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Start-up-Wettbewerb "Female Founders": "Frauen gründen anders"

Michelle Bäßler ist nervös. Sie blickt auf die Uhr, rückt den weißen Blazer zurecht, streicht sich durch die Haare. In wenigen Momenten ist es so weit: Vor einer fünfköpfigen Jury und rund hundert Gästen wird die 29-Jährige ihre Geschäftsidee präsentieren. 

Bäßler ist eine von zehn Teilnehmerinnen beim "Female Founders Cup" in Stuttgart, einem Gründerwettbewerb speziell für Frauen, organisiert von der Initiative Start-up BW des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg. Der Wettbewerb solle Gründerinnen fördern und ihnen eine Bühne bieten, sagt Arndt Upfold von Start-up BW, denn Frauen seien in der Gründerszene deutlich unterrepräsentiert.

Das bestätigt der "Female Fouders Monitor 2019", eine kürzlich erschienene Studie des Bundesverbands Deutsche Startups, für den rund 3750 Gründer und Gründerinnen befragt wurden: Nur knapp über 15 Prozent der Start-ups hierzulande werden demnach von Frauen gegründet.

Woran das liegt, erklärt sich Michelle Bäßler so: "Wenn wir Kinder kriegen, liegt die Erziehung meist an uns, während der Mann wieder arbeiten geht". Auch sie selbst habe nach der Geburt ihrer Tochter im Dezember 2017 erlebt, wie schwierig es war, in ihren Beruf als Prozessmanagerin bei einem Stuttgarter Unternehmen zurückzukehren. "Ich wollte nach der Elternzeit so schnell wie möglich zurück sein - aber nicht um jeden Preis", erinnert sie sich.

Ein Betreuungsplatz sei jedoch kaum zu finden gewesen. So kam ihr die Idee zu COSI, dem Projekt, das sie am vergangenen Freitag beim "Female Founders Cup" vorgestellt hat. Das Konzept: Arbeitsplatz und Kinderbetreuung unter einem Dach vereinen und so vor allem jungen Müttern eine schnelle und flexible Rückkehr in den Beruf ermöglichen.

Derzeit testet Bäßler das Projekt an einzelnen Tagen an verschiedenen Orten aus. Zwischen 46 und 58 Euro pro Person kostet eine vierstündige "COSI.session", in der sich Mütter und Väter ihre Zeit frei einteilen können, während ihre Kinder von ausgebildeten Erziehern im selben Gebäude betreut werden.

"Frauen stehen viele Türen offen"

Langfristig plant die Gründerin, eigene Räumlichkeiten anzumieten und dort dauerhaft Arbeits- und Betreuungsplätze bieten - zunächst in Stuttgart, später in ganz Deutschland. Zurzeit steht sie jedoch vor zwei Problemen: passende Räume zu finden und eine zuverlässige Kinderbetreuung zu organisieren.

Dass der Bedarf an flexibler Kinderbetreuung besonders unter Selbstständigen groß ist, zeigt der "Female Founders Monitor": Frauen mit Kind arbeiten im Schnitt etwa sechs Stunden weniger pro Woche als kinderlose Gründerinnen. Mehr als die Hälfte von ihnen wünscht sich mehr Unterstützung bei der Vereinbarkeit von Familie und Arbeit. "Frauen stehen viele Türen offen", sagt Michelle Bäßler, "aber wir müssen ihnen helfen, wieder im Beruf Fuß zu fassen."

Auf der Bühne des "Female Founders Cup" will sie potenzielle Kunden und Investoren erreichen. Jeweils drei Minuten haben die Teilnehmerinnen Zeit, die Jury und das Publikum von ihren Ideen zu überzeugen - so lange, wie eine Fahrstuhlfahrt dauert. Darum ist das Format auch als "Elevator Pitch" bekannt.

"Die Geburt meiner Tochter hat mein Leben umgekrempelt", beginnt Bäßler ihre Präsentation. Der Arbeitsmarkt verändere sich, sagt sie, und Eltern könnten sich keine lange Auszeit mehr leisten. Einige Zuschauer nicken wissend. "Da gibt es so viel Optimierungsbedarf", fährt Bäßler fort und erklärt, wie COSI arbeitenden Müttern und Vätern helfen soll.

Die Aufregung merkt man ihr nun nicht mehr an. Mit fester Stimme beantwortet die Gründerin die kritischen Nachfragen der Jury zu ihrem Geschäftsmodell. Vom Publikum bekommt sie großen Applaus. "Ich bin sehr erleichtert, dass ich alles in der kurzen Zeit rüberbringen konnte. Egal wie oft man es übt, es kann immer etwas schiefgehen", sagt Bäßler nach ihrem Auftritt.

Warten und hoffen

Nun heißt es für sie und die anderen Teilnehmerinnen: warten und hoffen. Die Jury, bestehend aus fünf Unternehmerinnen aus der Region, bewertet die zehn Pitches nach verschiedenen Kriterien. Wie will die Gründerin mit ihrer Idee Geld verdienen? Wie spricht sie die Kunden an? Wie gut hat sie ihr Produkt auf der Bühne präsentiert?

Auch das Publikum darf mitentscheiden und drei Favoriten auswählen. Die Siegerin bekommt 500 Euro Preisgeld und darf am Finale des "Elevator Pitch" teilnehmen, bei dem die Gewinner aller regionalen Vorentscheide zusammenkommen.

Neben dem "Female Founders Cup", der in diesem Jahr zum ersten Mal stattfindet, gibt es bei Startup BW weitere Angebote speziell für gründende Frauen, darunter ein Speed-Dating zwischen Studentinnen und Unternehmerinnen. Wie wichtig die Unterstützung vor allem zu Beginn einer Unternehmensgründung ist, weiß auch Bäßler: " Selbstständigkeit ist immer eine extreme Mehrbelastung".

Gerade wenn man eine Familie zu versorgen habe, müsse man das Risiko genau abwägen. "Einerseits möchte ich volles Risiko gehen und viel in COSI investieren, weil es nur dann klappen kann", sagt sie. "Andererseits denke ich auch an die Rechnungen, die jeden Monat gezahlt werden müssen".

Müsli aus Bananenresten

Weibliche Gründer legten tendenziell andere Schwerpunkte, sagt Veranstalter Upfold. "Frauen gründen anders". So stünden statt Wachstum und Gewinn häufiger soziale Themen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Vordergrund.

Das zeigt auch der "Female Founders Monitor": Während fast die Hälfte der weiblichen Gründer mit ihren Unternehmen auch gesellschaftliche und soziale Ziele verfolgt, trifft dies nur auf gut 36 Prozent der Männer zu. Dagegen legen drei Viertel der männlichen Gründer großen Wert auf wirtschaftlichen Erfolg, bei den Frauen sind es rund 58 Prozent.

An diesem Abend muss Bäßler einen kleinen Rückschlag hinnehmen, denn mit dem Sieg beim "Female Founders Cup" klappt es nicht. Stattdessen gewinnt der Publikumsliebling "Fruchtstück" - ein Start-up, das Frühstücksmüsli aus aussortierten Bananen herstellt.

Trotzdem erhofft sich Bäßler, mit der Teilnahme ihre Start-up-Idee bekannter gemacht zu haben. Bis COSI eine echte Alternative zu klassischen Betreuungsmodellen ist, wie Bäßler es sich wünschen würde, sei es nämlich noch ein weiter Weg.


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