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Landtagswahlen: Wie die Parteien an ihren Spaßkampagnen scheitern - WELT

Beim Entwerfen der Wahlplakate sind viele Parteien kreativ - so wie die CDU in Mecklenburg-Vorpommern, die sich einen Gag erlaubte. Doch das führt nur bedingt zum Erfolg.


Um zu wenig Aufmerksamkeit muss sich Lorenz Caffier in seinem Heimatland nicht sorgen. Der CDU-Politiker kandidiert in Mecklenburg-Vorpommern für das Amt des Ministerpräsidenten. Von seinem großflächigen blauen Plakat lächelt er die vorbeifahrenden Autofahrer an.


„C wie Zukunft" steht daneben geschrieben. Der Spruch sorgte in vielen Medien für Spott. Mittlerweile gibt es sogar eine Internetseite mit mal mehr, mal weniger humorvollen Variationen des Slogans - „C wie Wahlkampfdebakel" oder „C wie Leder".


Wolfgang Raike ist PR-Berater und hat schon in einigen Wahl-Kampagnen mitgeholfen. Er ist skeptisch, ob das Plakat Caffier bei der Wahl helfen wird. „So ein Spruch sorgt vielleicht für Aufmerksamkeit, aber es ist fraglich, ob man damit Wähler mobilisieren kann. Der Spruch hat wenig mit der Lebenswirklichkeit der Wähler zu tun."


Trotzdem ist der CDU-Landesverband mit dem Ergebnis der Aktion zufrieden. „In den ersten drei Tagen der Kampagne gab es über 300.000 Zugriffe auf unsere Website", sagt Christian Anders, Sprecher des Landesverbands. „Das sind so viele wie sonst in einem ganzen Monat."


"Die Reaktionen waren hauptsächlich positiv"

Mittlerweile wurde die Seite über 900.000 Mal geklickt. Man habe mit dem Plakat genau das erreicht, was man erreichen wollte. „Die Reaktionen waren hauptsächlich positiv. Man wird ja nicht ernsthaft annehmen, dass wir nicht wissen wie Zukunft geschrieben wird." Das C stehe sowohl für Caffier als auch für das Christliche im Namen der Union.


Es ist Wahlkampfzeit in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin. Das bedeutet Plakate an jedem Baum, Infostände auf den Marktplätzen und Broschüren im Briefkasten. Anders als im Bundestagswahlkampf sind die Wahlkampfkassen bei Landtagswahlen aber nicht so prall gefüllt. Darunter leidet häufig die Qualität der Kampagne, meint Raike.


„Die Parteien experimentieren in letzter Zeit viel. Manchmal mit emotionalen Plakaten, mal mit Spaßkampagnen." Sie hätten gemerkt, dass Porträtfotos der Kandidaten sie nicht mehr weiter bringen. „Die Botschaften müssen berühren, dürfen dabei aber nicht zu platt wirken. Gerade im Landtagswahlkampf gibt es auch viel Unprofessionelles."


Trotzdem sind Wahlplakate ein Muss in jedem Wahlkampf, erklärt Matthias Jung, Vorstand der Forschungsgruppe Wahlen. „Plakate sind vergleichsweise günstig. Vor allem erinnern sie die Menschen daran, dass überhaupt Wahlen stattfinden."


Katja Suding und die Werbung im Regenmantel

Manchmal braucht ein Kandidat nicht einmal besonders viele oder einfallsreiche Wörter. Die Hamburger FDP schaffte bei der letzten Wahl den Sprung in die Bürgerschaft. Sie warb dafür mit einem großformatigen Foto von Spitzenkandidatin Katja Suding in gelben Regenmantel. Dazu der Slogan: ‚Positiv denken, positiv handeln'.


„Die FDP hat komplett auf Inhalte verzichtet", sagt Wolfgang Raike, „und sie hat damit Erfolg gehabt. Manchmal sorgen solche Aktionen für das nötige halbe Prozent, die zum Einzug ins Parlament fehlen." Ein Plakat müsse eben Sympathie transportieren. „Dadurch können bedauerlicherweise sogar die Inhalte kompensiert werden."


In Berlin quetscht die FDP besonders viel Inhalt auf ihr Plakat. „Ist die FDP eine Arbeiterpartei oder eine Partei der Besserverdiener? Wir möchten, dass man mit Arbeit besser verdient als ohne." Viele Wörter für ein Plakat, auf das Autofahrer und Passanten nur einen kurzen Blick werfen können. „Der Spruch ist etwas lang, und der Zusammenhang ist auch schwer zu erfassen", sagt Raike.


Die regierende SPD versucht es dagegen mit nur zwei Wörtern: „Berlin verstehen". Daneben zeigen große Schwarz-Weiß-Fotos Menschen bei der Arbeit, Väter mit Kindern oder Jugendliche auf der Straße. „So ein Plakat schafft viele Fantasien, darunter kann sich jeder etwas vorstellen", sagt der PR-Experte.


Wichtig ist der persönliche Kontakt zum Wähler

Beide Experten sind sich einig, dass es trotz bunter Plakate und kantiger Sprüche vor allem auf den persönlichen Kontakt zwischen Kandidaten und Wählern ankommt. „Der ist aber auch am schwierigsten zu erreichen", sagt Matthias Jung.


„Auf kommunaler Ebene kann ein Kandidat in einem Bezirk in dem er Chancen hat auch von Haus zu Haus gehen und Hände schütteln." Doch je größer der Wahlbezirk, desto schwieriger wird die persönliche Vorstellungstour.


Auch in Mecklenburg-Vorpommern hat sich Ministerpräsident Erwin Sellering vorgenommen, mit Wählern ins Gespräch zu kommen.Er will dabei aber weitgehend auf Großauftritte verzichten. „Taktisch ist das nicht ganz verkehrt, denn im Wahlkampf kann man sich schnell versteigen. Trotzdem darf man dem Herausforderer nicht das Feld ganz überlassen. Man muss auch sagen, wofür man steht", sagt Raike.


"Es soll mehr um Inhalte gehen"

Dagegen taugen soziale Netzwerke und das Internet laut Wahlforscher Jung nur bedingt, um neue Wähler zu mobilisieren. „Die Leute müssen sich schließlich selbst auf die Internetseite hinbewegen. Damit erreicht man niemanden, der sich nicht sowieso schon für Politik interessiert. Und in sozialen Netzwerken sind die Leute, die den Wahlkampf machen ja häufig auch nur mit Gleichgesinnten vernetzt."


Stammwähler ließen sich im Wahlkampf sowieso nicht mehr umstimmen. „Man kann einen Linkspartei-Wähler im Wahlkampf nicht dazu bringen, CDU zu wählen", sagt Jung. Heute seien aber weniger Menschen an eine bestimmte Partei gebunden als früher. „Das macht es leichter, Wechselwähler zu gewinnen."


Der Kampf um die Wählergunst wird nicht nur mit Bildern und Sprüchen gewonnen. „Die Unterschiede zwischen den einzelnen Parteien sind zu sehr verschwommen", findet Wolfgang Raike. „In Zukunft sollte es wieder mehr um die Inhalte gehen."

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