1 subscription and 4 subscribers
Article

Abnehmen mit Verstand - Diäten im Check

Es ist so sicher wie das Amen in der Kirche: Zeitgleich mit den ersten Blütenknospen sprießen auch die Ratgeber in den Blick, die laut vom heiligen Gral künden und davon, das einzig wahre Erfolgsrezept für die Suche nach dem selben zu besitzen. Doch wie auch bei der mittelalterlichen Begehrensfigur handelt es sich bei der des „idealen Körpers“ um einen legendenumrankten Begriff, den es stetig neu zu definieren gibt – vor allem für sich selbst – und den zu erreichen selten ein schneller Weg zu gehen ist. Dabei geht es eigentlich um sehr viel mehr als erfundene Richtwerte und frei erfundene Vorbildsmodelle. Nämlich Gesundheit. Das weiß auch Julia Böhm nachdrücklich zu bestätigen: „Bei einem BMI über 30 steigt das Risiko für bestimmte Erkrankungen“, so die Versorgungs- und Ernährungsmanagerin, die in der Abteilung für Ernährungsberatung und Oecotrophologie des Klinikum Nürnberg über die Diätpläne der Patienten wacht sowie Sprechstunden für stationäre und ambulante Ernährungsberatung anbietet. Stoffwechselstörungen, Bluthochdruck, Schlafapnoe – „eine Gewichtsabnahme kann diese Erkrankungen spürbar reduzieren oder gar heilen“, sagt Julia Böhm. Was aber, wenn mein BMI - Körpergewicht : (Körpergröße in m)2 – über 30 liegt, ich mich aber fit fühle? „Nicht verunsichern lassen!“ Wichtiger nämlich ist das sogenannte „Fettverteilungsmuster“: Im Gegensatz zur ungefährlichen, bei Frauen verbreiteten „Birnenform“ lagern sich bei der „Apfelform“ Fette im Bauchraum und den Organen an. Auch kann der BMI-Wert bei sportlichen Menschen durch die schwerere Muskelmasse beeinflusst werden.

Fühle ich mich aber unwohl oder gar krank, so gilt es, mit sich selbst ins Gericht zu gehen: „Zu wenig Bewegung und zu viel essen“ sind und bleiben Hauptursachen von Übergewicht, die sich vergleichsweise einfach beseitigen lassen – Treppensteigen, das Auto auf dem hintersten Parkplatz abstellen, zur Bahnstation laufen und Essen auf kleinen Tellern in faustgroßen Portionen anrichten, damit sei schon viel geholfen, so Julia Böhm, denn die meisten Menschen „sind sich überhaupt nicht im Klaren darüber wie viel sie essen.“ Weiters gelten alle Regeln, die viel weniger bekannt sind, als sie sein sollten: Auf kalorienreiche Getränke (Limo, Cola & Co.) verzichten, Saft nur als Schorle 1:4, denn „flüssige Kalorien machen nicht satt“. Also lieber einsparen und dafür essen. Alle Arten von Zucker reduzieren, ungesättigte Fettsäuren (Pflanzen, Fisch) den gesättigten (tierischen) vorziehen, Weißmehl durch Vollkorn ersetzen, denn das hat mehr wertvolle Bestandteile, sättigt langanhaltend und ist gut für den Darm.

Die Mahlzeitenhäufigkeit muss für jeden individuell festgelegt werden; generell gilt „nicht snacken“, keine Süßigkeitenvorräte vorhalten, keine Fertigprodukte, sondern „Lebensmittel immer so unverarbeitet wie möglich“ genießen, nicht hungern, sondern „sich auch mal was gönnen“, sagt Julia Böhm, denn „sich immer alles verbieten macht unglücklich – man braucht eine Ernährungsweise, die auch zum Leben passt.“ Weil sich aber viele Menschen damit schwer tun, in allzugroßer Entscheidungsfreiheit die ideale Ernährung für sich zu ermitteln, gibt es abgesehen von unzähligen, wenig seriösen Heilsversprechen ein paar Anleitungen, die sich ganz aktuell oder in jüngerer Vergangenheit etabliert haben. Paleo, Intervall und Keto – wir stellen Ihnen zusammen mit Julia Böhm die gängigsten Diäten vor. Doch Achtung, für fast alle gilt: Vor Beginn der Ernährungsumstellung den Arzt aufsuchen und die Eignung individuell klären!


