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Anmut für alle: Wie Ballett die Mode beeinflusst

Bild: PICTURE ALLIANCE

Wer sich für Mode und Ballett interessiert, konn­te in letzter Zeit gewisse Ähnlichkeiten feststellen: Der Anblick mancher Kostüme, in denen Ensembles in dieser Spielzeit tanzten, erinnert an Kollektionen einiger Modelabels - und umgekehrt. Lange, fließende Tüllröcke, Korsagen und locker sitzende Hosen, Nude- und Erd­töne waren auf Bühnen zu sehen, etwa in „Giselle" an der Deutschen Oper am Rhein. Während der Couture-Woche Anfang dieses Monats in Paris posierte Florence Pugh am Rande der Valen­tino-Schau in einem langen, hauchdünn flatternden Kleid, das auch als Requisite in eine Ballettinszenierung gepasst hätte. In der aktuellen Sommerkollektion von Acne Studios wirken die Stoffe so geschmeidig, als würden sie auch ein Penché mitmachen; beim ukrainischen Label Bobkova erinnern klare Silhou­etten in Pastelltönen und Schwarz an Kostüme modernen Balletts.

Ballettcore auf Tiktok

Inspiration findet sich auch jenseits der Bühne: Wenn sich Olivia MacKinnon, Solistin des New York City Ballet, auf Instagram in Trainingsoutfits zeigt, dürfen die obligatorischen Beinwärmer nicht fehlen. Auch bei Chanel und Fendi waren schon Stulpen zu sehen. Und natürlich bei Miu Miu, wo sie zu Ballerinas kombiniert werden, die fast wie echte Ballettschuhe anmuten. Das italienische Label hat die aktuelle Begeisterung maßgeblich befeuert, die auf Tiktok und Instagram als Balletcore mit Hashtags und Herzchen bedacht wird.

Aber, denken Kenner der Tanz- und der hohen Schneiderkunst nun vielleicht, das ist doch gar nichts Neues: Die Mode lässt sich seit Jahrhunderten vom Ballett inspirieren. Eine regelrechte „Balletomania" löste das Début von Sergei Djagilews Kompagnie „Ballets Russes" 1909 in Paris aus, heißt es im Begleitwort der Ausstellung „Ballerina: Fashion's Modern Muse", die das Museum des Fashion Institute of Technology in New York 2020 zeigte. Immer wieder fanden große Namen aus Mode und Tanz zusammen: Djagilew und Chanel, Claire McCardell und Capezio, das Ballet de Monte Carlo und Karl Lagerfeld, Maria Grazia Chiuri und das Teatro dell'Opera di Roma.


Jetzt ist die Liebe zwischen Ballett und Mode wieder allgegenwärtig. Aber diesmal kommt sie anders daher. Schlichter, pragmatischer, lässiger, mit fließenden Silhouetten statt steifen Tutus, mit locker fallenden Haaren statt Krönchen über dem strengen Dutt. Diese leise Reminiszenz klingt auch in der aktuellen Sommerkollektion des Labels Bobkova an: „Klassische Ballett-Farben und Silhouetten gehören zu den Bestsellern der Kollektion", sagt Kristina Bobkova, die ihr Label vor 23 Jahren gründete. Vor allem ihr schwarzes „Tutu dress" sei ein großer Erfolg. Wer nun an fluffig gerüschte Lagen aus Tüll denkt, irrt: Das schlichte, langärmlige Oberteil erinnert an ein Ballett-Trikot, von der tiefen Taille fällt ein knöchellanger Rock in zwei fließenden Schichten. Besonders oft, so die Designerin, werde der Entwurf mit flachen Ballerinas getragen.


Sie sind die entspannte und gleichermaßen elegante Variante zu High Heels. Komfort ist seit den pandemie-bedingten Lockdowns in der Mode wichtiger denn je. Nicht nur Ballerinas bieten ihn: Korsagen werden eher angedeutet, als den Körper einzuschnüren; Hosen aus Satin und leichten Stoffen laufen festen Denim-Stoffen immer öfter den Rang ab. Ballettkleidung muss locker und dehnbar sein. Nur so kann sie dem Körper Raum bieten, sich anmutig und frei bewegen zu können. Das passt zu den neuen Ansprüchen.

Gleichzeitig hat die zwischen hartem Training und scheinbar mühelosen Auftritten mäandernde Welt des Balletts etwas Eskapistisches - und Nostalgisches, zumindest für alle, die selbst mal im Ballettsaal standen oder mit professionellem Tanz in Berührung gekommen sind. 


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