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Warum sterben Weiße Haie in Aquarien?

(Foto: imago images / UIG)

Um kaum einen anderen Meeresbewohner ranken sich so viele Mythen wie um den Weißen Hai. Das Interesse an dem Tier ist groß. Doch warum kann man es nicht, wie andere Meerestiere auch, in Aquarien aus der Nähe bewundern?

Ob Wal, Orca oder Delfin: Die Zeiten, in denen Meerestiere nur in den Tiefen der Ozeane zu finden waren, sind längst vorbei. Viele Aquarien ermöglichen Einblicke in die sonst so ferne Unterwasserwelt. Die Vielfalt der Tiere könnte dabei kaum größer sein. Umso erstaunlicher scheint es, dass gerade ein besonderes Tier in keinem der Becken zu finden ist: der Weiße Hai.

Was verwunderlich scheint, ist keineswegs dem Zufall geschuldet. Ganz im Gegenteil: Seit Jahren wird versucht, das durch Film und Fernsehen berühmt-berüchtigte Tier als Besucherattraktion für große Aquarien zu gewinnen. Fast alle Versuche endeten jedoch mit dem tragischen Tod der Haie. Um diesem Phänomen auf den Grund zu gehen, hat ntv.de mit Dr. Manuel Dureuil, Hai-Forscher an der Dalhousie-Universität in Halifax (Kanada), gesprochen. Er erklärt, warum Weiße Haie in Gefangenschaft keine Überlebenschancen haben.

Folgenschwerer Stress

Die Problematik beginnt nicht erst im Aquarium, sondern bereits bei der Beschaffung der Tiere. "Der Weiße Hai gehört zur Familie der Makrelenhaie und ist mit über sechs Metern deren größter Vertreter", erklärt Dureuil. Das Einfangen und Transportieren von bereits ausgewachsenen Tieren ist daher sehr schwierig. "Weiße Haie werden nicht gezielt gefangen. Es handelt sich dabei meistens um Jungtiere, die versehentlich in Fischernetzen landen." Diese Jungtiere erreichen lediglich eine Größe von unter zwei Metern, was ihren Transport erheblich erleichtert.

Doch auch die Jungtiere erleiden als sogenannter Beifang oftmals schwere Verletzungen. Sie sind als Gefangene in einer extremen Stresssituation. Diese wird durch den darauffolgenden Transport und die fremde Umgebung noch intensiviert. In manchen Fällen sogar so stark, dass sich die gefangenen Tiere nicht mehr davon erholen. Sie verweigern dann die Nahrungsaufnahme. Das wiederum führt zu massiver Erschöpfung. "Jungtiere von rund 30 Kilo fressen schon einmal 750 Gramm Nahrung am Tag, also ein bis zwei Prozent ihres Körpergewichts", erklärt Dureuil. Die Verweigerung der Nahrung führt deshalb in vielen Fällen zum Hungertod der Tiere.

Obwohl so viele Weiße Haie in Gefangenschaft sterben, bleibt das Interesse an den Tieren groß. Versucht wurde deshalb, das Einfangen, Transportieren und die Akklimatisierung an die Bedürfnisse der Tiere anzupassen. Das führte dazu, dass in Einzelfällen Weiße Haie mehrere Wochen in Gefangenschaft blieben. "Im Monterey Bay Aquarium in Kalifornien konnte 2005 ein Weißer Hai sechs Monate lang überleben", erklärt Dureuil. Doch auch diese Gefangenschaft endete. Grund hierfür war nicht der Tod, sondern die notwendige Freilassung des Tieres.

Der Weiße Hai hatte andere Haie im Becken angegriffen und einige von ihnen getötet. "Es kann vorkommen, dass andere Arten, auch andere Haiarten, die eigentlich zu der Ausstellung des Aquariums gehören, von Weißen Haien gefressen werden. Die meisten der über 500 Haiarten werden nicht einmal einen Meter lang und sind daher auch für junge Weiße Haie potenzielle Beute." Die Gefangenschaft ist also nicht nur für die Tiere selbst, sondern auch für ihre Artgenossen und Mitbewohner gefährlich.

