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Moonbeam: "Wir können nirgendwo hin!"

Ein leeres Haus wird künstlerischer Buntort. Zwar nur für ein Wochenende, doch das sind drei Tage mehr als in der Stadt üblich. Der Wettbewerbsvorteil von „Moonbeam“ lautet: Unbürokratie. 
Man kann sagen, es ist nicht der Rede wert: Ein junges Mädchen hat Geburtstag und eigene Ideen zum Feiern. Es lädt seine Freunde ein und die machen dann eben, was sie gerne tun, und Mama, Papa, Oma, Opa kommen auch mal rum. Drei Tage, aber warum nicht, und ansonsten: ja und? Aber Luna Völker wollte lieber mehr als Torte, Bier und Lustigsein und dachte sich „Ich schenke mir ein Kunst-Event – und allen anderen auch.“ Am Ende gibt es „Moonbeam“, das von außen aussieht wie eine Pop-Up-Ausstellung, ein Netzwerktreffen, eine Werksschau, von innen aber eine ganz andere Geschichte erzählt. Samstagabend, Stimmungshoch. Viele Menschen sind gekommen, vor allem viele junge. Es ist ein bisschen laut im Wohnviertel Helmstraße, aber nicht sehr, und außerdem um 20 Uhr zu Ende. Man möchte keinen Ärger, sondern Begegnung, keinen Krawall, sondern Öffnung. Ein Angebot zum Vorbeischneien. Wer das tut, der sieht ein großes, altes und vor allem ramponiertes Wohnhaus, dem bunte Menschen Farbe aufs alte Antlitz geschminkt haben, rotgelbblaue Fröhlichkeit, die wohlwollend auf den Hof hinunterlächelt. Da sind Hocker und alte Sofas und ein Stück Garten, das jetzt eine Bühne ist für Bands und DJs. Ein verwittertes Garagentor, das jetzt ein wunderschöner Häuptling ist mit Federschmuck aus sprühgedostem Pinselstrich. Work in Progress, der Künstler Caploart malt sukzessive weiter. Wenn das Kunstwerk fertig ist, wird es beinahe schon wieder abgerissen. So wie das ganze Haus. Deswegen haben sie es bekommen, geliehen. Luna Völker, die Malerin. Und die Schneiderin Magdalena Langner, der Fotograf Isaiah Koranchie, der Maler Tobias Töpfer. Zehn Kunstschaffende aus Nürnberg und der Region, die sich das alte Haus vorgenommen haben, es verschluckt. Wände bemalt und Rasenteppich verlegt, sakral in Szene gesetzt und weltlich ausgeleuchtet, Treppenhäuser umfunktioniert und Badezimmer auch und Leben reingebracht in die alte Bude. Weil, sagt Luna Völker, „sie sich zeigen wollen“, weil es darum geht, zu netzwerken, darum, dass die freie Szene zusammenhält, weil „in Nürnberg nichts geht, es wird immer schlimmer. Wir werden gegangen statt unterstützt. Und dann wundert man sich, dass in Berlin alles irgendwie cooler ist und in Leipzig.“ Weil sie, beklagt die 22-Jährige, „nirgendwo hin können“. Raus aus AEG, die Quelle-Chance verpasst. Städtischer Leerstand werde zu selten zur unbürokratischen Nutzung freigegeben, über vorhandene Flächen lang und kompliziert diskutiert statt die Künstlerinnen und Künstler „einfach mal machen zu lassen“, derweil diese „auch sonst langsam von den Flächen der Innenstadt vertrieben werden“, wie es bei „Moonbeam“ heißt, dessen Protagonistinnen und Protagonisten nicht nur am eigenen AEG-Leib erfahren, wie sich das mit der künstlerischen Heimatlosigkeit anfühlt, sondern ganz aktuell auch die Zeit im liebgewonnen Zwischennutzungsumfeld am Neutorgraben ein Ende findet: der „Bildungspark“, ein ehemaliges Bürogebäude. 800 qm² Fläche „mit dem Wissen und Wollen des Immobilienentwicklers“, so Mieter Peter Dütsch, dank sehr geringer Mieten ein Ort für Künstler und junge Menschen, Ateliers und Begegnungsfläche. Zwischennutz, einfach mal machen lassen. Vier Jahre lang „konnten Künstler diesen kostenlos für ihre Ateliers und Kunstaustellungen nutzen. Teilweise hatten Straßenkünstler dadurch ein temporäres Zuhause“, so Dr. Ulrich Liebe von Liebe & Partner. „Der große Gewinn neben der Entwicklung der Künstler ist die weite Vernetzung die sie sowohl in ihren Schaffensbereichen als auch durch Querverbindungen in die gesamte Kunstszene erfahren haben.“ Das Ergebnis dieses Prozesses sei die PopUp-Ausstellung einerseits, andererseits die Erkenntnis, dass Leerstand wie aktuell das ehemalige Schöller-Gelände notfalls auch durch entsprechende Gesetzesinitiative zur kulturellen Zwischennutzung bereitgestellt werden solle. „Es würde mich freuen, wenn andere Bauträger und Immobilienbesitzer leerstehende Wohnanlagen nicht etablierten Künstlern zur Verfügung stellen würden“, sagt Dr. Ulrich Liebe. „Private Hauseigentümer oder Firmen können dies sowohl einfacher als auch schneller, da die Entscheidungswege kürzer sind.“ Wie’s auch ganz leicht gehen kann? Reden, erzählt Luna Völker. Zwei Wochen vom Initialgespräch mit besagtem Entwickler, dem einfällt, dass er ja noch dieses Abrisshaus herumstehen hat. Das bisschen Strom wird übernommen, nur fließend Wasser, Toiletten sind schon weg – nicht so gegenüber im Restaurant Paradies, das bereitwillig sanitäre Schützenhilfe leistet. „Supernett“, sagt Luna Völker. Und supereinfach.