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„Heißes Blut und viel Kraft“

Der 12. März 1912 in München, Lina Öttl wird geboren. Spaßeshalber sagt sie 101 Jahre nach diesem Tag zu ihrem Neffen „Mai, da wennst dabei gewesen wärst. Da hast ganz schön was verpasst!“ Das dieser Tag schon über ein Jahrhundert her ist, glaubt man nicht, wenn man Lina Öttl sieht.

Ein Naturkind war sie und in ihrer Kindheit oft im Wald. Viele Geschichten kann Lina Öttl über diese Zeit erzählen. Von Katzen, die bei ihrem Anblick in Ohnmacht gefallen sind oder der Oma, die dem damals „zarten Madl“ kuhwarme Milch zum Trinken gegeben hat und sie deswegen heute weder Milch noch Käse oder sogar Pfannkuchen essen kann. „Da grausts mir davor.“ Einmal hat die Hofkatze die damals Vierjährige verraten. „Ich hab die frische, warme Milch dann der Katze hingestellt. Die hat die Milch getrunken und hatte dann einen Milchbart. Als sie dann zur Großmutter ist, hat die es gemerkt.“ Dabei malt sie sich mit den Händen einen Schnurrbart und lacht.
Die Jubilarin freut sich, als an ihrem Geburtstag Stadträtin Dr. Inci Sieber vorbei kommt und ihr persönlich zum Geburtstag gratuliert und einen Blumenstrauß überreicht. Die Beiden kennen sich aus dem letzten Jahr, dem 100. Geburtstag. Frau Öttl fängt gleich an, die Geschichte, die sie an ihrem letzten Geburtstag aus zeitlichen Gründen nicht fertig erzählen konnte, fortzusetzen.

Umzug ins Heim – mit 100
Bis letzten Oktober hat die damals 100-Jährige in Schwabing, in einer eigenen Wohnung gelebt. Gekocht hat sie selbst und das nicht nur für sich, sondern auch für den 20 Jahre jüngeren Nachbarn, „ihrem Schwarm“.
Jetzt ist sie in das Luise-Kiesselbach-Haus, in Riem gezogen. Hier hat sie eine größere Bewegungsfreiheit, welche die alte Dame braucht. Es gefällt ihr gut, sie hat eine eigene Terrasse mit kleinem Garten, in dem schon die im Herbst angepflanzten Tulpen aus der Erde sprießen.

Ruhestand mit 82
Lina Öttl hatte eine große Leidenschaft – die eigene kleine Metzgerei am Elisbethmarkt, die sie erst mit 82 Jahren aufgegeben hat.
In der Metzgerei hat sie alles selbst gemacht. „Ich war sehr stark für meine Größe. Ich hab auch eine halbe Sau herum getragen“. Die Frage, warum sie bis 82 Jahre gearbeitet und dann auch nur auf Anraten der Familie aufgehört hat, beantwortet sie damit, dass die Schüler des Giselagymnasiums immer ihre Würste bei ihr gekauft haben. „Die hatten ja kein Geld!“ und sie die billigsten „Würstl“ in ganz München.
Als sie den um die fünf Kilo schweren Schinken nur mehr schwer aus der Kühlung holen konnte, hat sie es eingesehen, dass der Ruhestand doch eine gute Lösung ist. Schwach ist Öttl bis heute nicht. Beim Essen sitzt sie mit fünf Senioren am Tisch und von allen öffnet sie die Wasserflaschen, da sie die Stärkste von ihnen ist.

Ältester Fan des FC Bayern
Auch heute hat die 101-Jährige noch eine große Liebe – den FC Bayern. Früher war sie oft im Olympiastadion und hat sich die Spiele live angesehen. Damals kannte sie jeden Spieler beim Namen, auf welcher Position er gespielt hat oder wann er geboren war. Heute kann sie die Bayern-Spiele nicht mehr direkt vor Ort anschauen, die Anfahrt ist zu beschwerlich. Trotzdem kennt sie sich noch gut aus. Wen sie  am Liebsten mag? Den Kapitän Philipp Lahm? – „Ja, den sowieso!“ Aber auch Schweinsteiger und die anderen Spieler findet sie toll. Am Liebsten sind ihr aber dennoch die Klassiker. Die alten Spieler, aus der Zeit, als sie hautnah dabei war.
Der Traum ihres Neffen ist es, mit seiner Tante ein Spiel des FC Bayern live zu sehen. In der Allianz-Arena. „Dafür müsste aber viel organisiert werden, damit sie sicher dort ankommt“, erklärt er.

Heißes Blut
Der Grund warum Lina Öttl mit 101 noch so fit ist, liegt ihrer Meinung nach an ihrem „heißen Blut.“ Vielleicht auch an dem erfüllten Leben das sie bis heute führt und das ihr noch immer Spaß macht.
    L.Pettenkofer