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Die Mecker-Generation - weshalb ich da nicht mehr mitmache

Im Meckern sind wir alle ganz groß - aber mal was verändern und dem Glück einen Arschtritt geben, das trauen wir uns nicht. Verdammt schade, findet Glitz-Kolumnistin Kira Brück.

Schlechte Bezahlung, lange Arbeitszeiten, miese Kantine, langweilige Aufgaben: irgendwas ist immer. Wirklich, ich kenne eigentlich niemanden, der mit seinem Job happy ist. Alle beschweren sich, ständig, immer. Es ist grauenhaft. Dann frage ich mich, warum meine Generation und ich eigentlich glauben, Arbeit müsse glücklich machen. Das ist natürlich absoluter Schwachsinn. Denn Arbeiten an und für sich ist Maloche - egal in welchem Job. Eines müssten wir uns dabei mal klarmachen: Wir arbeiten, um gut leben zu können. Doch dieses Verhältnis hat sich längst verschoben. Wir definieren uns über den Job, über die Überstunden, über das nächste Projekt. Wenn jemand auf einer Party fragt: „Und, was machst du so?" meint er nicht deine Hobbys. Sondern deinen Job. Ich nehme mich da selbst nicht raus. Ich ticke ganz genauso. Auch ich habe immer gemeckert über anstrengende Kollegen, befristete Verträge und die Zustände im Allgemeinen. Bis ich mich in meinem Selbstmitleid nicht mehr ertrug und alles auf eine Karte setzte. Seither schlage ich mich als freie Journalistin durch. Es war eine Entscheidung gegen die Sicherheit - aber es war die beste meines Lebens.

Es klingt so paradox, aber gerade die Sicherheit ist es, die unserem Glück im Weg steht. Viele sind unzufrieden mit ihrem Job, schieben dann aber die Sehnsucht nach Sicherheit vor - als prophylaktische Entschuldigung, nichts zu verändern. Häh?! Wenn alles so bleiben soll wie es ist, dann hört halt auf zu meckern! Einen Tod muss man sterben - oder wie meine Mama immer sagt: „Es liegt nie alles Gute beieinander." Du kannst nicht alles haben: Sicherheit, Rente, bezahlte Überstunden - und Freiheit, Glück, Spaß.

Katrin (31, Foto) wollte einen Kompromiss. Sie hatte eine schicke unbefristete Stelle und Fernweh. Was jetzt?! Ein Sabbatical sollte her. Der Chef hielt sie hin, machte ihr Hoffnungen und dann wieder einen Rückzieher. Bis es ihr irgendwann reichte. Katrin kündigte und besorgte sich ein Working Holiday Visum für Australien. Im Vorfeld versuchte sie natürlich von Deutschland aus, Wohnung und Job klarzumachen. Aber die Aussies halten nichts von langfristiger Planung. Davon ließ sie sich nicht entmutigen. Ich weiß noch, wie ich mich auf ihrer Abschiedsparty gefühlt habe: Mut müsste man haben, dachte ich. Damals wusste ich natürlich nicht, dass Katrin bis oben hin voll war mit Zukunftsängsten.

Jedenfalls brach sie tatsächlich alle Zelte ab und setzte sich in den Flieger nach Sydney. Und siehe da, drei Wochen später hatte sie einen Job als Webdesignerin. Heute - dreieinhalb Jahre später - ist sie selbstständig und hat eines der begehrten lebenslangen Aufenthaltsrechte ergattert. Katrin sagt: „Ich arbeite vier Tage die Woche, das reicht. Den Rest der Zeit bin ich am Strand beim Surfen. So machen es die meisten Leute hier. Wir arbeiten, um das Leben zu genießen." Die hat's einfach kapiert. Aber klar, ohne Risiko und Mut hätte Katrin jetzt nicht so ein tolles Leben - sondern würde sich täglich über ihren Job aufregen.

Ich finde: Wer keine Familie ernähren muss, wer kein Haus abzubezahlen hat, muss ganz dringend aufhören zu meckern! Wir haben uns alle angewöhnt, per se unzufrieden zu sein. Wer mit seinem Leben happy ist, mit dem stimmt doch was nicht, ist unsere verquere Denke. Dabei sollten wir der Mecker-Generation zurufen: Sucht euch was anderes, wenn euer Job scheiße ist. Und hört mir auf mit eurer Sicherheit. Lebt euer Leben, genießt es in vollen Zügen, riskiert was, seid mutig. Ändert die Umstände, aber hört auf, euch zu beschweren. Im Leben gibt es nicht immer einen doppelten Boden. Und das Glück ist kein Geländer, an dem man sich festhalten kann. Das muss man sich manchmal klarmachen. Erst recht, wenn man zur Mecker-Generation gehört. Aber Katrin und ich, wir machen da schon seit längerem nicht mehr mit.

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