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Ausstellung in Hamburg: Alle für den Katz

Ausstellung in Hamburg: Alle für den Katz

Kompromisslos heben sich tiefschwarze Linien vom weißen Hintergrund ab, plakative Flächen statt zarter Schattierungen dominieren die Szene. Dennoch wirkt die Siebdruckserie „Shopping Crowd“ von Alex Katz wie ein flüchtiger Schnappschuss, voller Leben und Bewegung. Der bevorstehende Einkaufsrausch wirkt fast greifbar nahe: Da ist die fokussierte Profi-Shopperin, die
ihren Blick schon auf imaginäre Schaufenster zu richten scheint. Da ist ihre Begleiterin, die lachend den Betrachter anschaut und an bewundernden Blicken anderer offenbar mindestens so viel Freude hat wie am eigenen Einkauf. Und da ist die junge Frau mit dem hellen, locker über den schwarzen Oversize-Mantel fallenden Haar, die das Geschehen mit leisem Lächeln beobachtet.

„Shopping Crowd“ ist das Herzstück der am 18. Januar eröffneten Ausstellung „Black & White“ in der Barlach Halle K am Klosterwall – und ein gutes Beispiel für die Vielseitigkeit und Brillanz von Katz. Scheinbar mühelos fegt der mittlerweile 90-jährige New Yorker vermeintliche Widersprüche beiseite: Seine Druckgrafiken erscheinen auf den ersten Blick simpel, fast oberflächlich, entfalten beim genauen Hinsehen aber eine ungeahnte Vielschichtigkeit. Ein ja grad sehr aktueller Subkontext. Meist verzichtet Katz auf farbliche Zwischentöne und somit auch auf technische Bildtiefe. Der inhaltlichen und atmosphärischen Tiefe tut das aber keinen Abbruch.

Das zeigen allein die über 250 Porträts seiner Frau und Muse Ada, mit der er seit fast 60 Jahren verheiratet ist, oder seine berühmten bunten Gemälde wie „Ulla in Black Hat“. Und auch eine zunächst plakativ anmutende Druckgrafik wie „Shopping Crowd“ erweist sich als präzises Abbild unterschiedlicher Charaktere. Momentaufnahmen aus dem New Yorker Stadtleben, schöne Frauen und die Landschaft von Maine, wo Katz die Sommermonate verbringt, sind seine Lieblingsmotive. Das Publikum feiert ihn dafür seit Jahrzehnten. Auf über 200 Solo- und rund 500 Gruppenausstellungen weltweit blickt er zurück, Fans posieren auf Instagram vor seinen Gemälden, Druckgrafiken und Skulpturen, er ist ein Idol für Nachwuchskünstler und gilt auch jungen Bewunderern als „King of Cool“.

Das überrascht nicht, wenn man dem so Gepriesenen zuhört: „Na ja, ich glaube, die Leute mögen die Einfachheit meiner Bilder“, sagt er ganz unprätentiös mit tiefer, noch immer kräftiger Stimme. Katz ist tatsächlich cool: Mit Ernst, aber ohne Pathos, selbstbewusst und ganz gelassen erklärt er am Telefon seinen überaus erfolgreichen Stil: „Wenn ich Menschen male und zeichne, dann will ich den Betrachtern nicht etwas über die Person auf dem Bild erzählen oder sie analysieren – so wie viele andere Künstler. Ich zeige einfach, was ich sehe.“

Auch technisch bezog er schon früh Position: „Als in der Nachkriegszeit die Abstraktion und der abstrakte Expressionismus allgegenwärtig waren, verschrieb sich Katz der figurativen Malerei“, erklärt der Kunsthistoriker und Kurator Oliver Orest Tschirky, der Katz’ Arbeiten schon als Jugendlicher bewunderte und sie später als Vizedirektor der Art Basel als Publikumsmagneten erlebte. Für den Boom der figurativen Malerei und später auch der Leipziger Schule ab den 70er-Jahren sei Katz ein visionärer Vorreiter gewesen. Gerade die „Black & White“-Ausstellung, die 2016 in Washington Premiere feierte, zeige die Essenz des Schaffens von Katz, findet Tschirky: „Die formale Reduktion, mit der Katz die Individualität seiner Motive betont, wird in seinen Druckgrafiken besonders deutlich.“

Katz bringe den Betrachter dazu, seine Bilder vor dem inneren Auge zum Leben zu erwecken. Der Künstler selbst spricht ebenfalls begeistert über die Ausstellung: „Das ist wirklich eine große Sache. Wissen Sie, meine bunten Werke werden oft gezeigt, gerade in den USA – das Publikum hier mag es gerne bunt. Meine Arbeiten in Schwarz-Weiß sprechen auch andere Menschen an.“ Auch Birgit Schimming weiß, wie wichtig Katz seine Druckgrafiken sind. Deshalb holte sie, deren Galerie in Harvestehude seit 2003 zum festen Bestandteil der hanseatischen Kunstszene gehört, die „Black & White“-Ausstellung nach Hamburg. „In seinen SchwarzWeiß-Porträts treibt er die Reduktion auf die Spitze und macht trotzdem den Charakter einer jeden Person sichtbar“, sagt Schimming über die Exponate, die zum ersten Mal in dieser Zusammenstellung in Europa zu sehen sind.

