Der Schauspieler, Dokumentarfilmer und Autor Hannes Jaenicke will die Welt verbessern. Im Theater am Aegi hat er erklärt, wie man das machen muss.
„Die Qual der Wahl - Herde oder Held?" Das ist die Frage, die Hannes Jaenicke seinem Buch voranstellt. Seine Meinung? Held natürlich. Nicht umsonst heißt sein nunmehr drittes Buch polemisch „Wer der Herde folgt, sieht nur Ärsche - Warum wir dringend Helden brauchen". Und Ärsche, die will ja wohl keiner sehen. Am Montagabend hat der 57-Jährige im Theater am Aegi 350 Zuschauern aus seinem Buch vorgelesen.
Jaenicke ist Schauspieler („Tatort") und Umweltaktivist: Seit 2010 setzt sich er sich mit seinen Dokumentationen für gefährdete Tierarten wie Eisbären oder Haie ein. Sein erstes Buch „Wut allein reicht nicht - Wie wir die Erde vor uns schützen können" ist ein Appell für den Tier- und Umweltschutz. Jaenicke ist Grünen-Parteimitglied, war schon Vegetarier bevor es cool war, engagiert sich bei Greenpeace und trinkt zu Hause nur Wasser aus dem Sprudler, wie er im Theater am Aegi erzählt. Er setzt sich ein für eine nachhaltigere Welt - und hat auch schon etwas bewirkt, zum Beispiel beim Münchener Küchenchef, der nachdem er eine Jaenicke-Doku sah, keinen Thunfisch mehr auf die Speisekarte setzte.
Nun hat Jaenicke ein Pläydoyer für Heldentum geschrieben. Denn, so seine Diagnose, uns fehlen moralische Instanzen. Und was folgt daraus? Die Menschen laufen in der Herde mit - oder wählen schlimmstenfalls auch noch ein schwaches Leittier, also Erdogan, Putin oder Trump. Schuld daran sei der „Hang zur Obrigkeitshörigkeit" und das „Streben nach Mittelmäßigkeit". Ein Appell für mehr Rebellentum also.
Jaenicke glaubt daran, den Grund für Rechtspopulismus, destruktive Neidkultur und Konsumrausch gefunden zu haben. Die Krisen dieser Zeit handelt er mit fehlenden Persönlichkeiten ab - und vereinfacht sie so. Hier ein Nietzsche-Zitat, dort ein chinesisches Sprichwort.
Der Autor liest mit tief-sonorer Hörspielstimme von seiner Oma und anderen Vorbildern wie Götz George vor. Mit seinem lockeren Hemd und einer souveränen (Selbst-)Moderation wirkt Jaenicke wie der Nachbar von Gegenüber, ein nahbarer Welterklärer. Er liest mit ruhiger Stimme und akzentuiert jedes Wort. „Neider sind Kandidaten für Krebserkrankungen", glaubt er zu wissen. Und Jaenicke kennt das Gegenmittel: Wir brauchen Leute, die „gegen den Strom schwimmen", Querdenker in der Kalenderspruchversion: Man sollte sein eigenes Ding machen, an sich glauben und sich treu bleiben - Moralisierungen im Konjunktiv. Das zuweilen einsame Querdenkertum soll Mainstream werden.
Die Zuschauer nicken häufig zustimmend, als Jaenicke den Spitzensportler Markus Deibler zitiert („In einem Land, in dem ein Olympiasieger 20 000 Euro Prämie bekommt und ein Dschungelkönig 150 000 Euro sollte sich niemand über fehlende Medaillen wundern"), klatschen sie Applaus. Nach der etwa anderthalbstündigen Lesung fragt das Publikum rege, eine Dreiviertelstunde lang. Zu seinem Umweltaktivismus („Großwildjagd ist eine perverse Idee"), seiner Vielfliegerei („Die Dokumentationen rechtfertigen das") und seinem Lieblingsfilm („Der Pate"). Bei der Frage nach seinem Heldentum kokettiert Jaenicke: Er würde sich selbst nicht als Vorbild sehen, sondern als Filmemacher, sagt er auf Nachfrage. Irgendwie schwer zu glauben.
Von Kira von der Brelie