Kaum eine Brauerei verkauft ihr Bier so bieder wie Rothaus. Das Tannenzäpfle ist sehr teuer - und sehr beliebt bei jungen Menschen. Den satten Gewinn kassiert vor allem der Staat.
Dieser Artikel ist am 30. August 2018 bei Orange - dem jungen Portal des Handelsblatts - erschienen.Die Grillparty steht, die Freunde sind eingeladen. Jetzt fehlt nur noch das Bier. Im Supermarkt bleibe ich vor den Regalreihen in der Getränkeabteilung stehen. Überall springen mir die gelben und roten Schilder mit den Sonderangeboten ins Auge. Nur bei einer Sorte soll ich mal wieder den regulären Preis zahlen: Für das Tannenzäpfle von Rothaus verlangt der Laden mit Pfand fast 20 Euro für eine Kiste. Wer gibt bitte so viel Geld für Bier aus?
Rothaus-Bier: Woher kommt das Tannenzäpfle?In meinem Freundeskreis am Bodensee: die meisten. Und nicht nur dort. Das Pils aus dem Schwarzwald ist in den vergangenen Jahren zum Kultgetränk vieler junger Leute geworden. In Köln oder Düsseldorf macht die Brauerei Werbung auf Uhren und Straßenbahnen. In den Hipster-Vierteln von Hamburg oder Berlin findet man kaum einen Kiosk, in dem es die Flaschen mit dem goldenen Alu-Mantel nicht zu kaufen gibt.
Dabei ist Rothaus deutlich teurer als andere Sorten. Zwar ist Bier in Deutschland in diesem Sommer generell teurer geworden, wie das Statistische Bundesamt kürzlich mitteilte. Die meisten Brauereien haben sich aber jahrelang schwergetan, die Preise zu erhöhen.
Denn die großen Supermarkt-Ketten wie Rewe oder Edeka setzten immer wieder Rabattaktionen durch, um Kunden in die Läden zu locken. Laut Gesellschaft für Konsumforschung wurden 2017 gut 70 Prozent aller Kästen in Aktionen verkauft. Nur eine Marke war fast nie dabei: Rothaus.
Die Brauerei nimmt deswegen kaum weniger Geld ein. 2017 ging der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr nur ganz leicht zurück - auf rund 75 Millionen Euro. Das Besondere: Rothaus verdiente dabei fast 19 Millionen Euro vor Steuern. Teilt man diese Zahl durch den Umsatz, ergibt sich eine so genannte Gewinnmarge von 25 Prozent, ein gigantischer Wert für eine Brauerei mit rund 230 Mitarbeitern.
Badische Staatsbrauerei Rothaus: Was ist eine Staatsbrauerei?Über den Profit freut sich vor allem der Staat - denn die Brauerei gehört zu 100 Prozent dem Land Baden-Württemberg. Sie ist damit eine von drei Staatsbrauereien in Deutschland. In Bayern gibt es noch die Staatsbrauereien Hofbräu und Weihenstephan.
Rothaus zahlt dem Staat nicht nur Steuern, sondern jedes Jahr auch einen fetten Teil vom Gewinn, die so genannte Dividende. Zuletzt überwies die Brauerei 11,5 Millionen Euro nach Stuttgart. Wer „Tannenzäpfle" trinkt, zecht also auch für den Landeshaushalt.
Aber warum zahlen Menschen so viel Geld für dieses altmodische Bier? Und wie macht Rothaus so viel Gewinn? Das will ich von Vorstand Christian Rasch persönlich erfahren und fahre zur Brauerei in den tiefen Hochschwarzwald. Auf dem Weg zur Brauerei begrüßt mich ein Schild mit der Aufschrift „Willkommen im Rothaus-Land!", gefolgt von Flaggen und Schildern an jedem Gasthaus und Supermarkt.
Ich fahre durch das 2.200 Einwohner-Dorf Grafenhausen, nach einem Kreisverkehr umgeben von Waldgebieten stehe ich vor zwei traditionellen, alten Schwarzwaldhäusern. Auf der rechten Seite erheben sich mehrere Produktionshallen, die durch ein Tor versperrt sind. Das also ist die Zäpfle-Brauerei: Mitten im Niemandsland.
An der Wand hat jemand eine Kuckucksuhr aufgehängt. Da wo normalerweise die Gewichte hängen, die das Uhrwerk antreiben, baumeln drei Bier-Flaschen. Vorstand Christian Rasch begrüßt mich im Trachtenjackett. Das Outfit passt zum Aussehen des Etiketts. Für manche wirkt es bieder. Doch der Chef macht genau das mit für den Erfolg von Rothaus verantwortlich.
Rothaus-Chef Christian Rasch: Das Tannenzäpfle-Marketing setzt auf Retro-Look„Wir haben nie etwas verändert. Auch nicht an der Optik", sagt der Vorstand. Das sei - mit einer kleinen Anpassung - der „gleiche Look wie 1956". Ist das der Grund, warum Rothaus in Berlin oder Hamburg als Hipster-Bier gilt? Christian Rasch lächelt. „Kult kann man nicht selber machen. Das macht der Endverbraucher. Wenn der uns mag, erklärt er uns zum Kult", sagt er. „Das ist natürlich sehr schön für eine Firma."
