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Digitaler Stubenhocker - 10 Gründe, das Büroleben zu lieben

Zugegeben: Urlaubsfarben passen wesentlich besser zu meiner personalisierten Lieblings-Bürotasse.

Ich habe einen Bürojob und ich liebe ihn. Meine dauerreisende Remote-Work-Freundin ernannte mich deshalb zum willenlosen Sklaven meines Sicherheitsdenkens. Wann ist es eigentlich so uncool geworden, gern ins Büro zu gehen?

Letzte Woche ist es wieder passiert: Jasmin rief mich vom balinesischen Strand aus an, wo sie gerade schwitzend versuchte, ihr versandetes Mac Book Air im richtigen Winkel zur Sonne zu halten. Als ich auf ihre ungefragt eingesandten Wettermeldungen eher gelangweilt reagierte, wurde sie wild.


„Der digitale Lifestyle ist was für geistig flexible Menschen."

„Na ja", sagte sie, „Du bist halt von Natur aus geistig nicht so flexibel." KAWUMM! Ich weiß nicht, wie lange Jasmin schon versucht hat, als Influencer im Netz Karriere zu machen (sehr lange), aber das ist definitiv ihr Durchbruch. Jetzt bekommt sie sogar einen eigenen Artikel.


Wie oft muss ich mir noch anhören, dass ich „so 2003" bin, nur weil ich mit meinem Arbeitslaptop nicht auf der Spitze des Großglockners, sondern in einem windstillen Büro mit Kollegen, Kaffee und Keksen sitze? Ich bin sauer.


Arbeitest du noch oder lebst du schon?

Was Jasmin sagt, das sagen auch viele andere, die ihre Büroräume gegen ein staubiges Stück Hängematte eingetauscht haben: Das Leben ist doch viel zu kurz, um zuhause (oder eben im Büro) zu sitzen.


Das stets mitschwingende „Du hast erst richtig gelebt, wenn du alles riskiert hast" steigert den Flexibilitätsdruck beim Zuhörer erheblich: Wer heutzutage nicht in einer am Berghang angeklebten Plastikkapsel seine Blogartikel schreibt, der kann sich eigentlich gleich eingraben lassen.


10 Gründe, das Büro zu lieben

Dass es sich bei meiner Liebe für das Büro nicht um eine verdrängte Angst vor dem Abenteuer handelt, kann ich nicht beweisen. Klar ist nur eins: Der nomadische Selbstverwirklichungstrend lässt mich völlig kalt.


Dabei macht es für mich keinen Unterschied, ob jemand als Freiberufler völlig im luftleeren Raum schwebt, oder ob er - wie Jasmin - trotz Festanstellung und geregeltem Einkommen noch nie eine Arschbacke auf einen Bürostuhl gesetzt hat. Ich bin ein digitaler Stubenhocker. Und das sind die Gründe:


10. Die IT 


Ständig ist irgendwas mit dem Rechner. Klickt nicht, lädt nicht, arbeitet zu langsam, verschickt keine E-Mails. Für fast alles, was über „Have you tried turning it off and on again?" hinaus geht, benötige ich die Hilfe eines Menschen mit Talent.


Selbst in einem Startup ohne zuständigen IT-Menschen sitzt doch immer irgendwo ein Kollege in der Ecke, den die anderen sich über viele Monate mit Kuchen und Bier gefügig gemacht haben, um im Moment des technischen Supergaus professionelle Hilfe zu bekommen.


Auch Jasmin braucht oft einen IT-Spezialisten. Den muss sie aber an jedem Ort erst einmal suchen gehen, und das in vierzig verschiedenen Sprachen. Das Ergebnis: Manchmal fällt Arbeiten einfach tagelang flach.


9. Meetings

Als großer Fan von Slack habe ich grundsätzlich mit „Remote"-Meetings überhaupt kein Problem. Wo sonst kann man seine Gehaltsverhandlungen in Unterhose führen? Das ist praktisch.