Paleo: Fleisch, Fisch, Eier, Gemüse, Obst – was auch immer der „Steinzeitmensch“ mutmaßlich finden konnte, ist bei dieser Ernährungsweise erlaubt. Getreide, Milch, Pflanzenöle, Zucker, generell jedes verarbeitete Lebensmittel tabu. „Ganz generell taugt diese Diät nur, wenn man dazu auch weniger isst“, mein Julia Böhm. Wegen der Fleischlastigkeit müsse zudem auf bspw. Harnwerte geachtet werden, die für Gicht verantwortlich sind, sowie unbedingt darauf, verschiedene Gemüsen zu konsumieren. Entgegen der Diätanweisung sollen unbedingt Pflanzenöle konsumiert werden, um die ausreichende Versorgung mit ungesättigten Fettsäuren zu gewährleisten. Nicht geeignet ist Paleo für Kinder und alte Menschen, da mit dem Verzicht auf Milch und Milchprodukte eine Calciumquelle wegfällt und sich negativ auf den Knochenbau auswirkt. Generell gilt: Unverarbeitete Lebensmittel sind begrüßenswert – „die steinzeitliche Ernährung“ gibt es nicht!
Mittelmeerdiät: Gemüse, Hülsenfrüchte, Fisch und wenig Fleisch, dazu Olivenöl, Knoblauch und Brot – Italiener, Spanier und Griechen sind alle glücklich, gesund und leben am Strand. Das stimmt natürlich nicht. Aber „die Mittelmeerdiät bietet eine gute Auswahl an Lebensmitteln und alles, was man braucht“, so Julia Böhm. Problematisch sei jedoch, dass es „keine richtigen Vorgaben“ gäbe und man sich hier vor allem streng daran halten müsse, prinzipiell „weniger zu essen“ und wie überall auf qualitativ hochwertige Lebensmittel zurückzugreifen. FDH („Friss die Hälfte!“) ist prinzipiell eine gute Faustregel.
Intervallfasten: Derzeit in aller Munde: Dem Körper durch Phasen der Entbehrung Gelegenheit geben, von Energiereserven zu zehren und sich zu regenerieren. Das soll erreicht werden durch die Methoden 5:2 (5 Tage Essen, 2 Tage Fasten) oder 16:8 (16 Stunden Fasten, 8 Stunden Essen à 2 Mahlzeiten). Letzteres sei, meint Julia Böhm, besser, weil „vor allem alltagstauglicher“. Ein weitverbreitere Irrglaube aber sei es, in den acht Stunden zu essen, was man grade wolle, denn „natürlich muss man auch hier auf die Zusammensetzung der Mahlzeiten achten“ und nicht in Pizza, Pasta & Co. schwelgen. Gar nicht geeignet ist Intervall für Senioren, Kinder, Jugendliche, Schwangere und Stillende, denn die sollen nicht hungern. Aber „für viele eine geeignete Methode zum Abnehmen.“
Clean Eating: Hier steht die Naturbelassenheit im Vordergrund. Saisonales und Regionales wird möglichst frisch und gesund zubereitet, „was das Nährstoffpotential komplett ausschöpft“, so Julia Böhm. Komplexe Kohlehydrate (z. B. Vollkornreis), Eiweiß, viel frisches Obst und Gemüse, gute Fette. Problematisch hier: Man muss alles Essen vorbereiten und mitnehmen, beispielsweise zum Job, widersteht dadurch aber auch vielleicht Versuchungen besser. Wichtig auch hier: „Iss dich satt“ bedeutet nicht „Iss so lange, bis du nicht mehr kannst und schlafen musst“, sondern „wie du dich wohlfühlst und aktiv sein kannst“!
Keto: Die Extremform des allseits beliebten LowCarb und „unbedingt unter ärztlicher Aufsicht“ durchzuführen, so Julia Böhm. Keto verbietet nahezu jegliches Kohlenhydrat, also nicht nur Brot, Pasta und Müsli, sondern auch Obst, Erbsen oder Karotten! Dafür gibt es Fleisch, Fisch, Milchprodukte oder bestimmte Gemüsen satt. Erreicht werden soll hier vor allem ein gleichbleibend niedriger Insulinspiegel und damit die Vermeidung von Heißhungerattacken. Die Ernährungsweise biete, so Julia Böhm, zu wenig Ballaststoffe und berge dafür die Gefahr, zu viele tierische Produkte, also z. B. gesättigte Fettsäuren und Proteine zu sich zu nehmen. „Gut umsetzbar, aber evtl. nicht für lange“, meint die Ernährungsberaterin: „Kohlenhydrate gehören einfach zu unserer Ernährung – diese extreme Einschränkung finde ich unnötig.“