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Der große Nihilisator

Brauchen wir einen Nihilisator?


Der Kunstbegriff der "Nihilisators" weckt Assoziationen mit Bücherverbrennung, mit Krieg, ja mit Zerstörung im weitesten und weitgehend negativen Sinne. Zyniker wie Autoren des Bermuda-Genres mögen gar an verschwundene Flugzeuge denken. Wäre es jedoch nicht möglich, sich eine solche Maschine zu denken, die, fernab Existenzangst schürender Hintergründe, Dingen ihr Dasein nimmt, anstatt andauernd zu produzieren? Wäre nicht sogar eine gewisse Form der Herstellung durch das Eliminieren von Existentem denkbar, die selbiges bereicherte? Für diesen Vorgang gibt es eine Reihe kultureller, hermeneutischer und philosophischer Beispiele.

Viele neigen zu dem Bedürfnis, Dingen eine Daseinsberechtigung geben zu wollen und ringen ihnen diese qua kausaler Identitässtiftung ab. Ein Becher beweist, weshalb das nicht immer funktionieren kann und sollte. Im kulturellen Feld wäre das zum Beispiel die Sprüche-Tasse. Ihr obliegt in geschmacklich keinster Weise Notwenigkeit, und, im Gegenteil -  für Schenker wie Beschenkten wäre eine alternative Daseinsweise für die Tasse, beispielsweise unbedruckt, bereichernd da nicht beschämend.

Gänzlich gegenwärtig in der hermeneutischen Methode des "nihilisierens" ist auch das Streichen von Redundanz und Irrelevanz innerhalb der Produktion eines Textes, wie er überall verfasst wird. Überfluss ist nicht nur mehr als gut, sondern schlecht für den Rest. Aber es kann ja nicht jede Zeile über den Becher aussehen wie jene Meister Eckharts: „Wäre der Mensch imstande und könnte er einen Becher vollkommen leer machen und leer halten von allem, was zu füllen vermag, auch von Luft, der Becher würde zweifellos seine Natur verleugnen und vergessen und die Leere trüge ihn hinaus bis zum Himmel". Inhaltlich gehört Eckhart dabei zu den philosophischen Beispielen erfolgreichen „Nihilisierens“.

Philosophisch prominent innerhalb aller Zauberer der Herstellung durch Beseitigung war zudem Heidegger. Er hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die Dinge so zueinander ins Verhältnis zu setzen, dass qua Herstellung von reduzierten, da umfassenden Sinnbezügen gegen unverhältnismäßiges und daher unnötig zergliedertes Produzieren vorzugehen, wie es beispielsweise in der Technik stattfindet. Denn so der Krug alle für ein Ding notwendigen Eigenschaften aufweist – er versammelt das „Geviert“ aller Weltregionen: der Göttlichen, Sterblichen, Himmel und Erde – bezieht er sich naturgemäß auf alle „Dinge“. Um nämlich in Heideggers Kategorien „Ding“ zu sein, müssen sie es dem Krug gleich tun, was sie wiederum auf diesen referieren lässt und sich mit ihm in ein einziges Sinngefüge stellt. Auf dem Weg des Verstehens ist Pluralität ohnehin störend. Wollen wir nicht immer wissen, was „die Welt im Innersten zusammenhält“? So folgen wir auch Nietzsche und vergessen das für uns schädliche Maß an Geschichte. Der Kontingent ist schließlich endlich.

Wenngleich es eine materielle Herausforderung sein dürfte – unter den Philosophen gibt es die Maschine längst; sie scheint unserer Beschränktheit entgegen zu wirken. Der „Nihilisator“ macht aus den Dingen dieser Welt eine runde Sache und lässt verschwinden, was von ihr nur ablenkt. Da fragt man sich doch - warum ist überhaupt etwas, und nicht viel mehr weniger?

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