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Komische Kunden und wo sie im Auftragsfilm zu finden sind

Komische Kunden und wo sie im Auftragsfilm zu finden sind
Chefs behaupten gerne, komische Kunden gäbe es nicht. Geben tue es nur nette Menschen, die entweder mehr oder etwas weniger von dem Verstehen, was sie tun. Mitarbeitende und ausführende Stellen machen da andere Erfahrungen. Nicht nur, aber ganz besonders im Auftragsfilm bei der Kommunikation mit Film und Video. Was, so fragen sich bei manch einem Projekt nicht nur Producer, Produktionsleitung und die Regieassistenz, kann getan werden, wenn man es mit seltsamen Auftraggebern zu tun bekommt?

Eine schwierige Klientel entpuppt sich meist nicht auf den ersten Blick als solche, sondern erst im Laufe der Zusammenarbeit. Darin liegt die Schwierigkeit. Manifestieren sich die Probleme, besteht meist schon eine vertragliche Grundlage und haben sich Spielregeln etabliert, die einen Abbruch der Zusammenarbeit unmöglich machen.

Zu glauben, wo eine vertragliche Regelung vorhanden sei, bestehe kein Raum für Unklarheiten ist eine Illusion. Menschen können Wörter unterschiedlich verstehen. Was bedeutet es, wenn in einem Deal Memo festgehalten wird "der Produzent ist bestrebt, die Kosten für das Projekt möglichst tief zu halten"?

Danach streben heißt was genau? Fünf Minuten pro Tag das Arbeitsbudget kontrollieren? Oder fünf Stunden? Oder jeden Vertrag mit den eigenen Sub-Lieferanten knallhart bis an die Sollbruchstelle verhandeln (auch wenn das auf Kosten der Motivation des Sub-Lieferanten geht)?

Und was soll "möglichst tief" bedeuten? So tief wie überhaupt nur machbar? Oder so tief bis die Qualität darunter leidet, und wenn ja, welcher Blickwinkel bestimmt die Qualität eines Film oder Videos, die nicht nur eine handwerkliche sondern auch eine hohe künstlerische Komponente hat. Jeder Vertrag ist immer auch Auslegungssache. Dank diesem unabänderlichen Umstand können seit den Zeiten des römischen Reiches unzählige Anwälte und Richter ihren Lebensunterhalt bestreiten.
Seltsame Kunden und wie man konstruktiv damit umgeht
Gerade in kleinen Märkten wie der Schweiz ist Film oftmals und noch immer ein Beziehungsdelikt. Man kennt jemand der jemand kennt, der die Produktion XYZ für eine Zusammenarbeit empfiehlt. Gleichzeitig gibt es aber vier starke Hebel, die diesen Effekt immer stärker zu ändern beginnen:
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Ist doch digital, nicht?

Film und Video werden durch die technologische Innovation für Auftraggeber, die das Medium bisher links haben liegen lassen, attraktiver. Ob getrieben durch Social Media oder ganz einfach durch tiefere Preise, die Kommunikation mit Bewegtbild verspricht Aufmerksamkeit und wird zum Must Have.

Viele der Kunden, die erkennen, dass Sie auf Video setzen und diesen Entschluss dann in die Tat umsetzen, besitzen keine oder kaum Erfahrungswerte mit den dazu notwendigen Prozessen. Es herrscht Unklarheit, was Video kann, wie das richtige Briefing aussehen sollte, oder wo welche Milestones eingefordert werden können.

Das Learning: Personen und Unternehmen, die erstmals einen Auftragsfilm bestellen oder nur wenig Erfahrung haben, erfordern erhöhte Aufmerksamkeit und müssen sorgfältig und proaktiv von der Produktionsfirma über die Begebenheiten einer Filmproduktion aufgeklärt werden.

So wie Video schon seit Jahren als Allheilmittel für jede Art von Kommunikation gefeiert wird, ist auch Inbound Marketing auf einem Siegeszug sondergleichen. Inbound Marketing bedeutet nichts anders, als sich das worldwide Web bei der Auftragsakquisition zum Komplizen zu machen. Statt Türklinken zu putzen oder Kunden mit Email-Bomben zu belästigen schildert man für potentielle Auftraggeber den Weg vor die eigene Haustür im Internet unmissverständlich aus.

In Realität ist das, ähnlich wie ein Video, nicht ganz so einfach umsetzten wie es klingt. Bei den Videos, weil es auch so etwas wie Inhalt gibt und nicht nur die Distribution, und bei Inbound Marketing weil dazu unterschiedlicher Content auf unterschiedlichen Kanälen mit technischem Know-how kombiniert und orchestriert werden muss. Wer dies beherrscht, darf auf Projektanfragen aus heiterem Himmel hoffen und sich auf neue Kunden aus aller Welt freuen. Mit der erhöhten Sichtbarkeit der eigenen Kompetenzen einher geht auch, dass viele Unternehmen auf einem aufmerksam werden, die noch nie einen Film gemacht haben, was uns wiederum auf den vorhergehenden Pkt. 1 bringt.

Das Learning: Aufträge, die über moderne Akquisitionskanäle statt über das Beziehungsnetzwerk oder durch klassische Akquisition gewonnen werden können, verdienen eine erhöhte Aufmerksamkeit und Betreuung.
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Bitte genau so, aber anders!

