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Hochhäuser am Kudamm: Berliner Senat will an Signa-Deal festhalten

Berlin. Am Roten Rathaus, dem Sitz des Regierenden Bürgermeisters, und auch in der Wirtschaftsverwaltung war die Verärgerung groß. „Die Verabredung zwischen dem Senat und Signa gilt“, versicherte Senatssprecherin Melanie Reinsch. „Im Letter of Intent sind ein bis zwei Hochpunkte vereinbart worden und dies gilt auch weiterhin.“


Senatsbaudirektorin Regula Lüscher (Linke) hatte ihren Entwurf zum „Entwicklungskonzept City West“ am Mittwoch im Abgeordnetenhaus vorgestellt. Er sieht keine Hochhäuser auf dem Karstadtareal vor. Der Stopp der Pläne am Kurfürstendamm, schräg gegenüber der Gedächtniskirche, war in der Koalition offenbar nicht abgestimmt.


Verwunderung herrschte auch bei Karstadt-Eigentümer Signa. Denn eigentlich gab es feste Absprachen. In diesem gemeinsamen „Letter of Intent“ hatten sich der Senat und Signa 2020 darauf geeinigt, dass die Hochhauspläne des Unternehmens sowohl am Kudamm als auch am Hermann- und Alexanderplatz vorangetrieben werden. Im Gegenzug hatte Signa angekündigt, 800 Arbeitsplätze in von Schließung bedrohten Karstadt-Filialen zu erhalten. Wenn Signa die drei Hochhäuser am Kurfürstendamm 231 nicht bauen dürfte, könnte der Senat seinen Teil der Abmachung nicht einhalten.


Signa: "Keine Zweifel, dass Senat zu seinem Wort steht"

Signa selbst erklärte, das Unternehmen habe „keine Zweifel“ daran, dass der Senat trotz Lüschers Entwurf „zu seinem Wort steht“, so ein Sprecher des Unternehmens. Die Zusammenarbeit mit dem Senat habe sich „bislang als sehr verlässlich und vertrauensvoll erwiesen“.

Ein Sprecher von Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne), die bei den Verhandlungen zur Absichtserklärung eingebunden war, betonte, dass sich das Land damals mit dem Unternehmen „zur gemeinsamen Zukunft verständigt“ habe. Der Erhalt von Arbeitsplätzen und Karstadt-Filialen sei nach wie vor „eine gute Lösung für die Hauptstadt“, so der Sprecher. Da der Einzelhandel durch die Corona-Krise wirtschaftlich geschwächt sei, brauchen „die Kaufhäuser diese klare Zukunftsperspektive“.


Bausenator will Kudamm nicht mit Hochhäusern „vollknallen“

Bausenator Sebastian Scheel (Linke) dagegen verteidigte Lüschers Vorgehen. Der „Letter of Intent“ sehe auf dem Karstadt-Areal am Kudamm lediglich „ein bis zwei Hochpunkte“ vor. Als Hochpunkt gilt nach Lüschers Konzept bereits ein Gebäude mit einer Höhe von mehr als 35 Metern. Signa beabsichtigt jedoch, Türme in einer Höhe von 120 bis 150 Metern zu bauen. Sein Haus habe die fachliche Meinung, dass der Kurfürstendamm nicht „mit Hochhäusern vollgeknallt werden“ soll, sagte Scheel nun. Als Hochhaus gelte ein Bau mit mehr als 60 Metern Höhe. Über die Hochpunkte werde nun im Verfahren diskutiert, fügte er hinzu.


Auch die SPD – als Koalitionspartner der Linken in der rot-rot-grünen Koalition – war von Lüschers Entwurf überrascht und überrumpelt. Dass Hochhäuser demnach zwischen Urania und Europacenter, nicht aber am Kudamm gebaut werden sollen, sei „so in der Regierungskoalition nicht abgesprochen“ gewesen, betonte Ülker Radziwill (SPD). Sie leitet den Bauausschuss im Berliner Abgeordnetenhaus. Nun müsse zeitnah im Abgeordnetenhaus diskutiert werden, ob Lüschers Definition von Hochpunkten mit anderen Fraktionen abgestimmt worden sei.


Signas Hochhauspläne: Weitere Beratungen folgen

Die abschließende Auswertung von Signas Hochhausplänen soll im Abgeordnetenhaus Ende Januar vorgestellt werden. In weitere Beratungen über die Zukunft der City West soll künftig auch das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf und das WerkStadtForum eingebunden werden, fordert Radziwill ausdrücklich. Beide Institutionen hätten mit der „Charta City West 2040“ bereits ein detailliertes Konzept für städtebauliche Entwicklung vorgelegt.


Auf die Charta hatte Lüscher bei ihrem Entwicklungskonzept nicht zurückgegriffen, die dortigen Pläne nicht weiter eingearbeitet. Auch sei das WerkStadtForum nicht über Lüschers Pläne für die City West informiert worden, kritisierte Klaus-Jürgen Meier, Vorstandsvorsitzender der AG City und einer der Organisatoren des WerkStadtForums. Dabei sei die Charta bereits „viel weiter entwickelt“ als der Entwurf, den Lüscher am Mittwoch vorstellte, betonte er.


Meier hatte an der Sitzung des Bauausschusses teilgenommen. Dort warfen linke Abgeordnete ihm vor, sowohl die AG City als auch das WerkStadtForum seien ausschließlich von lobbyistischen Interessen geleitet. Deshalb, so die Meinung der Linken-Abgeordneten, solle die Charta nicht weiter berücksichtigt werden. Meier dagegen weist die Vorwürfe zurück: An der Charta arbeiteten nicht nur Vertreter aus der Wirtschaft, sondern auch Akteure aus der Politik, Gesellschaft und Kultur mit. Auch Bürger seien dabei. Gemeinsam entwickle man die Konzepte seit Jahren weiter.


CDU fordert Kooperation statt Konfrontation

Die fehlende Kommunikation zwischen Senat, Bezirk und WerkStadtForum kritisiert nun auch die CDU. „Wir fordern Kooperation statt Konfrontation“, sagt Stefan Evers, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Die Fraktion will einen Antrag im Abgeordnetenhaus einbringen. Zum einen fordert die CDU-Fraktion darin, dass der Senat mit dem Bezirk und dem WerkStadtForum zusammenarbeiten soll, zum anderen, dass „der Senat die Verabredungen mit Signa einhält“, so Evers.


Oliver Schruoffeneger (Grüne), Baustadtrat von Charlottenburg-Wilmersdorf, monierte, dass der Senat, der die Zuständigkeit für die Planungsgebiete Hertzallee und Hardenbergplatz vor viereinhalb Jahren an sich gezogen hatte, trotz des „erheblichen Handlungsbedarfs“ planerisch nicht weiter sei. „Insofern war ich sehr froh über die Charta mit ihren 79 Leitsätzen“, so der Stadtrat.


Dass der Senat – wie auf der Senatssitzung am Dienstag bekannt gegeben – nun auch das Gebiet am Kurfürstendamm als Kerngebiet der „außergewöhnlichen stadtpolitischen Bedeutung“ an sich gezogen habe, sei folgerichtig. Damit liege nun die Zuständigkeit für die Aufstellung von Bebauungsplänen für diesen Bereich nicht mehr beim Bezirk. Auch er habe den Entwurf im Ausschuss zum ersten Mal gesehen. „Mit der Kooperation mit dem Senat ist es nicht weit her, das ist keine Planung auf Augenhöhe“, kritisierte Schruoffeneger als Bezirksstadtrat.

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