Wenn das Internet in Ittoqqortoormiit aber zum fünften Mal zusammenbricht, dann bleiben wichtige Absprachen auf der Strecke. Ich möchte in ganzen Sätzen und ohne Un-ter-b-b-brechungen mit meinen Arbeitskollegen sprechen.


8. Gratiszeug

Ein nicht wegzudenkender Absatz in Jobanzeigen: Die Obst-, Kaffee-, Softdrinks-, Bier- und Müsli-Klausel. Nicht zu vergessen der Pasta-Friday, das Bällebad, die gemeinsamen Ausflüge, Yogastunden und die vielen geschenkten Gadgets. Bei PACE bekam ich direkt am ersten Tag ein Tool fürs Auto zugesteckt. Das fand ich toll - kleine Geschenke erhalten die Freundschaft.


Jasmin muss sich Spielzeug und Müsli selbst kaufen. Und das Spielzeug wird dann auch noch ständig geklaut oder geht kaputt. Einmal ist ihr das nagelneue iPhone ins Campingklo gefallen. Kannste dir nicht ausdenken.


7. Eure Post

Der digitale Nomaden-Lifestyle wirkt sich nicht nur auf das Arbeitsumfeld des geistig flexiblen Reisenden aus - auch der rückständige Pöbel aus Freunden und Familie steht plötzlich vor ganz neuen Aufgaben.


Dazu gehören:

  • Platz schaffen für die zurückgelassenen Gegenstände des Reisenden 
  • Das Öffnen und Bearbeiten von Behörden- und Verwertungsgesellschafts-Post 
  • Das Überwachen und Verwalten ständig wechselnder Untermieter 
  • Notrufbereitschaft bei Visums-, Krankenversicherungs- und Finanzkrisen 
  • Sonstiges bürokratisches Tun

6. Meine Gesundheit.


*Spießermodus an* Zu einem glücklichen und erfüllten Leben tragen Schmerzfreiheit, Beweglichkeit und eine verlässliche Gesundheitsversorgung sehr viel bei. Ein gut eingerichteter Arbeitsplatz gehört unbedingt dazu. *Spießermodus aus*


5. Die IT 


Ernsthaft, wie viele Arbeitsstunden verbringt Jasmin wohl wöchentlich damit, IT-Probleme zu googeln und nach schlecht geschriebenen Anleitungen zu lösen? An wie viele wildfremde IT-Leute musste sie sich auf ihren Reisen heranschmeißen, um ihr Arbeitspensum mit Ach und Krach zu schaffen? Wie viel Extrageld hat das ihre Firma gekostet? Ich weiß es nicht.


4. Der Chef

Es nützt nichts, wenn ein toller Chef theoretisch vorhanden ist. Ich finde, er muss auch da sein. Wenn ich mich auf meinem Bürostuhl umdrehe und „Du, Martin?" sage, dann bekomme ich tatsächlich eine Antwort. Auch auf die vielen Fragen, die in meinem zeitkritischen Social Media Job oft spontane Antworten erfordern, bekomme ich direktes Feedback.


3. Co-Worker-Memes

Manchmal reicht ein Blick und alle lachen. Es sind die legendären Momente mit den Kollegen, die den Job im Büro so schön machen. Running Gags, Office-Hunde, Missgeschicke, Absurdes, Dramatisches, Romantisches.


2. Bedürfnisse

Hunger, Pipi, Kalt. So klingt es, wenn ich versuche, mit meinem Laptop außerhalb meiner vier Bürowände zu arbeiten. Da fehlt die Steckdose, da zwickt der Wind in den Augen, da sind die Mitmenschen zu laut. Und riskant finde ich es auch.


Meintwegen kann der Co-Working-Space in Kolumbien noch so gut eingerichtet sein: Wenn ich mal auf Klo gehe, muss ich mein komplettes Zeug mitnehmen, da es sonst gestohlen wird. Pessimistisch? Gar nicht. Geklaut wird, was geklaut werden kann.


1. Die IT

STRG+ALT+ENTF!!!11!!!!! ENTERENTERENTERENTERENTER!

Übrigens ist am 27. Juli SysAdmin Day. Nehmt eure IT-Götter bitte einmal fest in den Arm.


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