Mit dem Fiat Panda Waze sollen Autofahrer nicht nur Verkehrsdaten vernetzen, sondern sich auch besser kennenlernen - in der Community der Google-App Waze. futurezone hat sich das in Italien mal angesehen.
Alle Blicke sind auf das Auto gerichtet, das da im Garten des Mailänder Luxushotels steht. Es ist "der am besten sozial vernetzte Panda überhaupt", sagt Luca Napolitano, Head of Fiat and Abarth Brand bei der Präsentation des Sondermodells. Selbst der Last-Minute-Sieg von Deutschland gegen Schweden am Samstagabend interessiert nicht wirklich irgendjemanden.
Mit dem Fiat Panda Waze, so scheint es, trösten sich die Italiener an diesem Wochenende über etwas hinweg, was ihnen dieses Jahr verwehrt bleibt: fußballbegeisterte Jubelschreie. Schließlich hat die hiesige Nationalmannschaft die Weltmeisterschaft 2018 verpasst. Aber wenigstens gehen die Einheimischen gelassen damit um: „Wir dachten eigentlich, sie hätten die WM dieses Jahr verschoben", scherzt man.
Wir erinnern uns: Der Panda ist ein Kleinwagen-Klassiker. Die erste Baureihe des Modells wurde von Frühjahr 1980 bis Herbst 2003 über vier Millionen Mal gebaut. Er ist günstig, aus dem Baukasten designt, kurzum: ein Auto für jedermann. Logisch, dass der Wagen, der zum erfolgreichsten Modell der italienischen Marke avancierte, Liebhaber auf der ganzen Welt hat.
Wer sich heute in das neue Sondermodell Panda Waze setzt, erlebt jedoch mehr als im Klassiker aus den 80ern: ein Social Media-Auto, basierend auf Echzeitdaten von Usern – und Daten von Google. Denn es ist das erste Auto, in das serienmäßig Waze eingebaut ist. Es ist eine der vielen Apps, die sich Google einverleibt hat.
Waze vereint eine Community von über 100 Millionen monatlich aktiven Usern. Für iOS und Android kann die App kostenlos aus den Stores heruntergeladen werden. Während sie in Deutschland kaum verbreitet ist, nutzen besonders Südeuropäer und US-Amerikaner ihre Dienste: zum Teilen von Verkehrs- und Navigationsinformationen – vom spontanen Stau auf der Autobahn bis zum Blitzer auf der Landstraße – sowie von privaten Fotos und Videos. Fortgeschrittene User können die Karten auf dieser Grundlage sogar stetig und live updaten.
„Das ist Demokratie im vernetzten Fahren", findet Dario Mancini, Waze Country Manager für Italien. „Mit den Informationen der Uconnect-App über das Auto und den Infos der Waze-Community über die Verkehrslage in Echtzeit kriegst du als Fahrer zum Beispiel einen Alarm, wenn der Benzintank einen niedrigen Stand hat. Dann zeigt dir Waze den schnellsten Weg zur nächsten Tankstelle – inklusive der dortigen Kraftstoffpreise. Das ist das Alleinstellungsmerkmal des Autos."
Zur „Panda Uconnect"-App, die bereits das Infotainment im Wagen und damit den Fahrer mit Informationen über Benzinverbrauch, Ölwechsel etc. versorgt, gesellt sich also Waze mit Live-Navigations- und Verkehrsinformationen. Auf der Testfahrt vom Luxushotel in Mailand ins kleine Örtchen Pandino geschieht nichts Aufregendes. „Achtung, Lichtblitzer in 200 Metern", ist die einzige Ansage, die wir neben der Streckenführung selbst in unserem Panda zu sehen und zu hören bekommen. Aber vielleicht war auch die Strecke selbst zu geradlinig.
Die Waze-Technologie soll so intelligent sein, dass sie hohes Verkehrsaufkommen vermeidet, die Insassen im dringenden Fall zu Tankstellen und anderen Service-Stationen führt und sich merkt, wo man geparkt hat.
