Das Paradies ist im Erdgeschoss, das Fegefeuer in der ersten Etage, und ganz oben befindet sich die Hölle. In der Ausstellung „Die Göttliche Komödie. Himmel, Hölle, Fegefeuer aus Sicht afrikanischer Gegenwartskünstler" interpretieren 50 afrikanisch-stämmige Künstler aus 20 Ländern Dante Alighieris Epos aus dem 14. Jahrhundert. Die drei Ebenen, auf denen Gemälde, Skulpturen, Fotografien, Videos, Installationen und Performances ausgestellt sind, sind dabei umgekehrt zu Dantes Aufteilung angeordnet.
Die Schau im Museum für Moderne Kunst (MMK) in Frankfurt am Main, für die die gesamte Sammlung weichen musste, beeindruckt allein schon durch ihre räumlichen Ausmaße. Auf 4500 Quadratmetern sind teils sehr raumgreifende Werke zu sehen, für deren Betrachtung locker mehrere Stunden eingeplant werden können. Der Besucher entdeckt Kamerun vom Fluss aus, bewegt sich durch die Straßen von Addis Abeba und besucht eine französische Münzprägeanstalt.
Komplexe Verstrickungen der GlobalisierungDie Interpretation der Werke fällt unterschiedlich leicht. In der Abteilung „Fegefeuer" lenken die Figuren zweier kopfloser Duellanten die Aufmerksamkeit auf sich. Die beiden Figuren, die sich gegenseitig mit Schusswaffen bedrohen, tragen Kostüme im viktorianischen Stil, aber mit afrikanischen Mustern, wie sie dem Stereotyp von traditioneller afrikanischer Kleidung entsprechen. Was zunächst wie eine Auseinandersetzung des Künstlers Yinka Shonibare mit den Folgen des Kolonialismus erscheint, ist in Wirklichkeit vielschichtiger. Die vermeintlich afrikanischen Stoffe werden heute in Dänemark nach indonesischem Vorbild für den westafrikanischen Markt produziert. Die Kleidung wird dadurch zu einem Verweis auf die komplexen Verstrickungen der Globalisierung, die Vorstellungen von Identität sowie die wechselseitigen wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen Afrika und Europa.
Doch nicht alle Arbeiten sind so zugänglich. Die erste Installation, die einen gleich am Eingang zum Paradies empfängt, ist leider eine der Nichtssagendsten. Die drei großen, mit Tüchern behangenen Kreise in den Farben schwarz, weiß, rot sollen für Krieg, Frieden und Leben stehen.
In einer vergleichsweise kleinen, dunklen, leisen Ecke ist das Video der in Paris geborenen Künstlerin Zineb Sedira zu sehen. Vor der Leinwand befindet sich in einer Vitrine das unter Sand verschüttete Modell eines Segelbootes. Die im Film gezeigte Wüste symbolisiert den Ozean, über den viele afrikanische Flüchtlinge die Reise in eine ungewisse Zukunft antreten.
Paradies, Fegefeuer und Hölle verschmelzenIn der Hölle steht in einem riesigen Raum eine Holzhütte ohne Eingang, die an eine einfache Wohnstatt aus dem ländlichen Afrika erinnert. Von innen scheint warmes Licht durch die Holzlatten, an die Decke wird das arabische Wort für „Liebe" projiziert. Die Hütte umschließt ein Kreis von Glasscherben. Liebe kann eben auch die Hölle bedeuten, sie kann Schmerz, Konflikte und Kriege auslösen. Je weiter man der Präsentation nach oben folgt, desto beeindruckender und imposanter wird es. Das Negative war in der Kunst wohl schon immer produktiver.
Die Arbeiten der afrikanischen Künstler sind nur sehr lose an die „Göttliche Komödie" angelehnt, konkrete Anspielungen sucht man vielfach vergebens. Auch die Zuordnung zu Paradies, Fegefeuer oder Hölle erscheint oft willkürlich. Die Ausstellung zeigt keine Interpretation des Epos, vielmehr geht es darum, an aktuelle Themenkomplexe unserer Gegenwart wie Migration, Globalisierung, Konflikte oder Emotionen anzuknüpfen. Dabei stellen die Künstler mit ihren Werken stets einen Bezug zu den unterschiedlichen kulturellen und religiösen Kontexten her.