Platzmangel spielt entscheidende Rolle

Die Größe der Aquarien und damit der begrenzte Lebensraum scheint ein entscheidender Faktor für das Sterben der Tiere in Gefangenschaft zu sein. "Weiße Haie sind von Natur aus ausgesprochene Wanderer. In freier Wildbahn legen sie Strecken von über 20.000 Kilometern zurück", sagt Dureuil. Zwar variiert die Größe der Becken in Aquarien, ausreichen würde sie dennoch nicht einmal für Jungtiere dieser Art.

Der Platzbedarf für Haie ist lebensnotwendig, weil die Tiere keine Schwimmblase besitzen. Diese ist für das Schweben von Fischen im Wasser zuständig. Da den Haien die Schwimmblase fehlt, müssen sie in Bewegung bleiben, um nicht auf den Boden zu sinken. Anders als seine Artgenossen muss der Weiße Hai zudem dauerhaft schwimmen, damit ausreichend Sauerstoff durch die Kiemen aufgenommen werden kann. "Es gibt auch Haiarten, die aktiv genug Wasser über die Kiemen pumpen können. Das ermöglicht ihnen, auch am Boden liegend zu entspannen, Weiße Haie können dies aber nicht."

Die viel zu kleine Becken hinterlassen ihre Spuren bei den Haien in Gefangenschaft. Da sie ständig in Bewegung sein müssen, schwimmen sie stets im Kreis am Beckenrand entlang. Hierbei stoßen sie sich ihre Nase häufig an der Scheibe. "Das kann zu ernsthaften Wunden durch Abschürfungen führen, so ernsthaft, dass die Tiere eine Infektion bekommen und auch daran sterben können", erklärt Dureuil.

Der Weiße Hai als Mythos

Doch warum wird immer wieder versucht, Weiße Haie einzusperren? Auf diese Frage gibt es mehrere Antworten. "Es gibt Tiere, die verletzt aufgefunden werden und aufgepäppelt werden müssen. Natürlich erforscht man an den Tieren auch Dinge, die in freier Wildbahn schwer zu erforschen sind, wie zum Beispiel ihre Fressgewohnheiten."

Außerdem dient der Weiße Hai als Sensation für Besucher. Aus mehreren Filmen ist er als Ungeheuer der Meere bekannt und wird gefürchtet. "So gefährlich, wie der Weiße Hai oft in den Medien dargestellt wird, ist er für den Menschen nicht", versichert Dureuil. "2019 gab es insgesamt 64 grundlose oder provozierte Zwischenfälle zwischen Hai und Mensch, wovon zwei tödlich endeten. Nur neun davon wurden durch den Weißen Hai verursacht, keiner dieser endete tödlich."

Auch andere Haiarten sterben in Gefangenschaft

Auch wenn es sich bei dem Weißen Hai um den bekanntesten Fall handelt, ist er nicht der Einzige seiner Art, der in Gefangenschaft nicht überleben kann. "Auch andere Haie, wie zum Beispiel der Makohai oder der über 400 Jahre alt werdende Grönlandhai, können nicht in Aquarien gehalten werden." Die Ursachen hierfür lassen sich auf die gleichen zurückführen wie beim Weißen Hai.

Übrigens: Nicht nur Haie werden Opfer von ungewolltem Beifang. Es handelt sich hierbei um ein Problem, das sämtliche Meerestiere betrifft. Wie viel Beifang jährlich in den Netzen landet, ist nicht zu ermitteln. Die Tierschutzorganisation Greenpeace geht von 6,8 bis 27 Millionen Tonnen aus. Darunter sind rund 300.000 Wale und Delfine, 100 Millionen Haie und Rochen sowie etliche Seevögel und Fischarten, die nicht verkauft werden können.

Quelle: ntv.de

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