Weit über 20 Alben hat Jóhann Jóhannsson in seiner Karriere veröffentlicht. Wer weiß schon, wie viele Tondokumente noch in der Schublade liegen, die posthum noch veröffentlicht werden könnten. Einmal pro Monat lassen Kristoffer Cornils und Thaddeus Herrmann das Werk des Komponisten Revue passieren – chronologisch, Album für Album. Im Juli geht es um die im Jahr 2009 erschienene Soundtrack-Arbeit „And in the Endless Pause there Came the Sound of Bees“.
Der Animationsfilm „Varmints“ ist nur knapp 24 Minuten lang und trägt doch genug Verstörungspotenzial für ein ganzes Leben in sich. Marc Crastes Verfilmung seines als Illustrator gemeinsam mit der Autorin Helen Ward verfassten Buchs hat ein anthropomorphes, nagerähnliches Tierchen zum Protagonisten, in dessen heiler Welt schon bald dunkle Wolken aufziehen – buchstäblich gesprochen. Eine riesige Stadt wird von Tieren in Handarbeit hochgezogen. Es folgt die Vertreibung, es kommt die Verzweiflung. So weit, so „Als die Tiere den Wald verließen“. Doch der knurrige Protagonist begeht Landflucht und zieht nur von einer Pflanze begleitet in die Cyberpunk-esque Metropole. Was folgt, ist eine Geschichte ökologischen, ästhetischen und zoopolitischen Widerstands. Wie das ausgeht, sei an dieser Stelle noch nicht verraten. Begleitet aber wird es von der Musik Jóhann Jóhannssons, der seinen Soundtrack im Jahr 2009 auf Type unter dem Namen „And in the Endless Pause there Came the Sound of Bees“ veröffentlichte.
Kristoffer: Erbaulich, aber niederschmetternd. Und vice versa. So würde ich Varmints charakterisieren, ein Film, der auf billigen Klischees aufgebaut ist und strenge Dualismen bedient: Die Natur ist in freundliche und weichgezeichnete Farben getaucht, alles Konstruierte, Technische, Industrielle ist duster und vernebelt. Es ist ein moralinsaurer Short, der den tradierten Umweg über ein schwer definierbares Tierwesen nimmt, um eine Aussage über die Menschheit zu treffen. Das mag in Ordnung sein, weil er sich vermutlich an ein sehr junges Publikum richtet und einen pädagogischen Zweck verfolgt. Allerdings ist die Lehre daraus eine, wie ich finde, zutiefst ökokonservative: Wir müssen die von uns gemachte Welt verlassen, um zur Natur zurückkehren. Möglich gemacht wird das in Varmints durch surreale, fliegende Quallen. Heißt das nun, dass die Erlösung gar nicht aus uns selbst heraus möglich ist, sondern wir nur die Ankunft unserer transluziden Overlords erwarten müssen? Aha. Wie dem auch sei: Obwohl ich den Film schon vor einigen Jahren angeschaut habe, nehme ich „And in the Endless Pause there Came the Sound of Bees“ von diesen Bildern entkoppelt wahr. Zum Glück. Gereicht wurde mir das Album damals in LP-Form von einem Bekannten. Der war mit John Twells, dem Betreiber von Type, befreundet und hatte so ziemlich jede Platte aus dem Katalog des damals extrem prägenden Labels im Schrank stehen – mochte diese eine aber nicht sonderlich. Bei mir war sie in der Hinsicht besser aufgehoben, lange Zeit gehörte sie zu meinen Lieblingsveröffentlichungen von Jóhannsson. Erst Anfang dieses Jahres habe ich für einen Mordspreis das Tape-Reissue auf Discogs geschossen und es an einem bitteren Wintertag bei meinem täglichen Zwangsspaziergang in Dauerschleife gehört. In den Winter und zu depressiven Löchern passt dieser Soundtrack meiner Meinung nach tatsächlich trotz all seiner gelegentlichen lichten, gar euphorischen Momente zum Trotz immer noch am besten. Wie geht es dir damit?
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