Luis Sailer weiß, was der Rothaus-Chef damit meint. Er ist Deutschlands wahrscheinlich jüngster Biersommelier und damit Experte. Im Gespräch mit Orange erklärt er den Kult-Faktor so: „Wenn du als Bierbrauer zehn Jahre lang nichts veränderst, geht dein Geschäft unter. Aber nach circa 30 Jahren - wenn du nichts veränderst, am Etikett nichts, an der Flasche nichts, am Bier nichts - dann bekommt es diesen Retro-Faktor." So sei es auch beim Augustiner Bräu. „Das ist das lustige an der Bierbranche: Du darfst nichts ändern."
Okay, Rothaus will kultig sein. Aber warum muss eine Kiste dafür mit Pfand fast 20 Euro kosten? Der Brauereichef im Schwarzwald weicht der Frage erstmal aus: „Die Frage ist nicht, wie hoch der Preis ist, sondern ob das Produkt den Preis wert ist." Dann sagt er: „Wir sind beim Brauen sehr teuer, weil wir die höchste Qualität an Rohstoffen kaufen. Wir haben außerdem sehr viele hochqualifizierte Mitarbeiter. Das sorgt für höhere Kosten."
Eine hohe Qualität versprechen andere Brauereien auch, das ist nichts Besonderes. Im jüngsten Geschäftsbericht, den man im Bundesanzeiger nachlesen kann, wird der Vorstand deutlicher. Darin schreibt Christian Rasch:
„Der Lebensmitteleinzelhandel nutzt weiterhin das Produkt Bier, um Kunden in die Läden zu locken, wobei sich der Preiskampf überwiegend im oberen Preissegment bei den national beworbenen Bieren abspielt. (...) Dieser anhaltende Trend zu Aktionen führt lediglich kurzfristig zu einer Steigerung der Absatzmengen. Langfristig werden hierdurch erhebliche Werte vernichtet und das Produkt Bier in seiner Wertigkeit nachhaltig geschädigt." - Rothaus AG, Geschäftsbericht 2017
Rothaus will es also anders machen. Die Brauerei habe sich ausschließlich im hochpreisigen Marktsegment ihre Marktanteile erarbeitet, heißt es im Geschäftsbericht weiter. Und: Wie in der Vergangenheit auch, haben wir unsere Produkte ausschließlich zu Erlösen auf dem bekannt hohen Niveau verkauft. Man könnte es auch so ausdrücken: Wir sind teuer - und das ist mit unser Erfolgsrezept.
Ein früherer Mitarbeiter der Brauerei drückt es lockerer aus: „Sie kaufen halt immer hochwertig ein und wollen das beste Bier auf den Markt bringen. Die Chefs kommen sich auch selber ziemlich toll vor deswegen. Immer freundlich, aber man merkt schon, dass die viel von Rothaus und sich selbst halten. Die sagen sich ‚Wir kaufen nur Premiumsachen ein und wer dafür nicht zahlen will, soll's halt lassen'."
Rothaus-Mitarbeiter berichtet: „Wer nicht dafür zahlen will, soll's halt lassen."Die Stimmung bei den Mitarbeitern sei immer gut gewesen. „Jeder hatte das Gefühl, für das beste Bier zu arbeiten. Das merkte man auch bei jeder Warenanlieferung: Alles wurde lieber vier als drei Mal kontrolliert, bevor es ins Haus kam und man dann 'ne Reklamation machen musste." Die Strategie habe sich aber immer ausgezahlt. „Als ich da war, haben die als eine der wenigen Brauereien Gewinn gemacht."
Will eine Firma viel Gewinn machen, hat sie dazu zwei Möglichkeiten: Sie kann versuchen, die Einnahmen hoch zu halten. Das gelingt Rothaus offenbar. Die Brauerei betont allerdings, dass sie den Verkaufspreis am Bierregal nicht selbst festlegt. „Wir geben lediglich eine unverbindliche Preisempfehlung, an der sich der Markt orientieren kann oder eben nicht."
Außerdem kann eine Firma bei den Ausgaben sparen, wenn sie viel Gewinn machen will. Auch darum bemühe sich Rothaus, sagt Vorstand Christian Rasch: „Wenn das Bier fertig ist, versuchen wir es so schnell wie möglich, so energiearm wie möglich und mit so wenig Mitarbeitern wie möglich abzufüllen."
Rothaus Tannenzäpfle richtig trinken: So geht das mit der GoldfolieDazu müsse man wissen, dass bei der Produktion von Bier 25 Prozent der Kosten auf Energie entfielen. „Und da sind wir sehr, sehr gut. Beim Energieverbrauch sind wir sicher in Europa in den Top 10. Deswegen brauchen wir weniger Geld dafür ausgeben", sagt der Rothaus-Chef.
Nun muss die Brauerei aber erstmal wieder investieren. Denn weil die Deutschen insgesamt immer weniger Bier trinken, hat Rothaus kleinere Verkaufsgrößen eingeführt. Früher gab es das Bier nur in großen Kästen. Seit einiger Zeit verkauft die Brauerei das Tannenzäpfle auch in Sixpacks und im 10er-Kasten.
„Die Nachfrage nach diesen Gebinden übertrifft unsere Erwartungen deutlich", heißt es im Geschäftsbericht. Deshalb braucht Rothaus jetzt eine neue Umpackanlage. Der Gewinn werde 2018 geringer ausfallen als zuletzt. Beim Umsatz rechnet Vorstand Rasch aber mit einem Plus. Er bleibt bei seiner Strategie: Das „Zäpfle" ist teuer. Aber die Leute kaufen es.
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