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Pongoland im Zoo Leipzig feiert 20. Geburtstag | MDR.DE

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An einem seiner guten Tage läuft Silberrücken Abeeku über grüne Wiesen. Er puhlt aus einer Kiste Salatblätter, die er dann genüsslich verspeist. Wälzt sich erst im Schatten der nachmittäglichen Sonne und trollt sich am Wassergraben seiner Anlage entlang, die ihn von den Zoobesuchern trennt. Dort, auf der anderen Seite, steht eine kleine Menschenmenge den Finger auf der Kamera zum Abdrücken bereit. Plötzlich hört Abeeku ein Klatschen. Er hebt den Kopf, guckt ein wenig rum, fletscht die Zähne und richtet sich auf. Mit seinen behaarten Armen klopft er sich auf die Brust. Links, rechts und grölt. Nach jedem Klatschen immer lauter. Wollen doch mal sehn, wer hier der bessere Silberrücken ist.

So geht es eine ganze Weile. Auf der einen Seite des Wassergrabens ertönt ein Klatschen. Auf der anderen antwortet Abeeku demonstrativ sich auf die Brust schlagend. Solange bis der Gorilla des Spielens überdrüssig ist und in die schattigen Zonen seines Geheges verschwindet. Rund zwanzig Besucher drehen sich zueinander. War heute mal wieder was los im Zoo, lächeln sie sich an. Dass im Pongoland ein Silberrücken ein für Affen so typisches Verhalten zeigt, ist kein Zufall. Vielmehr ist es bewusst geplant, vom Zoo herbeigeführt, als Haltungskonzept gewachsen - seit zwanzig Jahren. Eine tiergärtnerische Meisterleistung.

Elefant, Tiger & Co. - Spezial

Keine Menschenaffenlange in Europa hat so eine vorbildliche Haltung. Dabei war das Pongoland ursprünglich viel kleiner gedacht. Ohne Zoodirektor Jörg Junhold gäbe es heute wohl eine ganz andere Anlage. Er schaltete sich in die Planungen ein, Ende der 90er Jahre war das, als Max-Planck-Direktor Michael Tomasello im Auftrag der Max-Planck-Gesellschaft einen Partnerzoo für ein neues Forschungsinstitut suchte. Das heutige Institut für evolutionäre Anthropologie, das sich keine halbe Stunde vom Zoo entfernt befindet.

Jörg Junhold war es dann auch der Michael Tomasello und Kollegen überzeugte, eine naturnahe Anlage mit Felsen, Wasserflüssen, tropischer Fauna und Gräben zu konstruieren. So natürlich wie möglich sollte es sein, Abgrenzungen wollte man zum Beispiel nicht durch Zäune, sondern lieber mithilfe von Wassergräben gestalten. Ähnlich wie jener Graben, an dem Abeeku seinen tierischen Trieben freien Lauf ließ. So groß wie zwei Fußballfelder ist die Außenanlage des Pongolands geworden. Bäume, die schon vorher auf dem Gelände standen, sind integriert worden, heute tollen auf ihnen Affen. Es ist nicht die freie Wildbahn, aber es kommt schon ziemlich nah ran.

Weg vom Konzept: Mensch hilft Affe

Mit dem Pongoland bekamen die Menschenaffen nicht nur mehr Platz, mehr Möglichkeiten zum Toben. Es öffnete sich auch eine Tür zu einer veränderten Sicht auf ihre Haltung. Gingen Pfleger und Pflegerinnen zuvor noch in die Gehege der Tiere rein, war das mit der neuen Anlage nur noch sehr eingeschränkt möglich. Weg wollte man vom Konzept: Mensch hilft Affe. Hin zur Idee: Affe entwickelt Instinkte. Genau das hatte Jörg Junhold gewollt. Schließlich, so in etwa seine Idee, gewönnen auch die Forschenden daran, wenn sie die Menschenaffen in einer Umgebung erleben, die ihren ursprünglichen Lebensbedingungen möglichst nahekommt. Eine der modernsten Menschenaffenanlagen öffnete im April 2001 ihre Pforten.

Seitdem ist viel passiert. 45 Babyaffen sind geboren. Orang-Utan Walter gegangen. Auch in der Forschung ist es vorangegangen. So fanden Anthropologen zum Beispiel heraus, dass Affen Menschen in vielen Dingen ähneln. Sie haben ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen, merken sich wo Dinge im Raum angeordnet sind, helfen anderen Affen, wenn sich eine Gelegenheit für Futter bietet. Worin der Mensch sich hingegen unterscheidet, - das zeigten Untersuchungen von jungen Affen und Menschenkindern - sei seine ausgeprägte Eigenschaft fürs Helfen. Im Gegensatz zu Affenkindern, zeigten Menschenkinder schon viel früher die Fähigkeit zu Empathie. Sie sind zum Beispiel traurig, wenn ein anderes Kind traurig ist, und setzten dieses Gefühl in eine helfende Tat um.

Hin zur Idee: Affe lernt von Affe

Sich als Gorillamännchen in einer bereits bestehenden Frauengruppe einen Platz erobern, das erste Baby als junge Orang-Utanfrau nicht abstoßen - das alles ist für Menschenaffen in Haltung nicht selbstverständlich. Mit seiner großen Freifläche trägt das Pongoland dazu bei, dass die Menschenaffen voneinander lernen und nicht vom Menschen abschauen. Nur hier und da greift man den Affen unter die Arme, füttere eine Affenmama mit Malz, damit dieses sich in der Muttermilch anreichert. Oder mische den routinierten sonst auf Besucher und auf Forschende abgestimmten Affenalltag auf. Zum Beispiel mit einer Tortenschlacht. Zum 20. Geburtstag. Eine Ausnahme. Quality time unter Schimpansen.

Somit ist das Pongoland nicht nur eine Forschungsstation, sondern eben auch das Zuhause von 52 Menschenaffen und ihren betreuenden Tiergärtnern. Wie vielfältig und mitunter unterhaltsam die Arbeit der Forschenden und Pfleger sein kann, weiß Pongoland-Bereichsleiter Daniel Geißler. Im neuen Podcast von Elefant, Tiger & Co berichtet er mit Humor, welche Möglichkeiten die Affenanlage Bürgern und Wissenschaftlern bietet, wie überraschend das alltägliche Zusammensein sei, mit jenen haarigen Bewohnern, die drei Hektar Land mit Tropenhalle und zwei fußballfeldgroße Außenanlage zu dem machen, was es ist: das Pongoland.

Anmerkung der Redaktion: Die zu Beginn geschilderte Szene erlebte die Autorin bei einem Besuch im Pongoland vor März 2020. Zurzeit sind die Pforten des Leipziger Zoos aufgrund der Pandemie immer noch geschlossen.

Elefant, Tiger & Co. - Spezial
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