Hört auf, euch wie im 18. Jahrhundert zu verhalten, Jungs!
Schon klar–Whisky und das y-Chromosom gehören einfach zusammen. Die Abende mit Jacky-Cola, eurem besten Freund und der ersten Begegnung mit der Polizei jenseits des Polizeipferdes, auf dem ihr für 2 Mark im Einkaufszentrum reiten durftet, verbucht ihr unter unabdingbaren Meilensteinen des Curriculums einer männlichen Vita.
Die Funktion des Stadtparks wurde inzwischen ersetzt durch eine heimelige Gartenlaube, einen unterirdischen Hobbyraum oder das holzgetäfelte Herrenzimmer und Jacky-Cola hat durch getorften Single Malt ein vorzeigbares Upgrade erfahren. Und weil es so schön ist, hart erarbeitete Selbstbilder immer mal wieder zu straffen, kauft ihr euren Whisky nun im Fachhandel. Und hey–es ist doch kein Problem, stolz zu sein, wenn man ein paar Whiskys kennt, die beim ersten verbalen Schuss in die Kampfzone männlicher Potenzindikatoren für Sicherheit sorgen.
Wenn ihr aber doch ohnehin enttäuscht seid, dass dann „nur“ eine Frau vor euch steht, könnt ihr die Kugeln ruhig stecken lassen. Meist jedoch, ist das Gegenteil der Fall. Sie nehmen penisförmige Struktur an; setzen zuerst euer kognitives Vermögen außer Gefecht, versammeln sich dann im Sprachzentrum, um der Welt von dort aus und unter enormem Brusttrommelwirbel verständlich zu machen, dass ihr verstanden habt, wie der Hase beim Herren läuft.
Wie ihr, habe auch ich früher gedacht, für einen anschaulichen Schreiberling zieme sich ein Glas Bourbon auf dem Schreibtisch, wähnte mich als ein Whisky Sour-Experte, wenn ich mir selbigen an der Bar mit einem Laphroaig mixen ließ und fand es wichtig, immer genug Whisky für unerwartete Besuche zu Hause stehen zu haben. Trotzdem hätte ich es in dieser Zeit nie gewagt, einen Whiskyverkäufer darauf aufmerksam zu machen, wie schade es doch sei, dass er keinen Glenury Royal 50 im Regal stehen habe. Nicht, wenn ich sehe, dass dort über 2.000 andere Destillate stehen, deren Name ich nicht einmal denken kann und vor allem nicht mit der Erklärung „den hatte ich nämlich neulich mal. War lecker.“ Mit „Kausalitäten“ dieser Natur hätte ich immer schon Probleme gehabt. Und das auch vor meiner Zeit in der Whiskywelt.
Genauso wie ich nicht in ein Neuköllner Buchantiquariat gehe und nach einer kasachischen Kafka-Ausgabe aus dem Jahr 1923 frage. Und nicht mit der Begründung „Lag neulich beim Arzt aus. War ganz gut“. Oder keinem Braumeister erzähle, dass ich vor kurzem ein Heidenpeter getrunken habe und schlage ihm vor, es auch einmal mit Ingwer zu versuchen. Und wisst ihr auch, warum? Weil ich denken würde, dass mein Gegenüber, der sich tagein tagaus mit genau dieser Sache beschäftigt, möglicherweise weiß, weshalb er diese und nicht jene Dinge hat und tut. Dass er vielleicht sogar nicht einmal auf mein hochprozentiges Halbwissen aus den hinteren Hirnregionen angewiesen ist und sich selbst schon einmal mit Herstellung und Geschmack beschäftigt hat. Weil das nämlich sein Beruf ist. Oder ihr Beruf.
Denn ob ihr es glaubt oder nicht–es gibt auch Frauen, die beschäftigen sich mit Whisky! Die trinken den auch. Jawohl, sogar den torfigen.
