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Sie arbeiten, wenn andere Party machen

Pizzabäcker und Dönermann: Fluffige Pizzen, heiße Öfen

Partys in der 60er-Jahre-Halle machen hungrig. Setzt man einen Fuß aus dem Club, lächelt einem Önder Orhan dann schon freundlich entgegen. Der 30-Jährige verkauft die dicken, fluffigen Pizzen der Pizzeria Günes direkt auf dem Faust-Gelände. Seit er 16 Jahre alt ist, backt er von 11 Uhr morgens bis spät in die Nacht 26 verschiedene Sorten für seine Kunden.

Auch Resul Salman ist nachts oft die erste Anlaufstelle für hungrige Partygäste. Er arbeitet bei Happy Döner gegenüber vom Capitol am Schwarzen Bären - und reicht dabei nicht nur Dönerteller oder Lahmacun über die Theke. Manchmal tauscht der 28-Jährige seinen Job gegen den eines Babysitters, wenn sich etwa betrunkene Kunden aus Müdigkeit vor die Theke legen. Dann hilft er ihnen auf, setzt sie auf einen Stuhl und lässt sie schlafen - bis er um 5 Uhr morgens selbst nach Hause geht. Anstrengender sind für ihn Gäste, die erst auf die Speisekarte gucken, wenn sie an der Reihe sind, oder meinen, etwas anderes bestellt zu haben.

Önder hatte bisher keine Probleme mit Gästen. Die Pizzeria seines Vaters hat viele Stammkunden, die er sogar schon als Kinder kannte. Auch wenn er selbst in Bars unterwegs ist, sprechen ihn Leute auf den Job an. Das freut Önder - auch wenn er sich selber bei den vielen Gesichtern nicht an alle erinnern kann. Besonders nett sind die Leute, die zur Neunziger-Party in die Faust kommen: „Die sind höflich, vernünftig und entspannt." Sonst arbeitet Önder meist hinter den Kulissen, weil er mit der Hitze des 500 Grad heißen Ofens von allen Kollegen am besten klarkommt.

Wegen der Wärme arbeitet auch Resul am liebsten nachts, wenn es kühler ist. Tagsüber braucht er wegen der Hitze mindestens drei Kollegen, die sich abwechseln. Auch die 25 Prozent mehr Gehalt für die nächtliche Arbeit reizen ihn. Da spielt er dann gerne mal Babysitter - und erklärt dem 1000. Kunden freundlich, wie man Lahmacun richtig ausspricht.

Von Katharina Kunert und Clara Hellner Garderobiere: Tauziehen in der Silvesternacht

Kommt ein Partygast in die Garderobe und spielt Tauziehen mit der Garderobiere. Das ist nicht der Anfang eines Witzes, sondern war ein skurriles Arbeitserlebnis von Kimberly Hillebrand und Jasmin Heuss. Die beiden sind Garderobieren in der Dax-Bierbörse. Als die 25-jährige Kimberly in der Silvesternacht einem Gast eine Jacke verweigerte, die er fälschlicherweise für seine eigene hielt, entbrannte ein wildes Jacken-Tauziehen über den Tresen. „In solchen Momenten müssen wir die Türsteher rufen", sagt die 33-jährige Jasmin.

Meistens komme es aber gar nicht so weit. „Oft kommen Gäste vom Zaza nebenan und wollen ihre Jacken haben - mit dem Garderoben-Chip eines anderen Clubs geht das aber schlecht", sagt Jasmin. „Die glauben manchmal gar nicht, dass sie im falschen Club sind." Noch anstrengender ist aber etwas anderes: „Der Klassiker ist ,Ich habe meinen Chip verloren - aber meine Jacke ist schwarz'", sagt Kimberly. 2700 Jacken passen in die zwei Garderoben des Dax - wer seine eigene Schusseligkeit kennt, sollte lieber ein Foto von der Jacke machen, rät sie. Handtaschen werden ausschließlich an Frauen mit entsprechender Marke rausgegeben.

Ihre Stammgäste kennen die beiden schon. Den Kontakt zum Freundeskreis zu halten, das ist schon schwieriger. Denn wer nachts arbeitet, muss tagsüber schlafen - wenn andere sich verabreden wollen. „Die wissen schon, dass sie uns bis 13 Uhr nicht anrufen dürfen, weil wir so lange schlafen", sagt Kimberly. Der Job ist es den beiden aber wert - Kimberly geht sogar in ihren freien Nächten dort feiern, wo sie sonst arbeitet.

Die strengen Ausgaberegeln sind kein Wunder: Bei bis zu 100 Euro Schaden haften die Garderobieren nämlich selbst. Dazu kommt es aber fast nie. Die Gäste holen sich ihre Sachen einfach am nächsten Tag ab. Auch der Tauzieher von Silvester kam am Neujahrsmorgen wieder - um sich zu entschuldigen.

Barkeeper: Politik, Religion und Fußball sind tabu

Noch lehnt Barkeeper Fabian lässig am Tresen, doch gleich wird es stressig für den 27-Jährigen. The Harp, der urige Irish-Pub am Schwarzen Bären in Linden, füllt sich langsam. Während die Hannoveraner hier einkehren, um den sonnigen Septemberabend ausklingen zu lassen, beginnt für Fabian die Arbeit erst.

An seinem Job begeistert ihn die lässige Atmosphäre. Vom Alltagsstress ist im The Harp nichts mehr zu spüren, denn den vergessen die Gäste bei einem Cider schnell. Die ausgelassene Stimmung schwappt auch auf Fabian über. In einer der vielen Sitzecken aus Holz sitzt ein älterer Herr in Rockerkluft. Auf das Besteck für den Burger verzichtet er. Im Hintergrund läuft Musik, „Irish Rock", erklärt Fabian.

„Kontaktfreudigkeit ist das A und O", sagt er. „Man darf sich auf keinen Fall hinter dem Tresen verstecken." Als Barkeeper füllt man schließlich nicht nur Gläser, sondern ist ein Allrounder: Psychologe, Kumpel und Kellner in einem. Komische Geschichten anhören oder sogar miterleben muss Fabian oft. Neulich schmiss ein betrunkener Gast plötzlich wütend sein Glas hinter die Bar. Verletzt wurde Fabian dabei glücklicherweise nicht.

Mittlerweile müssen er und sein Chef Daniel Jäger aber nicht mehr so viele Gäste rausschmeissen. Früher sei das schlimmer gewesen. „Da half nur konsequentes Durchgreifen bei Pöbeleien", sagt Inhaber Daniel Jäger, während er ein Strongbow zapft. Seine Arme sind mit Tattoos bedeckt.

Damit es erst gar nicht so weit kommt, befolgt Fabian eine goldene Regel: weder über Politik, Religion noch Fußball sprechen. „Nach ein paar Bier intus kann das nur schiefgehen", sagt er und grinst, während er das Tablett gekonnt vor die Theke balanciert. Eine Gruppe von jungen Männern setzt sich an die Bar. Nun wird es hektischer. Der Abend geht richtig los - und endet erst, wenn nachts der Rausschmeißer gespielt wird: „Wer hat an der Uhr gedreht" aus „Der rosarote Panther".

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