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Spukforschung: Gibt es Spuk wirklich? Ja!

Im Sommer 1949 standen zwei Männer aus mit Aufnahmegerät und Fotoapparat vor der Haustür der Familie Schrey im bayerischen Lauter. In dem beschaulichen Einfamilienhaus mit Holzbalkon und Satteldach in der Nähe des Chiemsees hatte sich Seltsames zugetragen. Die Schreys klagten zwischen Juni 1946 und Februar 1948 über "schlimme Angriffe" von "aggressiven Hausgeistern". Gegenstände hätten ein Eigenleben entwickelt: Der Teppich habe sich unter lautem Getöse zu einem schlangenartigen Wesen verformt, Frau Schreys Schlüssel sei durch die Luft geflogen, um sich schließlich an den Zeiger der Wanduhr zu hängen. Und die Schreibmaschine in dem Aufbewahrungskarton - sie habe wirre Dinge geschrieben, obwohl die nötigen Teile sich im geschlossenen Behältnis gar nicht hätten bewegen können.

Deshalb sind die beiden Männer aus Südbaden nach Oberbayern gereist: Hans Bender war Spukjäger - kein Fachmann für Hokuspokus, dafür mit einem offenen Ohr für die Spuk-Betroffenen und mit wissenschaftlichem Interesse an paranormalen Phänomenen. Bender war Professor für Psychologie, aber weil er sich mit außerhalb der Wahrnehmung liegenden, übersinnlichen Erscheinungen beschäftigte, nannte er seine Disziplin Parapsychologie. Bender befragte die Augenzeugen vor Ort und unterzog sie einem psychodiagnostischen Testverfahren, mit Zeichenübungen und Interpretationen von Farbklecksen.

Sein Begleiter Leif Geiges war Fotojournalist, dokumentierte Benders Feldforschung und rekonstruierte mit den Betroffenen die "Spuk-Phänomene", um sie fotografisch festzuhalten. Seine Fotos zeigen Alltagsgegenstände, die nicht sonderlich gruselig wirken, aber befremdlich posieren. Der Spukforscher vermutete hinter den merkwürdigen Vorkommnissen keinen fiesen Poltergeist, sondern vielmehr etwas Verborgenes, das es tiefenpsychologisch zu entschlüsseln gelte. Bender und Geiges gingen zu den Leuten, um ihnen zu helfen - sie wollten das Unerklärliche erklären.

So besuchten die Spuk-Experten im selben Jahr auch das benachbarte Vachendorf in Oberbayern. Dort beschwerte sich Familie Plach ebenfalls über Spuk: Frau Plach sei von einem fliegenden Handtuch heimgesucht worden, der Teddy habe plötzlich ihre Lesebrille aufgehabt und ein Notenblatt studiert und um Herrn Plach seien die Brötchen wie Schwalben durch die Luft geflogen. Bender hat auch weitere Zeuginnen und Zeugen befragt: Die Nachbarn berichteten ihm von schwebenden Kochtöpfen oder wandernden Wollknäueln rund ums Haus der Plachs. Bender nahm diese Gespräche mit einem Aufnahmegerät auf. Geiges' Fotografien dienten ebenfalls zur Dokumentation, er wollte dem Forschungsgebiet der Parapsychologie mehr Aufmerksamkeit verschaffen. Ihre Arbeiten erschienen in illustrierten Magazinen der Nachkriegszeit. Wie weitreichend ihre Arbeit war, das kann man noch bis Ende September in der Ausstellung "Spuk!" im Freiburger Augustinermuseum betrachten. In der Ausstellung sind auch die in diesem Text erwähnten Details von den Besuchen bei den Familien Schrey und Plach dokumentiert.

"Hans Bender sah seine Aufgabe darin, die Tabuschranke gegenüber solchen Phänomenen ein Stück weit zu reduzieren", sagt Eberhard Bauer. Er war Student bei Bender und ging mit ihm in den 1970er-Jahren auf Feldforschungsexkursionen. Der Parapsychologe ist heute im Vorstand des von Bender gegründeten Instituts für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene in Freiburg. "Bender ging es darum, eine Art Zuverlässigkeit des Unglaubwürdigen zu erreichen", sagt Bauer. Durch die Radioauftritte Benders und die Fotostrecken von Geiges wurden immer mehr auf die Freiburger Forschungsstelle aufmerksam. Immer mehr Personen mit Spuk-Erlebnissen meldeten sich am Institut.

Andreas Fischer ist Experte für Kunst und Fotografien des Okkultismus und arbeitet eng mit dem Institut zusammen. Fischer hat die Fotografien von Geiges für die aktuelle Ausstellung kuratiert. "In der populären Presse wurden Spuk-Phänomene sehr aufgebauscht und als Aberglaube, als Mysterium dargestellt", erklärt Andreas Fischer. Durch Bender und Geiges sei dieses Thema anschlussfähig für andere Wissenschaften geworden.

In der Ausstellung findet Antwort, wer sich fragt, wie man eigentlich Spuk erforscht. Wo Merkwürdiges vor sich geht, werden damals Stromflüsse gemessen, Brandherde untersucht und zerfetzte Kleidung inspiziert: Die Parapsychologen untersuchen Spuk-Tatorte auf mögliche natürliche Ursachen der vermeintlich paranormalen Phänomene. Auch die psychische Gesundheit der Betroffenen wird geprüft. Werden normale Ursachen ausgeschlossen, erhärtet sich der Spuk-Verdacht. Dann kommt unter anderem auch die Kriminalpolizei ins Spiel. An Tatorten untersuchen Parapsychologen und Kriminologen in dieser Zeit gemeinsam verwüstete Wohnungen oder aufgeschlitzte Matratzen.

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