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Denkmalpflege: Festlegen, was erhalten bleibt

Marode Gebäude vor dem Einsturz retten, mit Pinsel und Meißel Statuen erneuern: Solche Bilder kommen einem in den Kopf, wenn man „Denkmalpflege" hört. Doch es geht um weit mehr als nur darum, Altes zu erhalten.

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Auch Stephanie Herold hat sich ihre Arbeit früher anders vorgestellt. „Eigentlich wollte ich immer am Objekt arbeiten, ‚hands on' so zusagen", erzählt die Professorin für Denkmalpflege an der Technischen Universität Berlin.

Doch statt ans Objekt ging es für für die heute 44-Jährige erst mal an die Uni. Denn einfach so Denkmalpflege zu studieren war nach dem Abitur nicht möglich - das Angebot an den Hochschulen fehlte. Herold verschlug es nach Bamberg, wo sie Denkmalpflege im Nebenfach studieren konnte.

Mit dem arbeiten, was da ist

Ihre Leidenschaft für Denkmäler hat Herold ihrer Heimatstadt zu verdanken. Genauer gesagt, den alten Gebäuden, an denen sie in ihrer Jugend vorbeilief. Konstanz am Bodensee prägte sie - schon früh stand ihr Berufswunsch fest.

Heute lehrt sie an der TU Berlin. Allerdings nicht junge Menschen, die wie sie für die Denkmalpflege brennen. Denn viele ihrer Studierenden am Institut für Stadt- und Regionalplanung wollen Städtebauer*innen werden. Doch gerade für die Planung von Städten sei es wichtig, sich mit dem Vorhandenen vertraut zu machen „Zu gucken, was eigentlich der Bestand ist. Wie ist die Stadt so geworden, wie sie geworden ist?"

„Denkmalpflege und Kulturerbe haben immer etwas damit zu tun, aus der Geschichte einen Sinn zu generieren, der in die Zukunft trägt", sagt Herold. Der Erhalt von Objekten sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Dabei werde geschaut, was als wertvoll und erhaltenswert eingestuft wird.

Der Prozess, der zu großen Teilen in Behörden stattfindet, hat dennoch viel mit direktem Austausch zu tun. Herold selbst liebt an ihrer Arbeit besonders die Mischung als Forschung und Lehre. Forschung könne nämlich sehr langatmig sein. „Ich bin kein Mensch, der wahnsinnig geduldig ist", sagt Herold und lacht.

Auch im Fokus der Denkmalpflege geht es viel um die Menschen, es steht nicht immer nur das Objekt im Zentrum. Schließlich interpretieren und bewerten wir die vielen Objekte, die zum kulturellen Erbe zählen oder die der kollektiven Erinnerung dienen sollen, durchaus unterschiedlich.

Über Denkmäler, bestätigt Herold, werde viel gestritten - denn das Thema hänge mit vielen Emotionen zusammen. Und mit vielen Fragen, mit denen sich auch die Expertin beschäftigt. „Wie wollen wir ein Denkmal erhalten? Was sind Entwicklungsspielräume und was sind Anpassungen, die vorgenommen werden müssen?" Das alles sind Fragen, über die viel gesprochen wird.

Wie mit Nazi-Erbe umgehen?

Diese Aufgabe wird besonders dann schwer, wenn der Blick auf das unbequeme Erbe gelenkt wird - wie etwa auf Denkmäler aus der NS-Zeit. So etwa bei dem Nürnberger Reichsparteitagsgelände. Eine theoretische Möglichkeit sei hier der kontrollierte Verfall, so Herold. Das heißt, sie zu Ruinen werden zu lassen.

Die hätten nämlich eine besondere Symbolik. „Durch eine Ruine entsteht immer auch ein emotionaler Raum", erklärt Herold. „Die Frage ist: Möchte ich einen solchen Raum bei etwas wie dem Reichsparteitagsgelände entstehen lassen?"

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Ganz konkret komme es heute in Deutschland eigentlich selten dazu, dass Denkmäler als solche einfach abmontiert werden, findet Herold. Bei problematischen Denkmälern versuche man, „mit temporären Interventionen zu arbeiten".

Damit meint Herold, durch die Gestaltung sichtbar zu machen, „dass diese Orte weiter interpretiert werden, dass zwar die Objekte feststehen, wir aber neue Lesarten und Interpretationen hinzufügen." Die Geschichte, sagt Herold, sei nicht änderbar: auch dann nicht, wenn man Objekte einfach entferne.

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