Das soll sich ändern, findet Claudia Kessler, Personalvermittlerin für die Europäische Weltraumorganisation ESA, die einst selbst gern in den Weltraum geflogen wäre, nun aber anderen Frauen dabei helfen will. „Die Astronautin" heißt ihre Privatinitiative für die erste deutsche Frau im Weltraum, mittlerweile sind sechs Frauen in das Finale der Aktion eingezogen. Den großspurigen Ton auf der Webseite braucht es wohl für die Sponsorenakquise: „Deutschland ist sich bewusst, dass wir zukünftig mehr Frauen in technischen Berufen brauchen. Warum nimmt Deutschland dann nicht eine europäische Vorreiterrolle in der Raumfahrt ein und schickt endlich eine Frau ins All?" Tatsächlich hat Deutschland derzeit keine nationalen Raumfahrer, wird also auch keine Frau finanzieren. Kosten zur ISS: rund 30 Millionen Dollar. Neben der Idee des Weltraumwettrennens mit verstaubter Kalter-Krieg-Logik geht es aber um etwas anderes. Eine Frau im All hätte Symbolcharakter. „Sie wird eine Vorbildrolle einnehmen", erklärt die Initiative.
In der Tat braucht es Vorbilder, um überhaupt auf den Trichter zu kommen, welche Möglichkeiten man für die eigene Lebensplanung hat. Jede, die gern Lebensläufe auf Wikipedia oder Bücherklappentexten nachliest, weiß das. Dasselbe gilt für die oft zitierte gläserne Decke: Wenn an der Spitze keine Frauen sichtbar sind, ist der Weg dorthin eine Ausnahmebiografie, erfordert mehr Mut, Kraft und Fantasie. Das gilt für Bürostühle wie für Raumfahrtanzüge. Wie man etwa im Weltraum menstruiert, muss schließlich mit-geplant werden und war früher wirklich eine Begründung, warum Frauen im All nichts zu suchen hätten.
Ihr Bruder habe ihr als neunjähriges Mädchen vorgeschlagen, Astronautin zu werden, erzählte die US-Amerikanerin Jeanette Epps vor einiger Zeit, die in zwei Jahren auf der ISS arbeiten wird. Die Idee hatte der Bruder 1978, als mit der NASA-Astronautengruppe 8 erstmals auch Frauen für die Ausbildung zugelassen wurden, unter ihnen die erste US-Astronautin Sally Ride. „Das kannst du auch", sagte er. Etwa zur selben Zeit sang David Bowie in Life on Mars: „But her friend is nowhere to be seen. Now she walks through her sunken dream" - die Geschichte einer jungen Frau, die von einem anderen Leben träumt, aber keinen Zugang dazu hat. Ihr Leben lang zweifelte Epps an ihren Traum, ihre Mutter sagte zu ihrem akademischen Abschluss, ihre größte Hoffnung sei gewesen, sie würde es zur Sekretärin bringen. „Und schau dich jetzt an."
Eingebetteter MedieninhaltSally Ride flog 1983 ins All, als zweite Frau weltweit, 20 Jahre nach der Russin Valentina Wladimirowna Tereschkowa. Die dritte wichtige Astronautin in der Geschichte war Ellen Ripley in dem Film Alien. Auch eine Symbolfigur. Klug, stark, mutig, die Heldin einer Geschichte, die man weitererzählen kann. Der Weg zu einer gleichberechtigten Gesellschaft kommt ohne diese Erzählung nicht aus. Dazu gehört dann auch eine Weltraumgynäkologin. Die gibt es übrigens schon. Sie heißt Dr. Varsha Jain, lehrt am King's College in London und erklärt: „Menstruationsblut ist von der Schwerelosigkeit, die wir im All erleben, nicht betroffen."