1 subscription and 0 subscribers
Article

Nächstenliebe zu Weihnachten

Nächstenliebe zu Weihnachten

Wenn andere unter dem Christbaum Geschenke auspacken, ist Uwe Siwek unterwegs. Er fährt durch München und beschenkt Obdachlose der Stadt. „Es ist sehr erfüllend", erzählt der Maurer, der die Aktion „Weihnachten für Obdachlose" zusammen mit Menati e.V. und Weeac Deutschland ins Leben gerufen hat.

© privat

Uwe Siwek verbringt den Heiligen Abend nicht zu Hause im warmen Wohnzimmer. Mit vier Freunden fährt er am 24. Dezember mit einem Bus durch München und beschenkt Obdachlose mit gesammelten Spenden.

Bei Uwe Siwek sind es die Menschen, auf die es ankommt. Er selbst ist Tierschützer durch und durch und der Meinung, Tieren kann nur geholfen werden, wenn es auch den Menschen gut geht. Mit dieser Einstellung entsteht die Aktion „Weihnachten für Obdachlose", denn auch Hundebesitzer trifft das Los der Obdachlosigkeit. Im vergangenen Jahr ziehen Siwek und drei Freunde zum Ersten Mal durch die Straßen Münchens. Vorbild sind Helfer in Frankfurt und Köln, die obdachlose Hundebesitzer beschenken. Siwek wendet sich an den Kältebus und bekommt eine unerwartete Antwort: „In München gibt es aktuell keine Obdachlosen mit Hunden". Der Bitte der Kältebus-Mitarbeiter, trotzdem mit zu helfen, gehen sie nach und machen sich am 24. Dezember, gegen 11 Uhr auf den Weg. Im Gepäck liegen neben Säcken voller Jacken, Pullovern und Schuhen auch Tütchen mit Gebäck, Plätzchen aller Art und Lebkuchen, gebacken von Spendern. Zwischendrin Schlafsäcke und Hygieneartikel wie Duschgel und Zahnbürsten. Die Route von den Mitarbeitern des Kältebusses zeigt ihnen die Anfahrtsstellen. Obdachlose haben meist feste Standplätze zum Überwintern. Eine Brücke, als Schutz vor Regen und Schnee, wird zum Wohnzimmer.

„Am Ende unserer Tour, so gegen 23 Uhr, haben wir uns dann noch zu zwei Männern dazu gesetzt, die unter einer der alten Isarbrücken ihr Lager aufgebaut hatten. Die haben uns, wie alle anderen auch, sehr freundlich empfangen", erzählt Uwe Siwek und weiter: „Es ist interessant, dass man vorher ganz anders über Obdachlose gedacht hat." Nicht ohne Grund, denn Menschen ohne festen Wohnsitz kämpfen oft mit Vorurteilen und Vorwürfen wie Alkoholismus oder Faulheit. Auch Siwek kennt sie und erzählt: „Ich habe in der Zeit unheimlich viel gelernt. Denn diese ganzen Vorurteile stimmen nicht. Sicherlich gibt es einige, auf die das zutrifft, aber die meisten sind zum Beispiel nicht alkoholabhängig. Alkoholabhängige sind von den anderen Obdachlosen nicht angesehen und werden gemieden." Auf seiner Tour verteilt das Team deshalb nur nichtalkoholische Getränke wie Apfelschorle oder Kinderpunsch.

Im letzten Jahr trifft Uwe Siwek neben 24 anderen Obdachlosen auf Michael Maier (Name von der Redaktion geändert), der seit zwei Jahren auf der Straße lebt. Zu spät hat er eingelenkt und findet seitdem, trotz Bemühungen, keine Möglichkeit, dieses Leben zu beenden und in eines mit Dach über dem Kopf und fester Arbeit zu tauschen. Nachdem er seinen Job verliert, trennt sich seine Frau von ihm und will die Scheidung. Getroffen vom Schmerz der Trennung resigniert er und bezahlt seine Rechnungen nicht. Als er nicht mehr für seine Wohnung aufkommen kann, bleibt ihm nur noch das Leben auf der Straße.

Erst dann versteht er, was geschehen ist und sucht Arbeit. Doch die Arbeitgeber verlangen einen festen Wohnsitz und ein eigenes Konto.

Ein Schicksal von vielen - auf der Straßen leben Akademiker neben ausgebildeten Fachkräften. „Sie haben einen unglaublichen Zusammenhalt", erzählt Siwek, „es bleibt eigentlich immer einer im Lager und achtet darauf, dass nichts wegkommt."

Siwek selbst ist dankbar dafür, dass er nicht auf der Straße leben muss, denn auch ihn hätte es beinahe getroffen: „Ich habe meine Wohnung einmal verloren und dann versucht eine neue zu bekommen. Auf die Schnelle hast das aber nicht geklappt. Gottseidank bin ich dann bei einer Bekannten untergekommen."

Uwe Siwek hat die Aktion über Facebook und Twitter bekannt gemacht. Unter „Heilig Abend Aktion für die Obdachlosen dieser Welt" sucht er nach Spendern und gibt Informationen über den aktuellen Stand der Spenden, wie zum Beispiel: „Habe gerade eine SMS vom Kältebus bekommen: Hier einige Dinge, die wir gut brauchen können. Thermoschlafsäcke geeignet bis -15° Celsius, warme Winterschuhe in verschieden Größen, Hygieneartikel aller Art, Unterwäsche und Socken, Süßigkeiten aller Art." Über die sozialen Medien erreicht er viele interessierte Personen auf einmal, die sich an der Aktion beteiligen möchten.

Wenn Uwe Siwek gefragt wird, welche Art von Beschäftigung er an Weihnachten bevorzugt, muss er nicht lange überlegen. „Früher war ich an Heilig Abend bei Freunden. Wie ich jetzt Weihnachten feier, ist für mich erfüllender. Als ich im letzten Jahr nach Hause gekommen bin, war ich einfach nur glücklich. Man bekommt durch diese Arbeit unheimlich viel zurück."

Laura Pettenkofer

Original