Zur optimalen Darstellung unserer Webseite benötigen Sie Javascript. Bitte aktivieren sie dies in Ihrem Browser.
Er sei wenig begeistert von dem Vorschlag geschlechtergetrennten Unterricht einzuführen, sagt Sachsens Kultusminister Christian Piwarz. Es sei, als würde man 50 Jahre in der Entwicklungsgeschichte zurückfallen.
"Wir müssen stattdessen eher die Frage stellen, wie kann es uns in unserem Unterricht gelingen, unterschiedliche Neigungen und Interessen von Schülern stärker zu fördern, zu unterstützen, Nachhilfe zu geben dort wo es nötig ist", erklärt der CDU-Politiker. Das könne zwischen Mädchen und Jungen unterschiedlich sein. Da sei es für die Lehrkräfte eher wichtig, mit entsprechenden, zusätzlichen Assistenzsystemen oder Ähnlichem diese Unterstützung zu leisten. "Aber eine Geschlechtertrennung bei einzelnen Schularten würde ich für Sachsen ablehnen", sagt Piwarz.
Auch Marco Tullner, Bildungsminister von Sachsen-Anhalt, sieht in der Aufteilung der Schülerinnen und Schüler im Unterricht eher eine Gefahr, Vorurteile zu unterstützen.
Der CDU-Politiker sagt: "Man muss natürlich festhalten, dass Unterricht grundsätzlich zielgruppenorientiert sein sollte und dass man dann weder mit Stereotypen arbeiten sollte, noch mit irgendwelchen geschlechterspezifischen Zuschreibungen." Deswegen könne eine Debatte nie schaden. Aber man sollte auch mit den baulichen sowie den Ressourcen-Möglichkeiten nahe an der Realität bleiben. Da erhebt Bildungsforscher Daniel Diegmann von der Uni Leipzig Einspruch: Lehrer- oder Platzmangel seien hier kein gültiges Argument gegen den getrennten Unterricht. Parallelklassen könnten ganz einfach gleichzeitig in den MINT-Fächern unterrichtet werden, und so wäre keine zusätzliche Kapazität nötig.
Eher stellt Diegmann in Frage, ob die Strategie wirklich zielführend ist. Die Forschungsergebnisse würden eigentlich keinen Hinweis darauf geben. Man könne nicht sagen, dass geschlechtergetrennter Unterricht die Leistung der Mädchen automatisch verbessere, aber auch nicht verschlechtere. Da sei es eher so, dass man nicht allzu große Hoffnung darin haben sollte. "Was die Interaktion angeht, kann man sich schon vorstellen, dass, wenn keine Jungen mehr im Unterricht sind, die Mädchen mehr Raum haben", überlegt Diegmann.
Befragungen unter Lehrern hätten gezeigt, dass es sehr unterschiedliche Umgangsweisen mit der Frage zur Gleichberechtigung der Geschlechter im Unterricht gebe. Während einige nicht bereit seien, ihre Einstellung zu hinterfragen, gehe ein Teil der Lehrer an gemischten Schulen sehr reflektiert mit dem Thema um und lasse Mädchen und Jungen im Unterricht beispielsweise immer abwechselnd zu Wort kommen.
Das Problem liege oft schon im Elternhaus begründet, sagt Diegmann. Mädchen, die von ihren Eltern schon in früher Kindheit für technische Themen begeistert würden, hätten später auch seltener eine Abneigung gegen Mathe oder Physik.
Für den Schulpädagogen spricht aus wissenschaftlicher Sicht nichts dagegen, den Vorschlag von der Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Stephanie Hubig zu testen. Er plädiert für "Mut dazu, das auszuprobieren". Für eine bestimmte Zeit mit den Schülern und Schülerinnen gemeinsam zu schauen, welche Erfahrungen sie darin machten, ob sie das eher positiv oder negativ erfahren würden. Nicht als kleines, einzelnes Experiment, das losgelöst sei von allem anderen in der Schule, sondern das wirklich konzeptionell einzubauen in die Schulentwicklungs- und Qualitätsentwicklungsprozesse an Schulen. Das halte er für ganz wichtig, sagt Diegmann.
In vielen Wahlfächern in den Oberstufen findet ohnehin ein nahezu geschlechtergetrennter Unterricht statt. In den Physikkursen sitzen fast nur Jungs, in Französisch deutlich mehr Mädchen. Wie man hier eine gleichmäßigere Verteilung erreichen kann, ob getrennter Unterricht in der 7. und 8. Klasse hier helfen könnte, werden wohl nur Versuche im Schulalltag zeigen können.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 22. Februar 2020 | 09:09 Uhr