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Der erste Modeblogger der Welt

Der Blick schweift in typischer Modeblogger-Pose gelangweilt-gedankenschwer in die Ferne, detaillierte Angaben zur Kleidung stehen über dem Bild: "Ein Abend-Outfit, kurzer Mantel mit Taft zum Seiden-Satin-Oberteil, die graue Überhose möchte man am liebsten zu jeder Hose tragen." Selbstverständlich werden auch noch die Namen der Bekannten genannt, die bei dem Event mit von der Partie waren.


Klingt fast wie ein ganz normaler Instagram-Eintrag - wenn da nicht diese seltsame Überhose wäre. Und wenn unter dem Taft-Mantel nicht nur irgendein satinseidenes Oberteil, sondern ein Doublet hervorblitzen würde. Ein Doublet? Richtig, das typische Kleidungsstück für Männer aus der Renaissance. Matthäus Schwarz heißt der junge Mann, der hier seinen Look präsentiert. Geboren 1497 in Augsburg. Mit 23 begann er seine Kleider in Bildern zu dokumentieren. Mithilfe von drei Porträtmalern, die ihn 40 Jahre lang mit Farbe und Pinsel begleiteten.


Das Ergebnis ist Schwarz' "Klaidungsbüchlein", eine Sammlung von über 130 Miniaturgemälden seiner selbst, versehen mit detaillierten Kommentaren zu Stoffen, Schnitten und Farben. Schwarz, Buchhalter, Single, auf vielen Partys unterwegs, verrückt nach Mode, dokumentiert darin seine Outfits für erste Dates und gesellschaftliche Anlässe, kommentiert kritisch sein Gewicht und zeigt uns Sportmode: schwarze Seidenhosen zum Bogenschießen und gelbes Doublet aus Brüsseler Seide zum Fechten.


Erfinder eines Fotografie-Genres

Ausgerechnet ein deutscher Buchhalter also war der weltweit erste Modeblogger und Erfinder des Genres "Selfie-Buch", 500 Jahre bevor eine gewisse Kim Kardashian-West mit ihrem Selfie-Fotoband "Selfish" im Jahr 2015 einen Weltbestseller landete. Eben dieses Buch bekommt nun Konkurrenz vom Selfie-Pionier: Die deutsche Historikerin Ulinka Rublack hat eine neue Fassung des "Klaidungsbüchlein" im britischen Bloomsbury-Verlag herausgegeben. Der treffende Titel: "The First Book of Fashion".


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