Bei Prinzessin Kate ist nach einer Bauch‑OP Krebs diagnostiziert worden, sie ist erst 42 Jahre alt. Eine aktuelle Studie deutet darauf hin, dass Krebskranke tatsächlich immer jünger werden. Ein Experte warnt allerdings davor, diesen generellen Schluss zu ziehen.
Sie sieht erschöpft aus, geradezu hager. Ein „großer Schock" sei das gewesen, sagt Prinzessin Kate. Die 42‑Jährige hat Krebs, wie sie in einem Videostatement am Freitagabend erzählt. Welchen genau, verrät sie nicht. Sie habe die Diagnose Mitte Januar nach einer Bauchoperation erhalten. Nun mache sie auf Rat ihrer Ärztinnen und Ärzte vorsorglich eine Chemotherapie - mit 42 Jahren. Und sie ist nicht allein: Sebastien Haller (29) von Borussia Dortmund erkrankte an Hodenkrebs, die Sängerin Cat Janice (bekannt durch Tiktok) starb Anfang März mit 31 Jahren an einem Sarkom. Werden Krebskranke immer jünger?
Eine Studie, die im vergangenen Jahr erschien, scheint diesen Verdacht zu bestätigen. Die Zahl der Neudiagnosen bei den unter 50‑Jährigen sei seit 1990 weltweit um fast 80 Prozent gestiegen - so das Resultat des Forscherteams unter der Leitung der University of Edinburgh und der Zhejiang University School of Medicine in Hangzhou, China. Klingt erschreckend. Aber die Schlussfolgerung der Forschenden scheint nicht haltbar.
Zweifelhafte StudieDas sagt zumindest Volker Arndt, vom Forschungsschwerpunkt Krebsrisikofaktoren und Prävention am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Denn die Autorinnen und Autoren setzen die gestiegenen Fallzahlen nicht ins Verhältnis mit den ebenfalls gestiegenen Bevölkerungszahlen. „Die Studie verwechselt Fallzahlen mit Risiko. Sie ignoriert in sträflicher Weise das Wachstum der Weltbevölkerung vor allem in Asien im Alter bis 50″, sagt er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Da haben die Gutachterinnen und Gutachter ihre Arbeit nicht gemacht, als sie das Manuskript zur Publikation freigegeben haben. Die Grafiken bilden das ab - nur im Text findet sich leider nicht die entsprechende Interpretation der Daten."
So eindeutig wie die Studie es vermittelt, ist der globale Anstieg der Krebserkrankungen also nicht. Allerdings hat sich das Risiko, an Krebs zu erkranken, in den vergangenen Jahren verändert. Das gilt aber nicht für alle Länder und alle Krebsarten gleichermaßen. Klar ist: Der Lebensstil spielt eine große Rolle. Wer raucht, viel rotes Fleisch isst und sich wenig bewegt, erhöht sein Risiko, an Krebs zu erkranken. „Ein Anstieg bei den Erkrankungsrisiken findet sich in vielen westlichen Industrieländern. Dieser Anstieg ist auf eine Kombination von vermehrter Diagnostik und einzelnen Lebensstilfaktoren zurückzuführen", sagt Arndt. In den USA etwa erkranken deutlich mehr junge Menschen an Darmkrebs. Die naheliegendste Erklärung? „Übergewicht und der hohe Fleischkonsum", sagt Arndt. „Krebs ist auch eine Art Wohlstandskrankheit."
Auch in Deutschland könne man einen leichten Anstieg bei jungen Menschen bei einigen Krebsarten beobachten. Etwa erkranken mehr junge Menschen an Brustkrebs. Wieso, das ist aber unklar. „Übergewicht oder mehr Alkohol ist sicher ein Faktor, aber auch der Rückgang der Schwangerschafts- und Stillrate können dazu beitragen, dass Krebs entsteht", sagt Arndt.
Erhöhte Sterblichkeit bei DarmkrebsAuch erkranken mehr junge Menschen an Schilddrüsen- und Hodenkrebs. Aber: „Hodenkrebs ist eine Krebsart mit einer sehr guten Prognose. Es gibt nur wenige Todesfälle", sagt Arndt. Auch die Zunahme bei Schilddrüsenkrebs sei nicht besorgniserregend. „Das liegt daran, dass es das papilläre Karzinom betrifft, bei dem Fachleute diskutieren, ob man es überhaupt als Krebs bezeichnen kann." Es ist also eine sehr milde Form und in der Regel nicht tödlich.