Doch Waze will mehr sein als ein Navigator: ein Social Navigator. Ich als Fahrer kann Staus und andere Informationen per Tap an die Community weitergeben, und mehr noch: Ich kann außerdem – ähnlich wie in der Online-Dating-App Tinder – live beobachten, wo sich andere User, die „Wazer", in meiner Nähe aufhalten. Ich kann sehen, wie weit ein Mitglied entfernt ist, wie schnell es fährt und seit wann es bei Waze angemeldet ist. Die Funktionen „Nachricht schreiben" oder virtuell „anhupen" sind Social Media in Reinform.
Google wollte mehr - und hat sich Waze geholt
Wem bringt das noch etwas? Vor allem natürlich Google selbst. Mehr als eine Milliarde Dollar hat sich der Konzern den Kauf von Waze 2013 kosten lassen. Das ist nichts im Vergleich zur 19-Milliarden-Dollar-Übernahme von WhatsApp durch Facebook. Aber immerhin konnte Google hier der Konkurrenz zuvorkommen – denn auch Mark Zuckerberg war angeblich an Waze interessiert.
Seither zeigt Google Maps Verkehrsmeldungen an, die Nutzer von Waze erstellt haben. Durch die Verbindung der Dienste wird also Google Maps ganz automatisch verbessert. Kennt ihr die roten Linien auf Maps, die Stau anzeigen? Die sind erst durch Waze möglich geworden.
Gleichzeitig greift die Waze-App auf die Ortsdatenbank von Maps zu. Ob Waze in Zukunft Google Maps ersetzen könnte, ist nicht bekannt. Doch Datenkrake Google breitet sich aus. Mit Fiat ist ein erster Autohersteller gefunden worden, der die App integriert hat. Welcher kommt als nächstes?
Neu ist der Gedanke von vernetzten Autos, die miteinander kommunizieren nicht. Ford beispielsweise plant bereits seit längerem eine App-Plattform für vernetzte Fahrzeuge und nutzt dafür Amazons Sprachassistentin Alexa. Und Audi verbindet seine Autos in den USA mit Ampelsystemen, damit die Fahrer schneller und vor allem sicherer ans Ziel kommen.
Über Sicherheit wird beim Pressetermin in Mailand nicht gesprochen. Und das, obwohl es mit Waze bereits zu gefährlichen Situationen gekommen ist: Auf der Suche nach der besten Route wurde etwa ein Paar in Rio de Janeiro in eine gefahrenträchtige Favela geleitet. Und in ruhigen Wohngebieten beschweren sich Anwohner über den gestiegenen Verkehrslärm durch Waze-Fahrer in ihren Straßen. Mit falschen Berichten über Unfälle nahmen sie es selbst in die Hand und tricksten die App aus.
Doch das scheint für Fiat Vergangenheit. In Mailand und Pandino geht es vor allem um die Vorteile der beiden Apps Uconnect und Waze. Um die Bequemlichkeit beim Fahren, nicht um die Frage, wie es möglich sein soll, während des Fahrens zwei Apps zu steuern, Fahrer anzuhupen und trotzdem sicher durch den Verkehr zu kommen. Eine freihändige Navigation von Waze ist mittlerweile möglich, getestet habe ich sie noch nicht.
„Für die Sicherheit sorgen die einfache Bedienung und die Live-Daten, die Verkehr und Navigation per Sprachbefehl ausgegeben werden können", meint Mancini. „Dafür muss der Fahrer nicht an seinem Smartphone herumspielen". Na, dann.
Ob Waze eigentlich auch für spontane Blind Dates für den Autobahn-Rastplatz gemacht ist, will ich wissen. Mancini lacht: „Natürlich ist es möglich, andere Fahrer zu kontaktieren, das gehört bei Waze dazu. Was der Einzelne daraus macht, ist ihm überlassen", erzählt er mir. Also doch das Tinder für Autofahrer – nur ohne Profil und ohne Wegswipen. Ist doch auch ganz angenehm. Und irgendwie auch cool.
Diese Vorzüge gibt es, wie bei vielen Technologien unserer Zeit, aber nur zu einem Preis: den Daten der Nutzer und Fahrer. Das ist mit Waze nicht anders.
Waze ist der Datenschutz wichtig, wenigstens offiziell. Daten an Google würden nur zum Zwecke personalisierter Werbung weitergegeben. Das lässt sich in der App auch ausschalten. Welcher Datenaustausch tatsächlich passiert, ist – wie so häufig – intransparent.