Um die ganze Bandbreite von Katz’ Werk zu zeigen, findet in der Galerie Schimming parallel zur „Black & White“-Schau in der Barlach Halle K die Alex-Katz-Ausstellung „In Color“ mit großformatigen und farbigen Unikaten statt. Katz’ Kunst regt die Fantasie an, verstörend ist sie jedoch nicht. Er setzt auf klassische Schönheitsideale und zeitlose Ästhetik.

Das lockt auch Auftraggeber an, die seit jeher die breite Masse ansprechen. 2015 gestaltete der König der Coolness für das New Yorker Luxuskaufhaus Barney’s nicht nur Geschirr, Servietten und Kissen, sondern auch das Schaufenster des Shoppingtempels an der Madison Avenue – ausschließlich in Schwarz-Weiß. Ein Teil der Einnahmen ging an den „Art Production Fund“, eine Initiative, die neue Zielgruppen an Kunst heranführen möchte. Das passt zu jener Überzeugung, der Katz seit Beginn seiner Karriere folgt: „Kunst gehört allen. Die Idee, dass nur bestimmte, elitäre Kreise Zugang zu ihr haben sollen, gefiel mir noch nie.“

Bereits 1977 versah er den Times Square mit einem gigantischen Gemälde, das 23 Frauen zeigte. Drei Jahrzehnte später fuhren 160 Taxen nicht mit den obligatorischen Werbeschildern, sondern mit Kunst von Alex Katz auf dem Dach durch New York. Und 2016 tat er sich, als zweiter namhafter Künstler nach Jeff Koons, mit H&M zusammen und entwarf für den schwedischen Modegiganten die „Fashion Loves Art Collection“, zu der Kleider und Wohn-Accessoires mit typischen Katz-Motiven gehörten. Für Oliver Orest Tschirky sind solche Kooperationen nicht problematisch, solange das künstlerische Werk unabhängig bleibt: „Zeitgeist, Mode und kühle Ästhetik prägen das gesamten Werk von Katz.“

Wie sehr die Kunst von Katz dem Zeitgeist entspricht, zeigte sich gerade erst auf der Art Basel in Miami. Dort wurde sein Gemälde „CK 21“, das ein Model in schwarzer Calvin-Klein-Unterwäsche zeigt, für eine halbe Million Dollar verkauft. Mode ist aus Katz’ Werk nicht mehr wegzudenken: Seit den 80erJahren porträtiert er Branchengrößen wie Anna Wintour, Chefin der US„Vogue“, und Models wie Kate Moss und Christy Turlington. Liebe auf den ersten Blick war es nicht zwischen ihm und dieser schillernden Branche, erzählt Katz: „Anfangs hat mich Mode überhaupt nicht interessiert, weil sie so vergänglich ist. Aber dann verstand ich, dass sie in einer ganz natürlichen Beziehung zu meiner Kunst steht: Ich versuche, in der unmittelbaren Gegenwart zu malen. Und in genau der spielt sich auch die Mode ab.“

Gerade in seiner Heimatstadt New York geben sich Designer, Hochglanzmagazine und Models seit dem Amtsantritt von Präsident Trump zunehmend politisch. Sosehr ihn die Modewelt auch fasziniert, seine eigenen Werke will Katz nicht als Plattform für politische Botschaften nutzen: „Ich glaube nicht an Politik, denn ich sehe in ihr vor allem eine sentimentale Angelegenheit. Und das passt nicht zu meiner Kunst.“ Das klingt ganz nach dem coolen Alex Katz, der Zeitgeist nicht mit Trends verwechselt und der Position bezieht. Er tut es kompromisslos, aber nie oberflächlich.

Die Ausstellung „Alex Katz: Black &White“, kuratiert und organisiert von der Galerie Schimming, läuft noch bis zum 18. Februar in der Barlach Halle K am Klosterwall 13. Bis zum 25. März ist in der Galerie Schimming im Jungfrauenthal 4 zudem die Ausstellung „Alex Katz: In Color“ zu sehen