Im Rahmen einer Debatte über Feminismus hat die Comic-Autorin Ulli Lust ihr neuestes Werk vorgestellt. In „Wie ich versuchte, ein guter Mensch zu sein“ beschreibt sie den Reiz einer Dreiecksbeziehung, aber auch die Schwierigkeiten, die durch ein unterschiedliches Rollenverständnis entstehen können.
„Ich gefalle dir, du gefällst mir, lass uns vögeln", sagt Ulli Lust zu Kimata. Sie ist 22 Jahre alt, versucht als Künstlerin in Wien Fuß zu fassen und liebt eigentlich Georg. Dass sie trotz ihrer Beziehung mit dem Nigerianer Kimata schläft, stört den Alt-68er-Künstler Georg nicht - der junge Kimata dagegen kämpft mit seiner Eifersucht und einer traditionellen Rollenvorstellung, wird schließlich sogar gewalttätig - ganz so einfach, wie Lust damals glaubte, ist es also nicht in einer Dreiecksbeziehung.
Moderiert von HAZ-Redakteurin Martina Sulner hat Lust ihre Graphic Novel „Wie ich versuchte, ein guter Mensch zu sein" am Donnerstag bei der Abschlussveranstaltung der Debattenreihe „Klartext: Feminismus" im Literaturhaus vorgestellt.
Autobiografischer Graphic-Novel
Die Geschichte ist nicht - wie bei klassischen Superhelden-Comics - lediglich fiktiv, sondern autobiografisch. Lusts Graphic Novels sind recherchiert und haben einen politischen Anspruch. Ganz in der Tradition von Comic-Reportagen-Urvater Joe Sacco, der auch den Nah-Ost-Konflikt in Comics thematisiert, ist ihre Erzählweise eher ernsthaft, statt slap-stick-haft.
Und das kommt an: Schon der erste Teil „Heute ist der letzte Teil vom Rest deines Lebens", erschienen 2009, machte die Berlinerin international bekannt. Sie gewann als bislang einzige deutschsprachige Comic-Zeichnerin den begehrten amerikanischen Ignatz Award und den LA Times Book Prize, ihr Comic-Roman wurde in elf Sprachen übersetzt.
2013 veröffentlichte sie Marcel Beyers Roman „Flughunde" als Graphic Novel - einer der ersten Comics überhaupt, die der Traditionsverlag Suhrkamp verlegte. Seitdem ist sie auch Professorin an der Hochschule Hannover und unterrichtet Zeichnung und Comic.
„Es sind auch einige Studenten hier", sagt sie und lächelt in den mit 60 Zuschauern besetzten Raum „das war aber keine Pflicht".
Suche nach einem Platz in der Gesellschaft
Mit rosa-schwarzen Zeichnungen erzählt Lust die Suche ihres Anfang 20-jährigen Ichs nach einem Platz in der Gesellschaft - statt wie mit 17 Jahren aus ihr ausbrechen zu wollen. Die Protagonisten sprechen über Liebe, Eifersucht und Sex, es gibt explizit dargestellte Sexszenen und -fantasien, die Lust beim Vorlesen aber schnell weiter swipet. Scham ist eben auch ein Thema bei so intimen Autobiografien - auch, wenn Lust mittlerweile 50 Jahre alt ist und die Geschichten lange her sind.
Von Scham dürfe man sich als Künstler aber nicht leiten lassen, weiß Lust. Nach diesem Codex muss sie dann eben auch Dinge erzählen, die ihr unangenehm sind. „Im ersten Teil komme ich eine Woche nach der Vergewaltigung mit dem Täter zusammen. Das hätte ich gerne weggelassen", sagt Lust „aber es hat auch eine Tragik gehabt".
Weibliche Selbstbestimmung
„Wie ich versuchte, ein guter Mensch zu sein" ist jedoch nicht nur eine Geschichte über Polyamorie, zentrales Thema ist weibliche Selbstbestimmung. In der ersten Szene geht Protagonistin Ulli los, um einen Mann aufzureißen - ein Plot, der in dieser Geschlechterkonstellation Seltenheitswert hat.
„Es gibt zu wenig Frauen, die ein selbstbewusstes Erotikleben führen", konstatiert Lust „ich wollte zeigen, dass es auch anders geht." Auch die verschiedenen Erwartungen an Frauen prallen im Buch teils schmerzhaft aufeinander: „Für Kimata war eine gute Frau etwas vollkommen anderes, als für mich", sagt Lust.
Dass der Nigerianer als sexbegabter Mann mit veraltetem Frauenbild ein rassistisches Klischee zu bedienen scheint, sei eben so. „Ich hab versucht die Personen so differenziert wie möglich darzustellen. Ich kann nicht ändern, dass es auf den ersten Blick so klischeehaft wirkt," sagt sie.