In Betty Kupsas Chug Club werden eher kleine Drinks serviert – aber die haben es in sich. Auf Tequila-Basis entwirft die Barfrau immer neue Geschmackskreationen, die besten Deutschlands, finden Experten. Unsere Autorin Lena Frommeyer hat Betty in ihrer Bar auf St. Pauli besucht und sich die besten Tipps fürs gepflegte Trinken geben lassen.
Fotos: Kevin McElvaney
Um zu erraten, was Betty Kupsa begeistert, muss man das Bilderrätsel auf ihrer Haut lösen. Den Unterarm ziert eine Agave – die königliche Frucht, die in Mexiko wächst und aus der Tequila gebrannt wird. Auf den Ringfinger hat sie sich ein kleines Glas tätowieren lassen, auf den Daumen das Logo ihrer Bar. Die Zeichnungen geraten in Bewegung, wenn sie mit beiden Händen einen Shaker umfasst und Eiswürfel und Spirituosen durcheinanderwirbelt. Betty – markanter Pagenschnitt, roter Lippenstift zu schwarzen Haaren – ist kürzlich vom renommierten Magazin Falstaff zur Barfrau des Jahres gekürt worden. Ihr Chug Club auf St. Pauli steht für eine moderne Barkultur, in der es um feine Geschmacksnoten geht statt um zuckrige Drinks in großen Gläsern.
Tequila und Mezcal spielen im Chug Club die Hauptrollen. „Ich habe mich in Tequila praktisch schockverliebt“, sagt Betty – vor einigen Jahren bei einem Blind-Tasting mit feinen Bränden. „Es gibt keine andere Spirituose, die so vielfältig und so sexy ist.“ Hamburg hatte zu diesem Zeitpunkt keine Tequila-Bar und Betty damit eine Geschäftsidee. „2015 bin ich ‚All-In‘ gegangen und habe den Chug Club eröffnet“, sagt sie. „Alles, was ich besitze, steckt hier drin.” Die sogenannten Chugs sind kleine Tequila-Drinks mit unterschiedlichen Geschmacksnoten. Wer ein Menü bestellt, bekommt fünf Chugs und ein frisch gezapftes Zwischenbier. Natürlich stehen auch große Drinks auf der Karte. Beispielsweise die Buttermilch Margarita, für die Betty berühmt ist.
Die Wiege des „Gin Basil Smash“
Betty ist eine gute Gastgeberin – nicht nur hinter dem Tresen sondern auch Zuhause in Altona. Seit acht Jahren lebt sie an der viel befahrenen Max-Brauer-Allee, am Rand des hippen Stadtteils Ottensen, der zu Altona gehört. Eine schmale, steile Treppe führt hinauf in ihr Reich. In dem Gebäude gibt es nur wenige Wohnungen und jede hat ihre eigene Etage. „Ich hasse große Mietshäuser“, sagt Betty. Ihr Wintergarten gibt den Blick auf den Kirschbaum im ruhigen Innenhof frei. Der Esszimmertisch ist zum Kaffee gedeckt, dazu gibt es Haselnuss-Brand und kunstvolles Gebäck aus dem Manufaktur-Café Zuckermonarchie. An den Wänden hängen mexikanische Kunstwerke aus Papier und allerhand Fotocollagen. Auf den Bildern umarmt Betty Freunde oder prostet einem mit ihrem Drink zu.
Viele der Fotos sind Erinnerungen an zwanzig Jahre Hamburg. Damals zog Betty von Österreich an die Elbe, um Marketingkommunikation zu studieren. Dann kam das Angebot dazwischen, die Kneipe eines Freundes zu übernehmen, die Rote Laterne am Hans-Albers-Platz bei der Reeperbahn. Die damals 21-Jährige stürzte sich in das Abenteuer. „Mir fehlte es aber an Erfahrung, vor allem im Umgang mit Zahlen“, sagt sie heute. Sie verkaufte den Laden, studierte und entschied sich für ein Praktikum im inzwischen geschlossenen Blauen Barhaus im Stadtteil Ottensen. Es folgte ein Engagement in der 3Freunde Bar in einer Seitenstraße auf St. Pauli, bis Jörg Meyer sie an die Bar des international renommierten Le Lion in der Hamburger Altstadt holte, der Wiege des berühmten „Gin Basil Smash“. Das Le Lion wurde vom englischen Magazin „Drinks International“ unter die „50 besten Bars der Welt“ gewählt. Betty hat hier viel gelernt, das sie im eigenen Laden nutzen kann.