Zudem gäbe es eine leichte Darmkrebszunahme bei den 20‑ bis 29‑Jährigen - verglichen mit den jüngeren Älteren. „Wenn man sich die unter 50‑Jährigen insgesamt und unter Einbeziehung weiterer Krebsregister anschaut, kann man aber keine Zunahme erkennen." In der Klinik habe man oft den Eindruck, dass Patientinnen und Patienten mit Darmkrebs jünger werden. Das sei vor allem dem geschuldet, dass weniger Ältere erkranken. „Schon Vorstufen von Darmkrebs können sehr früh präventiv behandelt werden. Die tauchen dann gar nicht erst in der Statistik auf. Bei Jüngeren gibt es diese Art der Vorsorge aber nicht."
Und das wird zunehmend zum Problem. Denn in der Europäischen Union und in Großbritannien steigen die Sterberaten bei Darmkrebs bei den 25- bis 49‑Jährigen. Konkret: in Italien, im Vereinigten Königreich, in Polen und Spanien (für Männer) sowie in Deutschland (für Frauen). Das ist das Ergebnis einer Studie, die im Fachjournal „Annals of Oncology" erschienen ist. Einer der Hauptgründe dafür seien mangelnde Bewegung, Übergewicht und Alkoholkonsum, schreiben die Forschenden um Carlo La Vecchia von der Universität Mailand. Und sie leiten daraus ab: Die Früherkennung für Darmkrebs beginnt zu spät. Als gesetzlich Krankenversicherte können Frauen ab 55 und Männer ab 50 Jahren in Deutschland eine Darmspiegelung in Anspruch nehmen. Es sei zu überlegen, die Darmkrebsvorsorge auf jüngere Menschen ab 45 Jahren auszuweiten.
„Krebs fällt nicht vom Himmel"Noch ist das aber nur eine Überlegung. Deswegen rät Kay Kohlhaw, Chefchirurg der Sana Kliniken Leipziger Land, zur Selbstvorsorge: „Das ist aus ärztlicher Perspektive eher spät, aber die Risiko-Nutzen-Abwägung spricht für diese Grenze. Deswegen ist Selbstverantwortung umso wichtiger. Sobald man Blut im Stuhl hat oder sich ungewöhnlich schlapp fühlt - lieber einmal mehr zum Arzt oder zur Ärztin als zu wenig", sagt er dem RND.
Die Tumore würden zudem in jungen Jahren klinisch deutlich aggressiver erscheinen. Wieso, ist nicht zweifelsfrei geklärt. „Es kann auch daran liegen, dass sie erst spät entdeckt werden. In so jungen Jahren rechnet man oft nicht damit, an Krebs zu erkranken", sagt Kohlhaw. „Man kann aber auch schon in jungen Jahren an Krebs erkranken, das sollte man nicht vergessen."
Insbesondere Darmkrebs gehöre aber eben auch nicht zu den schnell wachsenden Krebsarten wie zum Beispiel Bauchspeicheldrüsenkrebs. „Krebs fällt nicht vom Himmel. Es gibt oft eine Reihe von Erkrankungen, die als Vorstufen gelten", sagt Kohlhaw. Bei Darmkrebs seien das erst Schleimhautveränderungen, dann Wucherungen, und erst, wenn die veränderten Zellen durch die erste Schleimhautschicht in die nächste Schicht durchwachsen, spreche man von Krebs. „Das zieht sich über einen langen Zeitraum von bis zu 15 Jahren", sagt Kohlhaw. „Darauf begründet sich der Wert der Vorsorge: das Erkennen der Vorstufen, die dann entfernt werden und keinen Schaden mehr anrichten können."
Prävention gegen KrebsDeswegen gilt: Wachsam sein! „Niemand kann sich nicht hundertprozentig gegen Krebs schützen. Manchmal hat man einfach sozusagen ‚Pech'. Aber man kann die Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu erkranken, merklich reduzieren. Nicht rauchen, kaum Alkohol, wenig rotes Fleisch, Sport und Bewegung - das ist die beste Prävention gegen Krebs", sagt Kohlhaw. „Aber auch, wenn jemand an einem bösartigen Tumor erkrankt ist, ist das nicht das Ende der Welt. Die Medizin hat große Fortschritte gemacht und es gibt viele neue, wirksame Therapieverfahren. Krebs ist heute kein Todesurteil mehr."
Es gebe natürlich Menschen, die eine besondere genetische Vorbelastung haben. Das seien aber spezielle Fälle und dann gebe es entsprechende Screening-Maßnahmen und eine engmaschige Betreuung für die betroffenen Patientinnen und Patienten und ihre direkten blutsverwandten Angehörigen. „Angelina Jolie ist eines der bekanntesten Beispiele. Wegen einer Mutation am Gen BRCA 1 ist ihr Risiko, an Krebs zu erkranken, deutlich höher als bei anderen Menschen", sagt Kohlhaw.
Aber auch da gilt: „Man sollte die Vorsorge, die es gibt, wahrnehmen. Im Regelfall ist der Befund negativ."
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