt. In aller Früh für die Stimmenwerbung am Haupteingang eines Firmenterminals stehen, auch so etwas Neues. Diese Termine liegen ihm. „Da, wo ich persönlich sein kann, bin ich stärker, als wenn ich von einer Bühne die große Ansprache halten muss."

In TV-Duellen, Podiumsdiskussionen oder bei Pressekonferenzen kommt er manchmal flapsig, fast unsicher daher. Er zuckt mit den Schultern. „Ich weiß, was ich kann und was ich nicht kann." Hinter ihm steht sein Konterfei auf Pappe ein Dutzend Mal an die Wände gelehnt, alles erstrahlt in CDU-Farben: schwarz-orange. Warum eigentlich CDU? Meyer-Heder trommelt mit den Fingern auf dem Tisch. „Ich fühle mich bei der CDU wohl", sagt er.

"Wer mit 18 nicht links ist, hat kein Herz"

Nicht nur die soziale Marktwirtschaft, auch christliche Werte wie Respekt, Menschenwürde und Verantwortung seien, auch wenn er nicht mehr in der Kirche sei, wichtig für ihn. „Wir sind eine liberale, städtische Partei, in Bremen und im Bund. Ich habe die Partei hinter mir. Die unterstützen alle das Projekt Meyer-Heder." Auf einer weißen Tafel hinter ihm ist ein Kalender aufgezeichnet, er ist dicht mit Terminen und Themen gefüllt. Vier Wochen bis zur Wahl.

Dass er einmal ausgerechnet die CDU in die Bürgerschaftswahlen führen würde, zeichnete sich in seiner Biografie nicht ab: In Bremen geboren und aufgewachsen, begann nach Abitur und Zivildienst sein Wirtschaftswissenschaftenstudium. Auf seinem Instagramkanal hat er einen schwarz-weißen Schnappschuss aus dieser Zeit eingestellt, Meyer-Heder mit langen Haaren, Vollbart und schlabbrigem Pulli. „Wer mit 18 nicht links ist, hat kein Herz. Wer es mit 30 noch ist, hat keinen Verstand", sagt Meyer-Heder angelehnt an ein Zitat, das von Winston Churchill stammen soll.

Damals, als er noch links war, lebte er in einer Zehner-WG im Viertel, saß öfter am Schlagzeug als im Vorlesungssaal. „Halb studiert, halb Musik gemacht, etwas gekellnert, aber nichts richtig", fasst er diese Zeit zusammen. 400 D-Mark monatlich habe er damals noch von den Eltern bekommen, denen er immer versicherte, er studiere fleißig. Dann plötzlich die Klarheit: „Ich war nicht auf dem richtigen Weg in meinem Leben." Also habe er den Eltern einen Brief geschrieben, habe alles zugegeben, habe betont, etwas ändern zu wollen. Den Brief habe seine Mutter bis heute noch. Und darin stehe dieser Schlusssatz: „Wenn ich jetzt nichts ändere, werde ich krank."

Dieses Erlebnis sei fast spirituell gewesen, erklärt Meyer-Heder, er habe gespürt, dass etwas in seinem Körper nicht stimme. Zwei Wochen später kam die Krebsdiagnose. „Die Erkenntnis, dass ich etwas ändern muss, war schon vorher da", sagt er. Seine Hände ruhen jetzt auf dem Tisch. Eineinhalb Jahre Genesungszeit, dann kam die Umschulung zum Programmierer. Sein Wendepunkt: „Wenn man mit Leidenschaft dran ist, passt alles. Dann kann man ein erfülltes Leben führen." Man glaubt ihm sofort.

Gegner statt Kunden

Die Wende will er auch in der Politik schaffen. Der Unternehmer Meyer-Heder will das Bürgermeisteramt anders angehen. Seine Aufgabe sei es als Senatschef, ein Team zu führen. Denn Bremen könne ein Einzelner nicht voranbringen, dafür brauche es ein gutes Team, gute Kommunikation, und vor allem - auch eines seiner Zauberwörter - Pragmatismus. „Unternehmer kommt von etwas unternehmen", sagt er. „Ich will etwas erreichen im Sinne Bremens." Mit dem Stress in der Politik könne er umgehen, allerdings sei die Auseinandersetzung persönlicher und härter. „Auf einmal hat man mit Gegnern und nicht mehr mit Kunden zu tun", sagt er. Trotzdem: Quereinsteiger zu sein sieht er als Vorteil. „Das ist eher ein Feature und kein Bug", sagt der Programmierer, eine Zusatzfunktion und kein Fehler.

Dem Wahltag sieht Meyer-Heder gelassen entgegen. Bürgermeister, das traut er sich zu, er habe bisher alles in seinem Leben gut hinbekommen. In der Politik will er ohnehin bleiben, das sei er den Menschen schuldig. „Wenn ich gewählt werde, heißt es: Einmal feiern, schütteln, und dann geht's los." Und wenn nicht? Meyer-Heder trommelt wieder auf dem Tisch. Die Antwort - pragmatisch. „Dann werde ich es nicht."

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