Noch sind die wirtschaftlichen Folgen des britischen EU-Austritts unklar. Doch eine Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) im Februar ergab, dass 40 Prozent der deutschen Unternehmen eine Verschlechterung der Geschäfte in Großbritannien erwarten.
Jedes Zehnte erwäge sogar, seine Investitionen in Großbritannien zurückzuverlagern. Auch in Bremen müssen viele Firmen Pläne entwickeln, mit denen sie sich auf die Auswirkungen des Brexits vorbereiten. Wie auch der Bremer Spezialtechnikhersteller Monacor International.
Erste Konsequenzen aus dem Brexit1965 wurde Monacor International in Bremen gegründet. Die Firma hat 4300 Artikel von Lautsprechern bis zu Sicherheitstechnik im Sortiment, die Produktentwicklung findet in der Bremer Zentrale statt. Dort arbeiten 170 Mitarbeiter, 500 sind es insgesamt weltweit.
Marcus Willroth ist seit 2006 Geschäftsführer von Monacor International. Großbritannien, sagt er, sei einer der größten Auslandsmärkte für das Unternehmen. In der Stadt Milton Keynes unweit von London gibt es seit Anfang der 1990er-Jahre sogar eine Vertriebsniederlassung, in der zehn Mitarbeiter tätig sind.
Genau hier hat Monacor International schon erste Konsequenzen aus dem Brexit gezogen: Geplante Investitionen für den Umbau des dortigen Lagers und der Büroräume wurden vorerst wieder abgesagt. Außerdem, so Willroth, werden in den kommenden zwei Jahren, in denen der Brexit verhandelt wird, keine weiteren Investitionen in Großbritannien getätigt. „Alles Weitere wäre aber Glaskugelleserei", sagt Willroth.
Bremen ist vorsichtigBei anderen ist die Sorge wesentlich größer. „Der Brexit wird den Geschäften deutscher Unternehmen mit dem Vereinigten Königreich erheblich schaden", sagt DIHK-Präsident Eric Schweitzer. Solche schlechten Prognosen schlagen sich auch in einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) nieder.
Dort heißt es, die deutschen Exporte nach Großbritannien seien in der zweiten Jahreshälfte 2016 bereits um 7,2 Prozent runtergegangen. Besonders betroffen waren die Pharmaindustrie (19 Prozent), die Autoindustrie (14 Prozent) und die Chemiebranche (11 Prozent). Das begründet das IW mit dem Wertverlust des britischen Pfund nach dem Brexit-Schock, was Exporte aus dem Euro-Raum verteuerte und damit die Nachfrage runtertrieb.
Allerdings sagt das IW auch, dass damit die schlimmsten Auswirkungen für Deutschland bereits ausgestanden seien. Die deutsche Wirtschaft könne den Exporteinbruch gut verkraften. Experten fürchten eher um die britische Wirtschaft: „In diesem und im kommenden Jahr werden die Briten erkennen müssen, dass der Brexit ihrer Wirtschaft schadet, und zwar über einen langen Zeitraum", sagte der Europaexperte Andrew Watt.
Seit dem Votum im Juni konnte man bei Monacor International aber noch keine Umsatzeinbrüche feststellen. „Das ist ein Vorziehen", sagt Willroth allerdings dazu. Er sagt, dass viele Käufer die Chance genutzt hätten, solange noch keine Einschränkungen durch den Brexit vorhanden seien.
Hohe ZölleWillroth sagt, er gehe davon aus, dass mit dem Brexit auch Handelseinschränkungen einhergehen. Hohe Zölle sind sein größtes Bedenken. Damit ist er in Bremen nicht allein: Laut Annabelle Girond von der Handelskammer sind 350 Unternehmen mit engen Beziehungen zu Großbritannien in Bremen ansässig, 50 davon haben dort eine Niederlassung oder einen Produktionsstandort.
Und Handelsschranken sind ihr Kernproblem. „Zölle oder verstärkte Bürokratiehürden wären katastrophal", sagt Giron. Zwar herrsche bei den Bremer Unternehmern keine Panik, sagt sie, „aber alle sind sehr vorsichtig." Großbritannien ist unter Bremens vier größten Handelspartnern, zehn Prozent der Exporte gehen dorthin.
2016 wurden knapp 533.485 Tonnen Waren nach Großbritannien exportiert, bis November 2016 wurde damit ein Umsatz von über zwei Milliarden Euro gemacht. Das meiste kommt vom Fischhandel, der Luft- und Raumfahrt und der Pkw-Industrie, bei der zwei Drittel der Exporte nach Großbritannien gehen.
Europäischer Unternehmerverband warntDie gefürchteten Zölle, die diese regen Handelsbeziehungen hemmen könnten, würden auch Wertschöpfungsketten internationaler Unternehmen unterbrechen. Davor warnte auch der europäische Unternehmerverband Business Europe: „Die Schaffung unnötiger Hindernisse für Handel und Investitionen sowie unfaire Wettbewerbsbedingungen sollten vermieden werden", forderte der Verband.
„Das ist eine Zäsur", sagt Willroth über den Austritt Großbritanniens aus der EU. Monacor International beliefert in Großbritannien den Groß- und Einzelhandel, zahlreiche Kundenbeziehungen bestehen seit Jahren. Deshalb sagt Willroth, dass das Unternehmen sich nie vollständig aus Großbritannien zurückziehen werde. Die meisten Kunden wollen die Geschäftsbeziehungen aufrechterhalten. Sie halten den Brexit, besonders aus wirtschaftlichen Gründen, für keine gute Idee.
Zum jetzigen Zeitpunkt kann über die Zukunft vieler in Großbritannien agierender deutscher Unternehmen nur gemutmaßt werden. Auch bei Monacor International gibt es keine konkreten Strategien für den Brexit. Allerdings bereitet sich das Unternehmen auf unterschiedliche Szenarien intensiv vor. „Wir müssen die Parameter erkennen, Stellschrauben drehen und sehen, was am Ende dabei rauskommt", sagt Willroth. Die Existenz des Unternehmens stehe allerdings nicht auf dem Spiel. Wie er können auch Hunderte andere Bremer Unternehmer vorerst nur abwarten, welche Impulse aus London kommen. Und sich auf den Ernstfall vorbereiten.