Text: Kai La Quatra, Foto: BLN.FM Redaktion
Aber genau das sind die Spätis. Denn die Touristen zieht es in die Kieze und in die Parks. Und genau hier befinden sich die Läden. Dort sind sie Wegbierspender, Orientierungspunkt, Rastplatz. Und für die Kiezbewohner oft ein Treffpunkt und konstante in den sich wandelnden Kiezen
In keiner anderen Stadt ist "Sterni und Park" ein gesellschaftlich anerkanntes Date. Die erste gemeinsame Erinnerung ist dann oft der Gang zum Späti. Hier beginnen Lieben. Manche auch nur zum Kiez. Der Kühlschrank noch nicht angeschlossen, die Umzugshelfer verlangen nach Entschädigung. Meist hilft der Späti. In Berlin gibt es rund 1000 dieser Spätverkaufsstellen. Kleine Läden, die vom Brötchen bis Bier alles verkaufen, was den erneuten Gang zum Supermarkt nicht rechtfertigt. Was man nicht im Kopf hat, hat man in den Füßen. Oder eben der Späti, der nie weit ist.
Das ist nach Ladenschluss der Ketten so, und auch am Wochenende. Vor allem an Sonntagen. An diesem Tag machen die Läden den meisten Umsatz. Eben wegen fehlender Alternativen. Das Berliner Ladenöffnungsgesetz erlaubt das sogar. Allerdings nicht den Spätis. Die sind nämlich, anders als Tankstellen und Bäcker, gleichgesetzt mit dem Einzelhandel.
Die freie Texterin Christina Jurgeit versucht mit ihrer Petition auf eine Gesetzesänderung zu erwirken. Sie will, dass die Läden mit ihrem individuellen Charme dem Status einer Selbstständigkeit erhalten und so frei über ihre Öffnungszeiten bestimmen können. Ihrer Ansicht nach sind die Läden auch mehr als nur ein Geschäft. Jeder Laden hat seine eigene Atmosphäre. Jeder Verkäufer seine kleinen Macken und Eigenheiten. Was auch Berlin ausmacht. Das erkannte schon der Fotograf Daniel Gregor in seinem Flickr "Berliner Spätis bei Nacht". Er zog Nacht für Nacht durch Berlin und hat die Unterschiede der Läden porträtiert. Jeder einzigartig und schön. Auf seine Weise.
In Berlin ist derzeit dabei, streng preußisch das geltende Gesetz anzuwenden und den Spätverkaufsstellen die Öffnung an Sonntagen sowie den Verkauf von Tabak und alkoholischen Getränken zu verbieten. Teils mit existenzbedrohenden Strafen. Zwar dürfen an Sonn- und Feiertagen Genussmittel verkauft werden. Aber nur in Läden, die dem Tourismus dienlich sind.
Würde William Shakespeare heute Inspiration für seine Dramen suchen, er würde sich vor Spätis setzen. Nirgendwo wird mehr philosophiert, gelacht und geweint. Nichts ist mehr Trutzburg und Halt für die Altbewohner gegen Gentrifizierung der Kieze, als die zusammengezimmerten Bänke vor den Läden. Und wenn wir am Sonntag, nach langer Nacht, für einen Becher Sahne oder Tomatenmark 1,69 € zahlen, um uns damit irgendetwas Essbares zuzubereiten, dann fühlen wir uns nicht abgezockt, sondern geliebt.