Weil euch die Kombination aus dem Präsentieren von Potenz, dem Umgang mit Unwissen und Frauen vom Fach aber enorm viel Stress zu bereiten scheint, hier ein paar Tipps und Tricks, wie ihr euch nicht wie ein taktloser Totaltrottel aufführt.
1. Während des Beratungsgesprächs könnt ihr versuchen, den Blick von Brust- auf Augenhöhe zu verschieben. Auch trotz Whisky–es ist nicht 23 Uhr, der Laden keine Bar und ich keine Möglichkeit. Echt nicht.
2. Ihr denkt, der Whisky wird anders ausgesprochen als ich es tue? Benutzt Google, ein Buch oder einen Schottlandurlaub, aber verschont mich damit, die Destillerie vier mal in einem Satz zu verwenden, um mir etwas beibringen zu wollen.
3. Wenn ich frage, was ihr gerne mögt, dann frage ich das im Rahmen eines Beratungsgesprächs. Zu Whisky. Antworten wie „Einen guten Whisky mit einer schönen Zigarre. Gerne auch zu zweit.“ helfen nicht. Uns beiden nicht.
4. Wenn ihr vor dem Regal steht und ein Flaschenetikett entdeckt, das euch farblich bekannt vorkommt, reicht das einfach nicht für ein blasiertes Brüsten. „Das war auch grün und der Whisky richtig alt. Ein toller Tropfen, kann ich empfehlen.“
5. Wenn wir einen Whisky verköstigen und ich frage, ob du die Schärfe – zum Beispiel durch Chilli-, Ingwer- oder Zimtnoten–schmeckst, ist dabei völlig unerheblich, mit welchem Scoville-Grad du deine Pizza Diavolo isst. Du musst also gar nicht mit „Ach, das ist doch nicht scharf!“ gegenhalten. Denn es ist mir egal.
Auch hier–es geht wirklich nur um den Whisky, glaub es einfach. Hingegen geht es, um Himmels Willen, überhaupt nicht darum, ob Männer oder Frauen bestimmte Dinge besser können. Vermutlich können Menschen eben jene Dinge gut, mit denen sie sich ausführlich beschäftigen. In meinem Falle ist das beispielsweise Whisky. Und weil wir alle mehr oder minder schmecken können, ist es–anders als etwa beim Chirurgen–ungleich einfacher, dieses Wissen zu teilen. Ihr müsst dafür nur zwei Dinge tun: unterscheidet zwischen Frauen vor und hinter dem Tresen, und hört auf zu Klugscheißen, wenn es jemand besser weiß als ihr. Das war wirklich noch überhaupt gar nie in der Historie dieses Erdballs hilfreich. Beim Whisky geht es nämlich–wirklich, ihr müsst es glauben–um Geschmack. Dieses Nomen korreliert stark mit dem Verb Schmecken. Toll, wenn ihr euch zudem mit den ökonomischen Aspekten der Whiskywesens auskennt! Überprüfen lässt sich das leicht.
Man spricht miteinander, hört einander zu und schluckt thetische Allgemeinplätze billiger Klischees, Ressentiments und Pseudokritiken merk- und denkwürdiger Ein-Mann-Jurys hinunter . „Der soll ja nicht so toll sein.“–„Wer sagt das?“–„Stand neulich wo, dass das wer gesagt hat.“Närrisches Nachschwätzen ist nun auch nicht gerade Indikator eurer virilen Vorräte, by the way.
Mir macht meine Arbeit unendlich viel Spaß und wirklich jeder Mensch, dessen Herz aufrichtig für Aromen zwischen Mais, Malz und Salz schlägt, ist mir mehr als willkommen. Aber bitte, Jungs–hört auf zu denken, dass die Hegemonie des Hochprozentigen auch heute noch in euren Händen läge und versucht zumindest, zwischen eurem ach so distinguierten Savoir-Vivre-Gaumen und einem angelernten Berufsalltag zu unterschieden. Ich erkläre meinem Frisör auch nicht, wie es geht–weil die Frisur kein Frauen-und Malz kein Männermetier ist.