„Trinken ist eine absolut private und intime Angelegenheit“
Es ist 17 Uhr, in einer Stunde öffnet der Chug Club. Vor Bettys Haus steht ihr Kleinwagen, mit dem sie die knapp drei Kilometer nach St. Pauli fährt. „Ich bin halt faul“, sagt sie lachend, legt den Rückwärtsgang ein und schiebt eine CD in die Anlage. Alternative-Rock dröhnt aus den Boxen. Betty mag laute Musik. Ihr Freund ist Frontmann der Hamburger Punkrock-Band „Der Wahnsinn“. Im Video zum Song „Ich Ich Ich“ drückt Betty ihr Gesicht in eine Sahnetorte.
Sie parkt in einer ruhigen Seitenstraße neben der Bar, am Übergang vom altem zum neuen St. Pauli. „Wenn du rechts runterschaust, siehst du die letzte Transen-Bar des Viertels, die Davidstraße und den Rotlichtkiez“, sagt sie. „Auf der anderen Seite liegen Büros in Neubauten und Wohngebiete mit Hafenblick.“ Vom Chug Club sind es nur 200 Meter bis zur Reeperbahn. Trotzdem verirrt sich kein Junggesellenabschied hierher. Das liegt vor allem daran, dass Betty die Scheiben blickdicht mit Folie beklebt hat. „Ich finde, dass Trinken eine absolut private und intime Angelegenheit ist. Da muss einem niemand ins Glas glotzen.“ Die Bar bleibt für Laufkundschaft unsichtbar. Betty mag das. „Ich finde es gut, wenn Leute gezielt zu mir kommen.“
„Man kennt jede Bumsnase“
Bevor die ersten Gäste eintreffen, besucht Betty ihren liebsten Schnapsladen auf dem Kiez, das traditionsreiche Geschäft Sigvald Hansen in der Kastanienallee. Schokoladen-Wodka und Champagner stehen auf ihrer Einkaufsliste. „Der Mozart Dry ist alle“, sagt der Verkäufer, nachdem er Betty herzlich begrüßt hat. „Dafür ist der Champagner im Angebot, für dich den ganzen Monat.“ Jeweils eine Flasche links und rechts unter den Arm geklemmt, verlässt sie das Geschäft, läuft die Straße herunter und grüßt hier und da Menschen, die ihr entgegenkommen. „So ist das auf St. Pauli. Man kennt jede Bumsnase.“
Nach einem Stopp bei Mother‘s Fine Coffee an der Ecke zur Davidstraße geht es in den Chug Club. Gemütlich und schummrig ist es hier. Rotes Licht beleuchtet den Raum, eine Agave aus grünem Samt schmückt eine goldene Wand. Ihr Team hat bereits den Abend vorbereitet. Auf der Theke stehen kleine Fläschchen mit Essenzen bereit, dahinter elegante Flakons mit veredeltem Tequila, der beispielsweise das Aroma von Karotten angenommen hat. Betty schreibt den „Chug des Tages“ an die Tafel: „Kaffir Pause“, er besteht aus Kaffee-Tequila, Grand Marnier, Limette, Zucker und Orangen-Schaum.
Weg von Sirup und Saft, hin zu reduzierten Drinks
Zwei Stunden später ist nahezu jeder Platz besetzt. Betty begrüßt die Gäste persönlich, sie kennt fast alle und alle kennen sie. Betty ist zur Botschafterin für eine moderne Hamburger Barkultur geworden. „Wir hatten da echt Nachholbedarf", sagt sie. „Vor einigen Jahren gab es nur wenige freie Bars in der Stadt - also solche, die keinem Hotel angeschlossen sind." Heute hätten die Leute wieder mehr Lust auf Qualität und darauf, Trinken zu einem Erlebnis zu machen. Nach dem Chug Club eröffneten weitere interessante Konzepte, darunter die dripBAR, The Rabbithole und The Walrus Bar, die sich alle auf dem Kiez befinden. Die neue Generation holt die alten Barbücher wieder heraus und bewegt sich weg von Sirup und Saft, hin zu reduzierten Drinks.
Doch das reicht Betty noch nicht. „Ich möchte, dass mehr auf die Kombination von Essen und Drinks eingegangen wird." In New York und London fänden sich da schon tolle Konzepte. Aber auch in Hamburg tut sich was: „Ich kann nur empfehlen, mal in der Taqueria Mexiko Strasse auf St. Pauli vorbeizuschauen", rät sie. Und danach noch auf einen Schlummertrunk in den Chug Club. Vielleicht sogar auf ein ganzes, flüssiges Menü.