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Gibt es als Filmproduktion Gründe, kostenlos für Kunden zu arbeiten?

Gibt es als Filmproduktion Gründe, kostenlos für Kunden zu arbeiten?
Macht es Sinn, als junge Filmproduktion gratis für Kunden zu arbeiten oder Videos zu absoluten Tiefpreisen, vielleicht sogar unter den Selbstkosten, anzubieten, um sich mit guten Filmen einen Namen in der Branche zu machen? Kann man auf diese Weise später an größere Aufträge herankommen?  J.H., Zürich, per Email

Lieber J.-H., für das Email und die interessante Frage bedanken wir uns. Die Frage, inwieweit man beim Einstieg in die hartumkämpfte Videobranche Konzessionen machen soll – oder muss – stellen sich fast alle Jungproduzenten. Wir von FILMPULS haben dazu eine klare Meinung: Nein, es macht keinen Sinn. Überhaupt keinen Sinn!

Warum? Weil einerseits ein Kunde, der seine Videoproduktion nur auf Basis der Kosten (oder eben: Bereitschaft zur Gratisarbeit) aussucht, auch später auf absoluten Tiefkosten bestehen wird und Du einen Auftraggeber, wenn Du auf mehr Budget bestehst, als Auftraggeber schneller verlieren wirst als Du „Hoppla“ sagen kannst. Andererseits auch darum, weil Du mit Dumping den Markt kaputt machst, in dem Du später Erfolg haben willst und in dem Du später richtiges Geld und deinen Lebensunterhalt verdienen willst.

Schauen wir uns die Sache etwas differenzierter an:
Als junge Filmproduktion gratis arbeiten?
Für eine gemeinnützige Organisation, die nachweisbar über wenig Mittel verfügt, arbeiten auch etablierte Produktionsfirmen zu Sondertarifen. Die meisten Filmproduktionen achten dabei darauf, dass die zu realisierende Idee preiswürdig ist. So gewinnen gleich beide Parteien. Die gemeinnützige Organisation darum, weil sie ein Top-Produkt zu einem Tiefpreis bekommt. Die Produktionsfirma, weil sie mit einem preiswürdigen Film neue Kunden akquirieren kann.

Funktionieren tut dies aber nur dann, wenn der Film zum unterdurchschnittlichen Preis überdurchschnittlich gut wird. Dies gelingt nicht immer und auch nicht automatisch. Und es gelingt nur, wenn vom Kunden ein hoher Vertrauensvorschuss an die Filmproduktion geleistet wird und die dem Film zugrunde liegende Idee richtig gut ist. Bei kleingeistigen Kunden mit einem Krämergeist ist dies die Ausnahme, nicht die Regel. Oftmals gilt gerade bei unerfahrenen Kunden: die Ansprüche stehen im umgekehrten Verhältnis zum Budget. Hollywood gibt es im richtigen Leben nicht im Supermarkt zum Aktionspreis zu kaufen. Darum merke: der Grat zwischen unterstützen und ausgenutzt werden ist sehr schmal.

Gute Kunden sind auch heute noch immer bereit, für überdurchschnittlich gute Arbeit faire Preise zu bezahlen. Daran ändern auch immer tiefere Einstiegsbarrieren (Kameras und Schnittcomputer werden immer günstiger) nichts. Warum? Weil kluge Kunden verstanden haben, dass gute Filme nicht wegen der Technik gut sind, sondern wegen der Erfahrung, dem Wissen und dem Talent des Filmemachers.

Die Technik ist das Mittel zum Zweck. Nicht Selbstzweck. Natürlich muss ein Bild im Film die richtige Schärfe haben. Aber das ist keine Errungenschaft des Filmemachers, sondern eine absolute Selbstverständlichkeit im Filmgeschäft. Wer so argumentiert, ist ein blutiger, technik-verliebter Anfänger. Damit gewinnt man keinen Blumentopf. Filme entstehen im Kopf des Filmemachers und Filme enden im Kopf des Betrachters (siehe dazu auch: warum Filme 4 x entstehen).

Ganz anders sieht es bei eigenen Projekten aus. Wer als Filmproduktion den eigenen Film realisiert und produziert, wird notgedrungen für nichts oder nahezu nichts arbeiten. Dafür aber liegt alles, wirklich alles in den eigenen Händen. In diesem Fall gibt es keinen Kunden, der dem kreativen Prozess mit eigenen Wünschen („bitte genau so, aber ganz anders!“) im Weg steht. Und keine Ausreden, warum das eigene Talent sich nicht in Höchstform manifestieren soll. Der Einsatz ist groß – aber gelingt das va banque Spiel, entlohnen Ruhm und Ehre für die Mühsal der Arbeit.

Was lässt sich daraus ableiten und lernen? Zwei Dinge:

★ Arbeit zu Tiefpreisen ist vertretbar für einen guten Zweck. Dieser kann sozialer Natur sein, oder auch dem eigenen Spaßfaktor geschuldet sein. Langfristig möglich ist dies aber nur dann, wenn fair bezahlte Arbeiten und Sonderkonditionen in einem Gleichgewichtig stehen. Surreal tiefe Preise allein sind kein nachhaltiges Positionierungsmerkmal. Hoffnung lebt am längsten. Aber von der Hoffnung allein lässt es sich so wenig leben wie von Luft und Liebe.

★ Wo zu tiefen Preis gearbeitet wird, dürfen keine Konzessionen an die kreative Qualität gemacht werden. Klingt einfach. Ist es aber nicht. Auch für das Entwickeln einer Story, eines Storyboards oder eines Musikvideos braucht es Talent. Wer Filme realisieren kann, kann nicht unbedingt auch einen Film denken und schreiben. Hier lohnt sich allenfalls die Zusammenarbeit mit Gleichgesinnten. Es gibt genauso viele Autoren, die der Welt endlich zeigen möchten was sie können, wie Regisseure, die auf ihren Durchbruch warten und für ihr eigenes Showreel in Fronarbeit Material zu drehen bereit sind.

Was also tun mit Kunden, die Filmemacher zu einem Tiefpreis verpflichten möchten?

Auch hier gibt es zwei Wege:

★ Entweder dem Kunden klarmachen, dass wer mit Nüssen zahlt nur auf Affen als Mitstreiter hoffen kann („if you pay peanuts, you’ll get monkeys!“).

★ Oder aber dem Beispiel eines smarten Jungproduzenten folgen, der seinem Kunden, einem bekanntem Finanzkonzern, mutig zwei Optionen angeboten hat: Entweder den Film zum geforderten Tiefpreis zu produzieren und dafür die Filmproduktion namentlich im Film oben rechts im Bild erkennbar (als Eigenwerbung) einzublenden, oder aber den Film ohne Namenseinblender, dann aber zum offerierten Preis zu erwerben. Der Kunde, wenig erstaunlich, entschied sich für die zweite Variante.


In der Rubrik "Leserfragen" beantwortet das Team von Filmpuls an die Redaktion per Email gestellte, grundsätzliche Fragen zu Marketing und Kommunikation mit Bewegtbild, wie beispielsweise: "Wie lang muss ein Video sein?" oder "Was kostet ein Film?" oder "Mein Video muss überall einsetzbar sein! Wie ist das möglich?" | Im Interesse der Lesbarkeit wurden in diesem Artikel die Berufsbezeichnungen soweit sinnvoll und möglich auf die männliche Form reduziert. Gemeint sind immer Frauen und Männer | © Artikel Filmpuls



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