Wenn Stephanie Kühne um 6.30 Uhr die öffentlichen Toiletten an der Konstablerwache aufschließt, dauert es nicht lange, bis die ersten Passanten vorbeischauen. In den frühen Morgenstunden zählt sie bis zu 25 "Stammkunden", die nahezu täglich vorbeischauen. "Die Personen kommen gerne her, weil es sauber ist", erzählt die 39-Jährige stolz. Bis 13.30 Uhr hält die zweifache Mutter die 200 Quadratmeter große Anlage in der Frankfurter Innenstadt sauber. Ihre gute Arbeit spiegelt sich auch im Trinkgeld wider: Die Benutzung der frisch renovierten Anlage ist kostenlos und viele Besucher würdigen die Sauberkeit mit ein paar Münzen extra.
Dass man als Passant oder Tourist in Frankfurt so leicht eine Toilette findet, ist allerdings nicht selbstverständlich. Am Mainufer beispielsweise sucht man sie inzwischen vergeblich. Blaue Kabinen, die dort testweise standen, sind wieder entfernt worden.
Die Problematik am Mainufer hat schon einige Debatten hervorgerufen. Die Stadt Frankfurt verweist dabei auf die Sanitäranlage am Paulsplatz, rund 200 Meter vom Eisernen Steg entfernt. Zusätzlich hat die Stadt einen Vertrag mit Gastronomen am Mainufer geschlossen, damit Passanten deren Toiletten ohne Verzehrpflicht benutzen können. Welche Restaurants genau an der Aktion teilnehmen, konnte die Stadt zunächst nicht sagen. Auch in einzelnen Stadtteilen sind Klagen über Geruchsbelästigung und Forderungen nach mehr Toiletten laut geworden.
Sind öffentliche Toiletten eine Mangelware? Der Hessische Städte- und Gemeindebund berichtet, dass sich Bürger gelegentlich "über nicht ausreichende öffentliche Toilettenanlagen beklagen". Genaueren Aufschluss verschafft der Blick auf einige Zahlen: So gibt es in Frankfurt 55 WC-Standorte. Damit dient eine öffentliche Anlage rein rechnerisch rund 13 300 Einwohnern. Hinzu kommen nochmals rund 350 000 Pendler, die täglich nach Frankfurt fahren.
Noch schlechter ist es um Kassel (20 000 Einwohner pro Anlage) und die Landeshauptstadt gestellt: 29 000 Wiesbadener teilen sich laut Pressestelle eine dieser Sanitäreinrichtungen. In Gießen gibt es zwar nur zwei städtische Toilettenstandorte. Doch dort kommen noch 26 weitere WCs hinzu, die Gastronomen kostenfrei zur Verfügung stellen. Anlagen auf Spielplätzen und Friedhöfen sind in den Rechenbeispielen nicht mitgezählt.
Ein Grund für die schlechte Versorgung ist die fehlende Gesetzesvorlage: Eine Mindestanzahl öffentlicher Sanitäranlagen ist nicht vorgeschrieben. "Es handelt sich hierbei um eine freiwillige kommunale Leistung", erklärt der Sprecher der Stadt Darmstadt, Klaus Honold. Die Stadt Frankfurt ergänzt, die Bereitstellung von Toiletten sei abhängig von der "finanziellen Leistungsfähigkeit". Die Pressestelle Fulda verweist auf den VDI-Richtlinienausschuss 3818, wonach auf 5000 bis 10 000 Einwohner je ein öffentliches WC für Mann und Frau veranschlagt wird.
Rund 2000 Personen suchen die Klos an der Konstablerwache täglich auf, im Jahr kommt man auf 730 000 Benutzer. Wie viele Personen Stephanie Kühnes Toiletten besuchen, hängt auch vom Wetter oder Ereignissen statt. So kommen donnerstags und samstags oft Händler und Besucher des Wochenmarkts auf die Toiletten. Zu ihrem Kundenstamm gehören neben den vielen Mitarbeitern des Einzelhandels auf der Einkaufsmeile Zeil auch Schülerinnen.
Oft fehlt den Städten das Geld für neue Toiletten-Standorte. Die Kosten einer Anlage hängen ab von Größe, Lage und Nutzerfrequenz. Die Stadt Frankfurt zahlt monatlich 2500 Euro für ein einfaches System-WC, die Anlage an der Konstablerwache schlägt mit 20 000 Euro zu Buche. Spitzenreiter ist die Anlage an der Hauptwache, die aufgrund des Nachtbetriebs im Winter 35 000 Euro im Monat kostet. Hier zählt die Stadt 770 000 Besucher im Jahr. Die Reinigungskosten durch den städtischen Eigenbetrieb für kommunale Aufgaben und Dienstleistungen in Darmstadt werden für alle Toiletten auf 350 000 Euro bilanziert.
Auch Reinigungskräfte wie Stephanie Kühne werden von den Mitteln bezahlt. Zu dem nicht gerade hohen Stundenlohn, dessen Betrag sie nicht nennen will, kommen noch die Münzen der zufriedenen Benutzer. "Das Trinkgeld darf ich komplett behalten", berichtet die Toilettenfrau. Zügig steckt sie die Kleinbeträge auf dem Geldteller ein, in der Vergangenheit haben sich Kunden dreisterweise bedient. Generell seien Damen spendabler, sagt Kühne: "Sie würdigen die Sauberkeit der Toilettensitze besonders." 20 Euro seien bisher ihr höchstes Trinkgeld gewesen.
In Wiesbaden hat sich die Verwaltung Gedanken gemacht, wie öffentliche Toiletten auf anderem Weg finanziert werden können. Vor wenigen Jahren hat die Landeshauptstadt ihre Reklamerechte an die Wall GmbH verkauft. Seither freut sich die Stadt über 1,5 Millionen Euro pro Jahr sowie acht Toiletten, die das Berliner Unternehmen kostenfrei aufgestellt hat. In Frankfurt haben sich dagegen alternative Modelle zur Errichtung öffentlicher Toiletten "in der Vergangenheit nicht bewährt und werden derzeit nicht verfolgt", teilt die Stadtverwaltung mit.
So groß scheint der öffentliche Druck bei der Toilettenversorgung nicht zu sein, denn neue Sanitäranlagen sind in Darmstadt und Wiesbaden zumindest nicht geplant. In Frankfurt denkt die Verwaltung darüber nach, eine Anlage in Höhe der Untermainbrücke zu installieren. Das Areal unmittelbar am Mainufer steht allerdings unter Denkmalschutz. So wird versucht, weiter oben auf Straßenniveau einen Standort zu finden. Ein konkretes Datum gibt es bisher nicht.