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Wohnen am Wasser: Wie sich Architekten auf steigende Pegel vorbereiten

Wasserlagen bleiben als Wohnort beliebt. Architekten spielen mit den Gegebenheiten - und bereiten sich auf neue Szenarien vor.

Köln Immobilien am Wasser sind in Europa beliebt. Das treibt auch die Preise in die Höhe. Dabei werden die Projekte nicht nur spektakulärer, sondern in Planung und Bau auch immer herausfordernder. Der steigende Meeresspiegel, begrenzte Flächen am Wasser, aber auch Fluten und andere Naturkatastrophen werden in Zukunft beim Bau eine immer wichtigere Rolle spielen.

Hinzu kommt: Vor allem auf Inseln gibt es kaum noch neues Bauland. Das gilt auch für Mallorca, das bekanntermaßen zu den beliebtesten Reisezielen im Mittelmeer gehört. Das „Forbes Magazine" kürte die spanische Baleareninsel zum Topreiseziel 2023. Damit ist sie ein begehrter Investitionsstandort für Immobilienkäufer weltweit. „Es gibt fast keine freien Grundstücke mehr. Das hat Auswirkungen auf die Preise", sagt Hans Lenz, Geschäftsführer von Engel & und Völkers Mallorca Südwest.

Engel & Völkers Mallorca verzeichnete im Jahr 2022 ein Transaktionsvolumen von rund 855 Millionen Euro. Im Vergleich zum Vor-Pandemie-Jahr 2019 hat sich der Umsatz fast verdoppelt. Und das, obwohl die Zahl der Neubauten sich immer weiter verringert. Während in den 1990er-Jahren rund 18.000 neue Immobilien pro Jahr gebaut wurden, sind es heute rund 3500. „Um mit der steigenden Bevölkerungszahl mithalten zu können, müssten eigentlich jedes Jahr 7000 neue Häuser gebaut werden", erklärt Lenz. In direkter Meeresnähe werden aktuell jährlich zehn Villen neu gebaut.

Knappe Flächen

Weil die Fläche am Wasser so knapp ist, beschäftigen sich immer mehr Architekten mit Projekten auf dem Wasser. So lassen sie schwimmende Häuser und ganze schwimmende Siedlungen entstehen. Beispielsweise im Norden Amsterdams: In einem ehemaligen Industriehafenbecken der niederländischen Hauptstadt leben in einer Hausbootsiedlung dauerhaft etwa 100 Menschen. Noch zählen solche Projekte zu den Ausnahmen.

Denn Städte berücksichtigen oft nicht, dass der Wasserspiegel in Zukunft steigen wird. Den Wasserpegel reguliert Amsterdam über Schleusen. „Viele andere Städte haben diese Infrastruktur nicht. Wenn das Wasser kommt, dann kann man im Nachhinein wenig machen", sagt Sascha Glasl, Geschäftsführer des niederländischen Architektenstudios Space & Matter. Das Studio entwarf die Planung der Hausbootsiedlung.

Nicht alle Gebiete sind gleichermaßen von dem prognostizierten Anstieg des Meeresspiegels betroffen. Tritt in einem Gebiet eine Überflutung nur temporär auf, können Planer dies beim Entwurf einkalkulieren. „Alle Projekte am Wasser müssen neu gedacht werden. Dabei müssen sich Architekten und Ingenieure die Frage stellen, ob die Gebäude wirklich zukunftstauglich sind", sagt Glasl.

Sie könnten zum Beispiel die Erdgeschosse für eine mögliche Überflutung ausstatten. Steckdosen werden dann an der Decke angebracht, sodass die Technik im Gebäude erhalten bleibt, falls Wasser eintreten sollte. „Ein wirkliches Umdenken in der Planung gibt es wahrscheinlich erst, wenn Versicherungen und Banken sagen, dass das Risiko zu hoch wird", sagt Glasl.

