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Urban Easter Eggs

Dass man bei vier mannshohen Styroporeiern, die seit vergangenem Freitag im Nürnberger Hauptbahnhof bestaunt werden können, nicht direkt von „Easter Eggs“, also „versteckten Besonderheiten“, sprechen kann, dürfte wohl auf der Hand liegen. Ob die Deutsche Bahn, in deren Auftrag vier Nürnberger Künstler die Eier für das Osterprojekt „Urban Easter Eggs“ gestalteten, in der Aktion einen Hintergedanken verborgen hat?


Sie sind fast zwei Meter groß, sehr bunt und ziemlich unösterlich. Vier überdimensionale Styropor-Eier zieren, hübsch aufgesockelt und hinter Glas verpackt, noch bis einschließlich 6. April jeweils eine Halle sowie die Galerie des Nürnberger Hauptbahnhofs. Eine eher unübliche Kunstaktion für den Ort, dem Nadja Hetz eine „neue, peppige und moderne Dekoration“ verabreichen wollte. Die Werbereferentin des Nürnberg Hauptbahnhofs hatte die Eier in Berlin entdeckt und befunden, dass sich hieraus eine gute Gelegenheit ergeben könnte, dem Bahnhof einmal eine andere Osteraktion angedeihen lassen zu können statt der klassischen Verteilung von Eiern an Passanten. So kam es, dass parallel zur gleichlautenden Aktion in München auch bei uns echte Oster-Kunst präsentiert wird. Und die wird nicht von irgendwem bespielt, sondern von Graffiti-Künstlern – ausgerechnet. „Ein sehr interessantes Projekt realisieren“ konnten Carlos Lorente und mit Sven Küstner, Mario Leischke, Cris Krieger sowie Hannah Rabenstein vier weitere Beteiligte des Netzwerkes Deutschlands einziger Graffiti-Akademie „Style Scouts“. Nicht nur der in der Szene eher unübliche Untergrund, sondern auch die Dreidimensionalität seien eine spannende Herausforderung gewesen, der sich die Künstler nur zu gern stellten. Dabei herausgekommen sind vier so unterschiedliche wie prächtige Werke: keinerlei Vorgaben, stattdessen authentische Graffitis, die den individuellen Stil zwischen urbanen Typographien und Techniken widerspiegeln. So bedient Sven Küstner klare geometrische Ansprüche, in denen er mit derben „Tags“ typische Akzente setzt, während Mario Leischke und Carlos Lorente klassische Elemente mit Bildzitaten der Graffiti-Geschichte mischen: Wer den grünen „Lizard“ findet, hat die 1975 verstorbene New Yorker Graffiti-Ikone Vaughn Bodé gefunden. Ganz anders, weil fotorealistisch-verträumt hingegen hat Cris Krieger sein Ei in gut acht Stunden gestaltet: als gigantische Magnolienknospe, die Handlettering-Lady Hannah Rabenstein mit passenden Worten versehen hat. „Besonders spannend ist für uns“, so Style Scout Carlos Lorente, „dass es sich mit dem Hauptbahnhof um einen Ort handelt, an dem Graffiti traditionell eher nicht erwünscht ist.“ Tatsächlich handelt es sich bei der Verbindung „Bahn und Sprüher“ weltweit um eine eher unharmonische Liaison. Kann es einen Neuanfang, ein Happy End gar geben? „Die ausgewählten Künstler sind sehr bekannt in der Region, machen ihre Arbeit richtig“, findet Nadja Hetz. „Urban Easter Eggs ist ein Zeichen dafür, wie gut es funktionieren kann, zusammenzuarbeiten und etwas schön zu gestalten.“ Also künftig offiziell statt kriminell? „Es wäre toll, wenn das ein Anstoß für eine Kooperation sein könnte“, so Hetz. Beispielsweise graue Lärmschutzwände wie zwischen Nürnberg und Fürth zu den Städten passend schön zu gestalten, würde sie „in Absprache begrüßen“. Lorente sieht das ähnlich: „Ich würde mir wünschen, dass die Aktion zu einem breiteren Verständnis unserer Kunstform führt, die wiederum in mehr verfügbaren Freiflächen mündet.“ Also beispielsweise triste Wände oder Brücken, die „man mit tollen Graffitis aufwertet.“ Alles in allem also doch ein durch und durch echtes „Urban Easter Egg“.


„Urban Easter Eggs – Graffitikunst im Hauptbahnhof Nürnberg“, 16. März bis 6. April, West- & Osthalle, Galerie & östl. Längshalle, Eintritt frei; einkaufsbahnhof.de, stylescouts.de