Wer bei Brasil Brasileiro in der Kölner Philharmonie eine bunte Karnevalsshow mit leichtbekleideten Samba-Tänzerinnen in bunten Glitter-Feder-Outfits erwartet hatte, wurde vielleicht enttäuscht. Regisseur Claudio Segovia hat es sich mit seiner opulenten Show aus Tanz, Gesang und Musik zum Ziel gesetzt, den echten Samba und den echten Karneval Rio de Janeiros zu zeigen, wie er auf den Straßen, in den Garagen und am Strand ganz ohne aufwendig gestaltete Umzugswagen zelebriert wird: Die Menschen tanzen spontan, aus reiner Freude und mit viel Improvisationsgeschick. Und genau dieses Lebensgefühl vermag Brasil Brasileiro zu transportieren, wenn auch die knapp 40 Tänzer, Sänger und Musiker zum größten Teil hochprofessionelle Künstler sind. Alle strahlen und zwinkern sie um die Wette, die Freude am Tanzen nimmt man ihnen trotz aller Perfektion und Körperbeherrschung ab.
Der Samba ist zugleich Musikrichtung, Gesang und Tanzstil mit gut 100 Unterarten - von folkloristisch-afrikanisch anmutenden Rhythmen über melancholischen Fadogesang bis zum modernen Samba-Funk. Auf diese Reise durch die Geschichte des Samba nimmt uns die Show in 2,5 Stunden mit. Highlights des Abends sind eine akrobatische Capoeira-Einlage oder die komödiantisch-ironischen Paar- und Gruppentänze im Stil des Maxixe, des "brasilianischen Tangos". Zumeist mittendrin dabei ist Brasiliens bekanntester Straßenkehrer Renato Sorriso, der "nebenberuflich" als Stepptänzer für Furore sorgt. Charmant und gleichzeitig ein wenig gaunerhaft fegt er im weißen Anzug, mit Hut und roter Krawatte beim Schattenspiel über die Bühne - in der Figur des "Malandro" (zu deutsch etwa "Schuft"), der sich als brasilianischer Antiheld einer gewissen Beliebtheit erfreut.
Und immer wieder interessant zu sehen: Samba ist natürlich viel Popowackeln, viel erotische Anspielungen, das Werben um die Frauen. Aber immer auch mit einem Augenzwinkern, Humor und Ironie. Es folgt ein Karnevalsmarsch, die "Marchinha de Carnaval", eine tänzerische Militärmarschparodie im Fitnessoutfit. Die Show gipfelt schließlich in einem wilden Percussion-Finale, angeführt vom unter die Haut gehenden durchdringenden Rhythmus der Surdo-Trommeln, dem wohl typischsten, lautesten und wichtigsten Instrument des Straßenkarnevals.
Vom ersten leisen Ton bis zum lauten großen Trommel-Finale vermittelt das Ensemble die unterschiedlichsten Spielarten des Samba, aber auch unbändige Lebensfreude und das Lebensgefühl Brasiliens. "Wer Samba nicht mag, ist kein guter Kerl. Entweder hat er sie nicht mehr alle, oder er ist fußkrank": Dieses Zitat von Dorival Caymmi wäre ein guter Kandidat, brasilianisches Nationalsprichwort zu werden. Weitere Auftritte folgen noch bis zum 3. September in München, Leipzig und Frankfurt!