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Kommentar: Fragen Sie auch Ihre Ärztin oder Apothekerin!

In Deutschland gibt es mehr Apothekerinnen als Apotheker. Das Heilmittelwerbegesetz sieht jedoch das generische Maskulinum zur Bennenung beider Gruppen vor.

Vermutlich kennen Sie nicht nur den Satz „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker", sondern können ihn sogar auswendig mitsprechen. Kein Wunder, denn der bekannte Warnhinweis muss laut Heilmittelwerbegesetz seit mehr als 30 Jahren bei Werbung, die sich nicht an Fachkreise richtet, gut lesbar und von übrigen Werbeaussagen deutlich abgegrenzt angegeben werden - zum Beispiel im Fernsehen.


Doch nur, weil man etwas seit Jahrzehnten auf eine gewisse Weise handhabt, ist es nicht automatisch gut. Denn nicht nur Ärzte und Apotheker sind in der Lage, rund um die Einnahme von Medikamenten zu beraten. Auch Ärztinnen und Apothekerinnen können das. So lag der Frauenanteil unter berufstätigen Apothekerinnen und Apothekern 2021 bei gut 71 Prozent. Und auch unter Ärztinnen und Ärzten sind Frauen mittlerweile fast in der Mehrzahl. 2022 betrug der Frauenanteil hier knapp 51 Prozent.


Eigentlich wollte das Bundesgesundheitsministerium die Formulierung nun genderkonform in „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihre Ärztin oder Ihren Arzt oder fragen Sie in Ihrer Apotheke" ändern. Damit kommt das Ministerium auch den Forderungen von Berufsverbänden nach. So hatte sich zum Beispiel die Bundesärztekammer eine zeitgemäßere Formulierung gewünscht. Ein entsprechender Gesetzesentwurf wurde Anfang April auf den Weg gebracht.


Leider hat sich der Gesundheitsausschuss des Bundesrats in seiner Empfehlung nun gegen diesen Vorstoß ausgesprochen. Beim Vorschlag für die neue Formulierung bliebe durch die Ortsangabe "in Ihrer Apotheke" unklar, wen genau man dort fragen sollte. Außerdem spreche die vorgeschlagene Neuformulierung nur Frauen und Männer, nicht aber Menschen anderer Geschlechter an.


Ich persönlich denke: Wer in einer Apotheke nach Rat fragen soll, wird dort wohl kaum auf die Idee kommen, andere Kundinnen und Kunden um ihre pharmazeutische Expertise zu bitten. Und das pharmazeutische Personal dort wird an eine sachkundige Apothekerin oder einen Apotheker verweisen können.


Der zweite Teil der Begründung des Ausschusses ist im Sinne der Gleichberechtigung verständlicher. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) ihrerseits schlug folgende genderneutrale Formulierung vor: "(...) und holen Sie ärztlichen oder apothekerlichen Rat ein". Wenn es nach mir ginge, könnte man in dem Warntext selbstverständlich auch von Apotheker:innen und Ärzt:innen sprechen.


Doch der angeblich um Inklusivität bemühte Gesundheitsausschuss erklärte, man habe keinen besseren Vorschlag finden können. Darum solle die Formulierung wie gehabt im generischen Maskulinum - und somit gleichstellungspolitisch auch vor der Jahrtausendwende - stehen bleiben.


Die vorgeschlagene Veränderung zu blockieren und sich für die Variante zu entscheiden, die am wenigsten Menschen einschließt, zeugt wahrlich nicht von einem Bestreben nach Gleichberechtigung, das der Ausschuss versucht vorzuschützen. Und letztlich zeugt es auch von mangelndem Respekt gegenüber der Vielzahl an Ärztinnen und Apothekerinnen, die uns alle tagtäglich versorgen.


Aber auch zukünftige Generationen an Mädchen und Frauen erfahren mit Entscheidungen wie diesen einen Dämpfer. Denn werden Kinder mit Berufen in geschlechtergerechter Sprache konfrontiert - wie etwa in "Ingenieurinnen und Ingenieure" - erwägen sie eher, diesen Beruf später selbst zu ergreifen.


Quellen:

[1] Bundesministerium für Justiz: Gesetz über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens, (Heilmittelwerbegesetz - HWG) §4. Online: https://www.gesetze-im-internet.de/... (Abgerufen am 04.05.2023) [2] Bundesvereinigung deutscher Apothekerverbände (ABDA): Die Apotheke, Zahlen, Daten, Fakten. Online: https://www.abda.de/... (Abgerufen am 04.05.2023) [3] Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV): Die Medizin wird weiblich. Online: https://gesundheitsdaten.kbv.de/... (Abgerufen am 04.05.2023) [4] Bundesministerium für Gesundheit (BMG): Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei patentfreien Arzneimitteln und zur Verbesserung der Versorgung mit Kin-derarzneimitteln. Online: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/... (Abgerufen am 04.05.2023) [5] Bundesrat: Empfehlungen der Ausschüsse, zu Punkt ... der 1033. Sitzung des Bundesrates am 12. Mai 2023. https://www.bundesrat.de/... (Abgerufen am 04.05.2023) [6] Vervecken D, Hannover B: Yes I Can!, Effects of Gender Fair Job Descriptions on Children's Perceptions of Job Status, Job Difficulty, and Vocational Self-Efficacy. In: Social Psychology 01.03.2015, 46-2: 76-92 Original