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Zwischen Arbeit und Streik: Eltern suchen Alternativen zur Kita

Die Erzieher streiken - und viele Eltern wissen nicht, wohin mit ihren Kindern. Manche Mütter und Väter finden kreative Lösungen - und zeigen Verständnis für die Streikenden.

Stuttgart/Mannheim - Es musste schnell eine Lösung her. Susanne Rolland-Haas stand vor demselben Problem wie Tausende andere Mütter und Väter in Baden-Württemberg: Am Freitag waren allein in der Landeshauptstadt 180 Kitas geschlossen, auch die ihrer 5-jährigen Tochter. Sie hatte Glück: Bei ihrem Arbeitgeber, der Industrie- und Handelskammer in Stuttgart, gibt es für solche Fälle ein Eltern-Kind-Büro. Von der Idee ist die 35-jährige Diplom-Betriebswirtin begeistert: «Das Konzept des Eltern-Kind-Büros klappt überraschend gut. Ich kann ganz normal arbeiten, und wenn meine Tochter etwas braucht, bin ich sofort da.»

Wenn Erzieher streiken, gibt es wenig Alternativen, wo Eltern ihre Kinder unterbringen können. Oma und Opa wohnen oft zu weit entfernt, Plätze in einer der wenigen Not-Kitas sind schnell vergeben. Hunderttausende Eltern stehen wegen des Erzieher-Streiks seit Freitag vor der Frage, wie sie Kinderbetreuung und Arbeitsplatz miteinander vereinbaren können. 

Wie lange sie sich um alternative Betreuung bemühen müssen, ist noch nicht klar. Bei einer Kundgebung in Mannheim sagt die Verdi-Landeschefin Leni Breymaier: «So wie sich die Arbeitgeber gerade anstellen, wird es noch eine Weile dauern, bis die Streiks beendet sind. Wenn sich oben nichts tut, muss man unten rütteln - und wir rütteln ganz gewaltig.»

Rote Luftballons, Trillerpfeifen, Transparente und Fahnen: Die etwa 1000 Streikenden in Mannheim sind schon von Weitem wahrnehmbar. Unter die Demonstranten haben sich auch viele Eltern und Kinder gemischt. Sie wollen den Erziehern den Rücken stärken. Eine von ihnen ist die 30-jährige Anne Schmidt. Zusammen mit ihrer 3-jährigen Tochter hat sie Fähnchen mit der Aufschrift «Löhne rauf, Kita auf» gebastelt. «Das Anliegen der Erzieher ist richtig, nur die aktuelle Betreuungssituation ist schwierig. Solange gestreikt wird, wechseln wir uns im Freundeskreis mit der Betreuung ab», sagt sie. 

Unter den Streikenden ist auch Erzieher Armin Allenberger. Der 47-Jährige ist Leiter eines kommunalen Kinderhauses in Mannheim. Wo die 82 Kinder seiner Einrichtung während des Streiks untergebracht werden, weiß er genau: «Wir erhalten sehr viel Unterstützung von den Eltern. Sie sind per E-Mail vernetzt und wechseln sich mit der Kinderbetreuung ab.»

Der gelernte Werkzeugmacher ist seit 19 Jahren Erzieher. «Leider ist die Wertschätzung für soziale Berufe in der Gesellschaft sehr gering.» Dies wirke sich auch auf die Bezahlung aus. Viele hätten auch eine zweite Arbeitsstelle, um sich über Wasser halten zu können. «Die landläufige Meinung ist, wir würden nur mit den Kindern spielen. Das stimmt nicht, wir machen wichtige Bildungsarbeit, die auch dementsprechend bezahlt werden muss», meint Allenberger. 

Nach fünf Runden hatten die Gewerkschaften die Tarifverhandlungen für die bundesweit 240 000 Erzieher und Sozialarbeiter in kommunalen Einrichtungen in der vergangenen Woche für gescheitert erklärt. Für Allenberger ist das Ziel des Ausstandes klar: «Mit den Streiks wollen wir eine deutliche Aufwertung der Sozial- und Erziehungsberufe bewirken, unter anderem durch eine höhere Eingruppierung. Wenn wir diese Diskrepanz zwischen Lohn und Arbeit nicht in den Griff bekommen, finden wir bald keine Fachkräfte mehr.»