Immer mehr ältere Menschen haben ein Suchtproblem. Experten schätzen, dass jeder Zehnte über 75 betroffen sein könnte. In keiner Altersgruppe gibt es so viele Drogenabhängige wie bei den Senioren. Die Tablettensucht ist dabei die zweithäufigste Suchterkrankung und liegt nach Zigaretten sogar noch vor der Alkoholsucht.
Ob Alkohol oder Medikamente - die Sucht bei älteren Menschen wird offenbar zunehmend zum Problem. Experten schätzen, dass etwa jeder Zehnte über 75 süchtig sein könnte.
Bei den Süchtigen handelt es sich dabei nicht um eine bestimmte Randgruppe, viele Patienten kommen aus der Mitte der Gesellschaft und rutschen in der zweiten Lebenshälfte langsam in die Abhängigkeit. Die Ursachen dafür sind vielfältig: Viele haben nach der Rente das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden. Hinzu kommen körperliche Beschwerden und Krankheiten. Auch der Tod des Partners, der Verlust von Freunden und das Alleinsein kann viele ältere Menschen in ein Loch stürzen.
Beruhigungs- und Schlafmittel haben hohes SuchtpotenzialGegen Ängste und Schlafprobleme werden dann vom Arzt oft Beruhigungs- und Schlafmittel verschrieben, die häufig ein hohes Suchtpotenzial haben. Gerade sogenannte Benzodiazepine und Non-Benzodiazepine werden in Deutschland oft zu lange und in zu hoher Dosis verschrieben. Diese Substanzen wirken angstlösend, beruhigend und schlaffördernd. Sie haben aber auch ein hohes Abhängigkeitspotenzial.
Besonders häufig werden Benzodiazepine an ältere Patienten über 70 Jahren verschrieben, da mit zunehmendem Alter auch die Häufigkeit von Schlafstörungen steigt. Die gängigen Leitlinien empfehlen eine kurze Anwendung dieser Medikamente in kleinen Dosen - die Verschreibungspraxis dagegen ist häufig eine andere. Gerade bei älteren Patienten ist eine längerfristige Einnahme von Benzodiazepinen besonders problematisch, da die Nebenwirkungen typischen Alterserscheinungen wie Nachlassen der Gedächtnisleistung und Abnahme der körperlichen Energie ähneln.
Symptome werden oft fehlgedeutetBenzodiazepin-Dauerkonsumenten zeigen Symptome, die wie eine Demenz erscheinen, sodass Angehörige die Sucht meistens gar nicht bemerken und dem Alter zuschreiben. Besonders gefährlich sind auch die Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten. Durch die Einnahme von Psychopharmaka und Beruhigungsmitteln sinkt außerdem die Alkoholtoleranz. Hinzu kommen verlangsamte Stoffwechselprozesse, die das Alter mit sich bringt. Die Leber arbeitet langsamer und der Blutalkohol steigt schneller.
In Verbindung mit den Medikamenten, die Senioren auch wegen anderer körperlicher Beschwerden einnehmen müssen, gehen viele Ältere Gesundheitsrisiken ein. Schwindel, Stürze, Stimmungsschwankungen und eine Abnahme der geistigen Leistungsfähigkeit werden oft fehlgedeutet und falsch behandelt. Dabei können diese Symptome Anzeichen und Folgeschäden von Suchtmittelmissbrauch sein.
Wo bekommen Betroffene Hilfe?Wichtig ist, dass Betroffene das Problem ansprechen. Angehörige sollten sich bei Verdacht Hilfe und Unterstützung bei einer Suchtberatungsstelle holen. Auch ein Gespräch mit dem Hausarzt kann helfen, die Problematik zu erkennen und weitere Schritte zu unternehmen.
Betroffene können sich in Suchtberatungsstellen oder bei Ärzten über Therapiemöglichkeiten informieren. Neben Beratungszentren gibt es auch viele Selbsthilfegruppen, die sich auf das Thema Sucht spezialisiert haben. Und es gibt inzwischen auch Entwöhnungsfachkliniken in Deutschland, die sich auf die Behandlung von älteren Menschen spezialisiert haben.
Autorin des Fernsehbeitrags: Kerstin Michaelis