Der Markt im Auftragsfilm ist hart. Gerade Konzerne, die den Einkauf in einer eigenen Abteilung gebündelt oder an Dritte ausgelagert haben, nutzen diesen Umstand gnadenlos aus (mehr dazu in meinem Beitrag für FILMPULS mit dem ziemlich deutlichen Titel Auftragsfilm auf der Intensivstation). Dass ein Video oder ein Film nicht wie DIN-normierte Schrauben eingekauft und hergestellt werden kann, kümmert die Einkäufer, die auch die Preise von Kugelschreiber und Klopapier verhandeln, wenig. Das Medium Bewegtbild benötigt Know-how, Erfahrung und Talent? Na und?

Die Haltung, wer zahlt befiehlt, setzt sich oftmals bei der Umsetzung eines Projektes fort, als wäre sie in der DNA einer globalen Brand tief verankert. Wer mag, und wer vermag es in unserer Branche, gegen eine Rechtsabteilung eines Konzerns, gegen Rahmenverträge und Konventionalstrafen anzukämpfen, wenn dahinter ein Kunde steckt.

Das Learning: Es gibt Aufträge, die akzeptiert man besser nicht. Nicht jede Konstellation funktioniert und ergibt ein fruchtbare, konstruktive Zusammenarbeit. Klingt hart. Ist aber so.

Das Personal-Karussell dreht sich in den Marketing- und Kommunikationsabteilungen erstaunlich schnell, und immer schneller. Alle zwei bis drei Jahre ein neuer Entscheider bedeutet oft im selben Atemzug, dass auch viele bisherige Mitarbeitenden ausgetauscht werden. Verbunden mit dem Trend, die Filmproduktion an die unteren Chargen (Projekt-Assistenz etc.) abzudelegieren, beginnt der interne Lernprozess mit jeder Rotation beim Auftraggeber wieder von vorne.

Video und Film ist kein Gut, das sich mit klassischem Knowledge-Management schulen und auf andere Menschen übertragen lässt, weil es - wie an früherer Stelle in diesem Artikel und im FILMPULS fast schon wie ein Mantra wiederholt - dazu drei Dinge braucht: Wissen, Erfahrung und Talent. Nicht nur als Regisseur, Autor oder Produzent, sondern auch als Auftraggeber. Ein Film, der begeistert, lässt sich nicht mit Geld kaufen.

Das Learning daraus: ein guter Produzent prüft mit jedem neuen Partner (das darf, kann und soll man offen kommunizieren, weil vertrauensbildend) wie viel Erfahrung auf jeder Seite für das in Frage stehende Projekt vorhanden ist. Hier verhält es sich wie mit Risiken. Wer darüber spricht und Risiken thematisiert, wird in der Regeln auch Maßnahmen treffen, um das Eintreten dieser Risiken zu verhindern. Wo Wissenslücken sind, die ausgesprochen werden, lassen sich diese füllen.
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Ein Klassiker: Die runde Kurve

Die richtig schwierigen Fälle lauern da, wo sich Halbwissen auf Kundenseite mit Ignoranz und Hartköpfigkeit verbinden. Wer im Unrecht sein Recht behauptet, ganz einfach weil Auftraggeber ist, wer alle Best Practise ignoriert, dem ist nur schwer zu helfen. Dort wo sich der Auftraggeber zum Regisseur und Produzent macht, suchen diese meist beim Dienst nach Vorschrift zuflucht. Weil Motivation sich wie Talent nicht erzwingen lässt, ist das Endprodukt dann leider meist auch keinen Blumentopf wert.
Kunden wollen geführt werden
Immer wieder vergessen geht, dass jeder Auftraggeber, also auch schwierige Partner, sich mit einem Auftrag das grundsätzliche Recht erwerben, vom Produzenten geführt zu werden.

"Dumm geboren und nichts dazugelernt" gilt, anders als bei Donald Duck und den Panzerknackern, nicht. Es gehört zum Job des Producers, seinen Auftraggeber an der Hand zu nehmen und partnerschaftlich durch das Projekt zu führen. Will der Kunde nicht geführt werden, gilt es auf die Zähne zu beißen - aber erst dann. Schließlich gibt es nur etwas, dass noch schlimmer ist als ein Kunde: nämlich keine Kunden zu haben.
Anmerkung
Meinungsfreiheit, Rückgrat und Diskussionskultur wird bei FILMPULS hochgehalten. In der Rubrik "Meinungen" von Gast-Autoren geäußerte Aussagen werden vor der Publikation nicht mit der Redaktion abgeglichen.


Im Interesse der Lesbarkeit wurden in diesem Artikel die Berufsbezeichnungen soweit sinnvoll und möglich auf die männliche Form reduziert. Gemeint sind immer Frauen und Männer | Original-Grafik: sharpsuits.net | Der Subtitel "Schweigsam ins Gespräch vertieft" stammt aus dem Gedicht "Dunkel wars, der Mond schien helle", welches fälschlicherweise meist Christian Morgenstern oder Ringelnatz zugeschrieben wird. | © Artikel Filmpuls



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