Ihn überrasche es, dass noch so viele Projekte traditionell gebaut werden, obwohl die Gefahren gerade im urbanen Bereich sichtbar seien. Doch die Bauprojekte in Europa werden immer innovativer, beobachtet der Experte. „In den nächsten 50 Jahren wird sich einiges verändern."

Selbst der Standort unter Wasser wird für Planer interessant. Im Januar 2023 eröffnete Amsterdam am Hauptbahnhof ein neues Fahrradparkhaus, das unterhalb der Wasseroberfläche gebaut wurde. Das Fahrradparkhaus Stationsplein liegt unter dem offenen Hafenviertel. Mit Platz für 7000 Fahrräder ist es das größte der Stadt.

>> Lesen Sie hier: Luxusarchitektur setzt mit Nachhaltigkeit neue Prioritäten

Innovativ ist auch ein neues Projekt in Norwegen. Die Uferzone von Fornebu Brygge außerhalb des Osloer Zentrums soll erneuert werden. Dabei soll auf einer Fläche von über 45.000 Quadratmetern ein Meereszentrum samt Aquarium mit Unterwassergalerie auf einem bisher ungenutzten Parkplatz entstehen. „Fjordarium" heißt das nachhaltige Aquarium, für das Haptic Architects und Oslo Works ihre Entwürfe vorgestellt haben.

Was in den deutschen Städten aber weiterhin am dringendsten benötigt wird, sind Wohngebäude - der Platz dafür ist begrenzt. In Hamburg entsteht in der Hafencity ein ganzes Quartier mit Tiny-Appartements, aber auch Luxuswohnungen in Hochhäusern. Rund 600 Millionen Euro soll der Bau des Quartiers kosten und bis 2026 fertiggestellt werden. In zwei Wohntürmen sollen 122 Eigentumswohnungen entstehen. Die Wohnungen sind zwischen 80 und 140 Quadratmeter groß und sollen rund 14.000 Euro pro Quadratmeter kosten.

Auch am Neckar ist die Lage am Fluss begehrt. In Stuttgart-Untertürkheim soll ein neues, nachhaltiges Quartier entstehen. Die Bietigheimer Wohnbau GmbH plant, rund 140 Wohnungen zu bauen, auch hier zum Teil im Hochpreissegment. Bis 2027 soll das Projekt fertiggestellt werden. Der Entwurf stammt vom niederländischen Architekturbüro NL Architects und a+r Architekten aus Stuttgart.

In dem Quartier soll auch ein ehemaliges Dienstleistungsgebäude aus den 1970er-Jahren umgebaut werden. Das Projekt soll zeigen, wie Wohnen in einer industriellen Umgebung realisiert werden kann. Ein Teil des Projektareals gehört der EnBW Energie Baden-Württemberg AG, die in die Projektentwicklung eingebunden ist. Das Vorhaben ist offiziell zum „IBA'27-Projekt" ernannt worden.

See statt Meer

Viele Gemeinden im Binnenland liegen weder am Meer noch am Fluss, umso mehr gewinnen Seen an Bedeutung. Manche Projekte eröffnen allen Menschen die Möglichkeit des Wohnens am Wasser - und sei es für eine kurze Zeit. Im schleswig-holsteinischen Eutin ist das Inklusionshotel Seeloge im Auftrag des Unternehmens Ostholsteiner am See entstanden. Für den Bau zahlt das Unternehmen für die Nutzungsfläche von 1800 Quadratmetern rund 8,9 Millionen Euro. Um als Inklusionsbetrieb zu gelten, muss das Hotel mindestens zu 30 Prozent Menschen mit Behinderung einstellen.

Bereits kurz nach seiner Fertigstellung ist das Hotel mit dem Landesbaukulturpreis 2022 in der Kategorie „Öffentliche Gebäude" ausgezeichnet worden. Das Hotel ist barrierefrei. Ausgewählte Zimmer sind mit extragroßen Türen ausgestattet, sodass Menschen auch mit Rollstühlen genug Platz haben. Aber auch Besucher mit eingeschränkter Sehfähigkeit sollen sich im Inneren des Hotels leichter orientieren können.

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