Die US-Band Scott Bradlee’s Postmodern Jukebox verwandelt Lieder von Radiohead oder Portugal. The Man in opulenten Zwanzigerjahre-Jazz. Am Donnerstag hat die Band im Capitol 900 Zuschauer begeistert.
Wenn sie singt, dann ist es ruhig im Capitol. Tia Simone biegt den Oberkörper vor und zurück und presst auch die letzte Kraft aus ihrem Körper in Töne. „I wish I was special", singt sie mit einnehmendem Timbre die Zeilen von Radioheads „Creep". Das klingt so erschütternd stark und verletzlich zugleich, dass eine Zuschauerin ihr ein lautes „Yes, you are" entgegenruft. Der restliche Saal bricht die imposante Stille und jubelt. Nach dem letzten Ton blinzelt die sichtlich gerührte Sängerin ins Publikum.
Zusammen mit Scott Bradlee's Postmodern Jukebox (PMJ) war die Musikerin am Donnerstag im Capitol. Es war ein Abend voller hautenger Fransenkleider, sattem Jazz-Sound und opulentem Zwanzigerjahre-Habitus. Zehn Jahre ist es her, dass Scott Bradlee die Musikgruppe mit ständig wechselnden Mitgliedern gründete. „Damals hat Scott die Videos noch in einem Keller-Apartment in Queens gefilmt und die Musiker mit Falafel-Sandwiches bezahlt", erzählt Bassist Adam Kubota. Mit Erfolg: Heute hat die Zwanzigerjahre-Band PMJ-Fans im Millionenbereich, 3,8 Millionen alleine auf Youtube - darunter etwa auch Schauspielerin Zooey Deschanel.
Das passt, denn die Zwanziger sind angesagt: Schon 2013 belebte die Verfilmung des Fitzgerald-Romans „The Great Gatsby" (1925) über die Party-Exzesse des Protagonisten die Nostalgie. Im vergangenen Jahr flimmerte „Babylon Berlin", eine deutsche Serie über die Zwanzigerjahre, über die Bildschirme und sorgte für Zuschauerrekorde in der ARD. Es folgten zahlreiche Mottopartys und Charleston-Tanzkurse - und selbst der hannoversche Opernball folgte in diesem Jahr dem Motto „Roaring Twenties". Auch einige Zuschauer im Capitol haben sich verkleidet, tragen Federschmuck, Perlenketten oder Dandy-Hosenträger.
Mit der Mischung aus Jazz und Swing klingt PMJ zwar nach Zwanzigerjahre-Revival - die Lieder sind aber vergleichsweise aktuell und eigentlich in ganz anderen Genres angesiedelt. Neben Metallicas „Nothing Else Matters" gibt es etwa „Feel It Still" von Portugal.The Man als Swing-Version oder „Fuck you" von Cee Lo Green - wobei Showhost Mykal Kilgore im Refrain lieber phonetisch ähnlich, aber jugendfrei „Forget you" singt.
Jazz ist Pose
Die Lieder sind geprägt von sprudelnder Energie mit sinnlichem und manchmal tragischem Touch wie bei „Ain't No Rest For The Wicked" von Cage The Elephant. Die drei Sängerinnen schlagen stets kokett die Augen auf und zelebrieren ihre Rundungen mit hautengen Fransenkleidern und Hüftgewackel auf Heels. Kontrabass, Klavier, Bläser und Gitarre sorgen für einen exaltierten Jazz-Sound. Alex McDonald stepptanzt dazu - und später auch ganz allein auditiv durch die unterschiedlichen Level-Melodien der „Super Mario"-Videospiele.
Die 900 Zuschauer brauchen zwar einige Lieder, bis sie warm werden, aber dann jubeln sie und tanzen mit. Nach zwei Stunden ist die Show vorbei. Aber immerhin: Die nächsten Zwanziger sind 2019 ja nicht mehr weit weg.
Von Kira von der Brelie