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Geflüchteten Frauen droht Gewalt und Menschenhandel

Frauen sind auf der Flucht einem erhöhten Risiko sexueller Gewalt ausgesetzt. Quelle: Reuters

Frauen und ihre Kinder auf der Flucht, Bilder voller Leid und Verzweiflung: Sie fliehen vor der russischen Invasion - auch nach Deutschland. Die Hilfsbereitschaft ist groß. Doch Flüchtlingshelfer*innen berichten auch von sexueller Gewalt gegenüber den geflüchteten Frauen.


Es sind Berichte wie der von Maria Azzarone, Flüchtlingshelferin in Stuttgart: "Auf Facebook hat z.B. ein Mann eine Frau sexuell belästigt", berichtet Azzarone. "Die Geflüchtete aus der Ukraine suchte eine Unterkunft, der Mann wollte dafür 3.000 Euro von ihr."


Chris Melzer hat die letzten 15 Tagen an der ukrainisch-polnischen Grenze verbracht. Die Mehrheit der Flüchtlinge aus der Ukraine seien Frauen und Kinder. "Das typische Bild, das ich sehe, ist tatsächlich eine Frau, die auf dem linken Arm ein kleines Mädchen hat, in der rechten Hand einen kleinen Jungen und dann vielleicht noch einen Koffer hinter sich herzieht", erzählt Melzer vom Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen.


Gerade Frauen und Mädchen seien auf der Flucht einem erhöhten Risiko geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt, seien laut UNHCR anfälliger für Ausbeutung und Missbrauch, einschließlich Menschenhandel. "Ich habe schon an vielen Orten der Welt für UNHCR in Flüchtlingssituationen gearbeitet und leider ist es immer das gleiche Problem, dass es immer auch sexualisierte Gewalt gibt", stellt Melzer fest.


Auch Tamara Barnett von der britischen Wohlfahrtsorganisation Human Trafficking Foundation sagt, dass bei einer derartigen rapiden Massenvertreibung von Menschen potenziell eine Katastrophe vorprogrammiert sei. "Wenn du plötzlich eine große Gruppe von wirklich verwundbaren Leuten hast, die unmittelbar Geld und Unterstützung brauchen, ist das eine Art Brutstätte für ausbeuterische Situationen und sexuelle Ausnutzung", sagt sie. "Als ich all diese Freiwilligen sah, die ihnen Wohnungen anboten ... das hat bei mir Sorge ausgelöst."


Millionen Frauen und Kinder sind vor der russischen Invasion aus der Ukraine geflohen, und Hilfsorganisationen sowie zuständige Behörden sorgen sich, wie man sie vor Menschenhandel oder anderen Formen von Missbrauch schützen kann. Sie befänden sich in einer Lage, "nach der Leute wie Menschenhändler Ausschau halten, um sie auszunutzen", sagt Joung-ah Ghedini-Williams, Chefin für globale Kommunikation beim UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge, die Grenzen in Rumänien, Polen und Moldau besucht hat.

Die Flüchtlingshelferin Julia Melnyk stammt selbst aus der Ukraine. Ihre Familie ist noch in ihrer Heimatstadt Cherson. Die ukrainische Großstadt ist mittlerweile vollständig unter der Kontrolle der russischen Truppen. "Jeder, der versucht aus der Stadt rauszufahren, wird von russischen Soldaten erschossen", erzählt Melnyk.


Nachdem sie darüber öffentlich berichtete, bekam sie ein Angebot von einem Mann. Er könnte ihre Familie mit gepanzerten Autos aus der Ukraine evakuieren, schlug er vor, sendete ihr sogar einen Link zu seiner Website, legte Zertifikate vor, die seine Glaubwürdigkeit unterstreichen sollten.


Doch sie ließ die Website durch Rechtsanwälte prüfen. "Die haben festgestellt, dass die Organisation gar nicht existiert. Es handelte sich um Betrüger oder sogar Menschenhandel".


Schutzmaßnahmen für geflüchtete Frauen und Kinder

Es sei nicht einfach, die Frauen zu schützen, stellt Melzer vom UNHCR fest. Doch es gebe verschiedene Maßnahmen, die auch jetzt im Russland-Ukraine-Krieg Anwendung finden sollen.


Für den Schutz der Geflüchteten brauche es:

separate Räume für Frauen und ihre Kinder
 Ermittlungen bei Verdachtsfällen seitens der Behörden
 niedrigschwellige psychologische Hilfsangebote.

Die Fachberatungsstelle "Jadwiga" hilft seit Jahrzehnten Opfern von Menschenhandel und Zwangsprostitution. Um die Frauen und Kinder vor einer möglichen Ausbeutung zu warnen, verteile der Fachverband an Bahnhöfen, in Beratungsstellen und in Unterkünften Flyer auf Ukrainisch, Englisch und Deutsch, stellt Jadwiga-Leiterin Monika Cissek-Evans gegenüber ZDFheute fest. "Die Frauen müssen auf ihren Pass und ihr Telefon aufpassen, Namen und Adresse von Gastgebern notieren und auch Frauen nicht blind vertrauen - Menschenhändler sind nicht nur Männer."


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