Vermutlich ist es schon eine Weile her, da die Menschen begonnen haben, in Cafés zu arbeiten. Wenn da jemand mit einem Buch oder einem Block sitzt, ist so klar die Sache ja auch nicht. Gut, eine Einführung in die VWL riecht nach Arbeit, aber den natürlichen Interessen des Menschen sind keine Grenzen gesetzt, und so ist eine Cafékultur entstanden, in der man sich mit Freunden treffen, ein Buch lesen, etwas schreiben oder einfach in die Luft gucken darf. Solange man etwas bestellt, wohlgemerkt.
Dann kam der Laptop und mit ihm eine ästhetische Veränderung in der Cafészenerie. Anstelle sich unterhaltender und gemeinsam lachender Menschen, die in vivo ihre Lebenszeit teilen, sitzen da Unterkörper an weißen Rechtecken, die tippen statt reden und sich ihrer eigenen Existenz in vitro versichern. Außer, wenn ein Getränk über die Tastatur gekippt wird, dann flucht es und vom Nachbartisch wird mehr oder minder Hilfsbereitschaft kommuniziert. Im Grunde Hollywoodmaterial - zwei, die den ganzen Tag nebeneinander in Facebook-Chats verbracht, Mails geschrieben und nach der Rolle der Pastourelle in der mittelalterlichen Literaturgeschichte recherchiert haben, sehen sich an, vor der eigenen Stimme erschrocken und dabei, ihr Snapchat-Passwort zu vergessen.
Dann hat es den Cafébesitzern aber gereicht. Dann hat es nämlich nicht mehr gereicht, ein Getränk zu bestellen, um sich an einem sanitär versorgten Platz im Freien für einige Stunden einzukaufen. Dann wurden Laptops verboten. Manche verraten nicht einmal mehr ihr WiFi-Passwort und auf dem veganen Cheesecake stünde in zuckerfreier Glasur „Unterhaltet Euch, verdammt!" - gäbe es eine solche Glasur denn.
Das Café als Ort der kontemplativen Auszeit zurückzuerobern, scheint notwendig geworden zu sein. „No Laptops" steht da entlang einer kompletten Straße in Berlins Neukölln - dem Vorzeigekiez, was Multikulti, Hipness und das gelungene Zusammenleben verschiedener Lebensentwürfe angeht. Also laptoplose Lebensentwürfe. Natürlich gab es eine Zeit, in der Menschen zu Hause gearbeitet und draußen ihre Freizeit verbracht haben. In dieser Zeit hat man sich aber auch schon auf einen Kaffee getroffen und über Gehälter verhandelt. Genauso, wie man auch heute noch zu Hause sitzt und mit Freunden Bier trinkt. Oder in einem Café vor Facebook sitzt und Abendpläne schmiedet. Kategorisch ist es nahezu unmöglich, herauszufinden, welches Verhalten von dem heutigen Cafégänger erwartet wird. Falls es wirklich nur um das Erscheinungsbild einer Caféterrasse geht, so gibt es auch hierzu bessere Lösungen als ein rigoroses Verbot. In einem Café darf beispielsweise nur jeder zweite Tisch belaptopt werden. Damit kann man doch arbeiten - also, wenn arbeiten an sich erlaubt ist.
Unterschiede sind schön: Arbeit ist dann nämlich Arbeit und Freizeit Freizeit. Aber die Idee, dass Arbeit mehr Spaß macht und Freizeit trotzdem Freizeit bleibt, ist noch schöner. Man kann ja auch in die Luft gucken, gleichwohl da jemand mit Laptop sitzt. Manche können das sogar über den eigenen Laptop hinweg - Kontemplation in Reinform.